- Wissen
- Studie
Hohe Ungleichheit in der Lebenserwartung
Studie verglich Daten aus den USA und Europa
Die Lebenserwartung in den USA ist im Vergleich zu Europa über alle Einkommensschichten, Alters- und ethnischen Gruppen hinweg nach wie vor ungleich, das gilt insbesondere für arme Schwarze. Das ist der Befund einer vor wenigen Tagen im Fachblatt »Proceedings of the National Academy of Sciences« veröffentlichten Studie unter Leitung der Ökonomen Janet Currie von der Princeton University und Hannes Schwandt von der Northwestern University.
Die Forscher aus 15 Instituten in den USA und Europa haben dabei umfangreiche Daten der Statistikämter aus den Jahren 1990 bis 2018 analysiert - also vor der Covid-19-Pandemie, die die krassen Ungleichheiten bei der Gesundheitssituation deutlich gemacht habe, wie die Autoren schreiben. Um die Lage in den USA zu bewerten, wurden die einkommensstärksten und die einkommensschwächsten Gebiete verglichen. Dabei fand sich ein positiver Trend: Im Untersuchungszeitraum verringerte sich der Unterschied in der Lebenserwartung zwischen Schwarz und Weiß von 7,0 auf 3,6 Jahre, was hauptsächlich auf einen Rückgang der Sterblichkeit unter Schwarzen in allen Gebieten zurückzuführen sei. Die Autoren vermuten einen Zusammenhang mit besserer Bildung, Maßnahmen zur Armutsbekämpfung wie dem Gesundheitsprogramm Medicaid und der Verteilung von Lebensmittelmarken, aber auch mit der Verringerung der Umweltverschmutzung, die gerade in armen Gegenden besonders stark ist.
Co-Autor Schwandt spricht von »einer großartigen Erfolgsgeschichte, auch wenn ein dramatischer und inakzeptabler Unterschied in der Lebenserwartung bleibt«. Der Befund relativiert sich weiter beim Vergleich mit sechs europäischen Ländern wie Großbritannien, Frankreich und Deutschland. So hat sich die Sterblichkeitslücke zwischen weißen US-Bürgern und weißen Europäern seit 1990 sogar vergrößert. Die Kluft zwischen schwarzen US-Bürgern und schwarzen Europäern verringerte sich zwar bis 2018 von 7,1 auf 6,5 Jahre, seit 2012 war sie aber wieder größer geworden. Darüber hinaus sind die einkommensbedingten Unterschiede in der Lebenserwartung in den Vereinigten Staaten größer als in Europa. Eine besonders große Diskrepanz gibt es zudem bei Säuglingen, Kindern und Jugendlichen.
In der Studie wird betont, dass die relative Verschlechterung gegenüber Europa nur zum kleinen Teil auf das singuläre Ereignis der Opioidkrise in den USA zurückzuführen ist. Es geht wohl um tiefer liegende Gründe wie die größere soziale Ungleichheit und eine schlechtere Gesundheitsversorgung. Die Autoren regen weitere Studien an, um zu klären, welche medizinischen, sozialen und politischen Entwicklungen die Langlebigkeit verbessern, was eine rein statistische Untersuchung natürlich nicht kann. Die Botschaft der Daten ist laut Hannes Schwandt trotzdem klar: »Die Sterblichkeitsraten sowohl bei schwarzen als auch bei weißen Amerikanern in allen Altersgruppen und sowohl in reichen als auch in armen Gebieten könnten noch viel weiter sinken.«
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.