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Liberale soziale Medien
Warum der Wahlerfolg der FDP auch mit linken Instagram-Accounts zu tun hat, erklärt Leo Fischer
Der Liberalismus ist wieder auf dem Vormarsch! Lange Zeit in seiner Neo-Variante geschmäht, feierte er bei den Bundestagswahlen ein sensationelles Comeback. Freie Fahrt dem Tüchtigen, alle Macht den Arbeitgebern! Es hat fast etwas Rührendes, dass die inhaltlich komplett in den Neunzigern stehengebliebene FDP ein Comeback feiern kann. Nachdem die rücksichtslose Armenverachtung eines Guido Westerwelle die Partei zeitweise ruiniert hatte, feiert sie nun, im Zeitalter der Influencer*innen, des Bitcoin-Wahns und der Selbstvermarktung via Instagram ein unverdientes Comeback.
Dass sich gerade die Grünen den Liberalen so völlig hemmungslos an die Brust werfen, kann nur diejenigen überraschen, die komplett auf den grünen Wahlkampf hereingefallen sind. Vielmehr gilt: Grüne sind Liberale, die es geschafft haben. Der Lebensstil ihrer Wähler*innen dürfte sich nur geringfügig unterscheiden; zu vermuten steht, dass die Durchschnittswähler*innen der FDP eher noch jünger und weniger akademisch als die der Grünen sind. Eine konsequente liberale Beschallung der sozialen Medien seit Christian Lindners legendärem Instagram-Wahlkampf zur Bundestagswahl 2017 hat viele junge Menschen gebunden. An den Wänden der Berufsschule in meiner Nachbarschaft prangten doch tatsächlich liberale Kreide-Graffiti: »Jeder ist seines Glückes Schmied«, stand da, von künftigen Buchhalter*innen ohne jede Ironie vorgetragen.
Dass die FDP sich in Thüringen erst vor Kurzem beinahe von Faschisten an die Macht hätte bringen lassen - geschenkt. Die vielen Positionierungen gegen einen »Neoliberalismus«, der freilich vom allgemeinen kapitalistischen Programm überhaupt nicht zu trennen ist, verschleiern, dass das liberale Programm kulturell längst schon hegemonial geworden ist, besonders durch die Funktionsweise sozialer Medien. Da können noch so viele mit ihren Memes und Videos für Gleichberechtigung, Emanzipation und vielleicht sogar für Enteignungen werben - performativ unterschreiben auch schon die linkesten Accounts das kapitalistische Ticket. Auf Instagram sind alle stets Werbetreibende in eigener Sache, konsumieren die Werbung der anderen, um wiederum Werbung für die eigene Werbung zu machen. Die Inhalte sind zweitrangig: Auf struktureller Ebene sind immer alle Einzelkämpfer*innen, die sich selbst, ihre Bücher, Kolumnen oder andere Konsumartikel in die Kamera halten, in der vagen Hoffnung, von großen Firmen, gleich welche Zuschnitts, entdeckt, eingekauft und entkernt zu werden. Solidarität gibt es nicht, nur ein gegenseitiges Markieren als zeitweilig Verbündete, die im nächsten Moment schon wieder abgestoßen, Gegenstand des hate werden können, der kapitalistischen Form von Kritik. Soziale Errungenschaften tauchen nicht auf, stattdessen vermarkten die Leute sogar ihre existenziellen Bedürfnisse, sammeln Geld für Krankenhaus-OPs, die ihnen eine vernünftige Gesellschaft bezahlen müsste und eine weniger vernünftige schon einmal bezahlt hatte, damals, im Goldenen Zeitalter der Systemkonkurrenz.
Das Lebensgefühl der Instagram-Monaden fängt die FDP getreulich ein, und glorifiziert es sogar. Während im linken Medienkosmos triste Warnungen in schwarzweiß dominieren, sieht man bei der FDP machistische Macher in der Optik eines Wolfgang Tillmans, deren verschwitzte Business-Leiber gesellschaftliche Transformation somatisieren. Jedes Paar Augenringe ein Zeichen erfolgreichen Wandels! Da ist das Stirnrunzeln der grünen Meinungsmacher*innen über die sensationellen Ergebnisse der FDP bei den Erstwähler*innnen wirklich nur vorgeschoben: Sie machen die gleiche Politik, nur einmal für Abiturient*innen und einmal für alle.
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