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Antirassistische Schleimkanone

Die KiKA-Sendung »Moooment!« gibt Kindern und Jugendlichen Tipps, wie sie sich gegen Rassismus wehren können

  • Norma Schneider
  • Lesedauer: 5 Min.

Ein anerkennendes »Du sprichst aber gut Deutsch!« oder ein eifriges »Wo kommst du denn wirklich her?« - gut gemeint und sehr daneben. Das sind nur zwei der unzähligen Formen von Alltagsrassismus, dem viele Kinder und Jugendliche in Deutschland täglich ausgesetzt sind. Obwohl das eigentlich nicht zum Lachen ist, hat der Kinderkanal KiKA eine fünfteilige Comedyserie zu diesem Thema gemacht - und das funktioniert erstaunlich gut. »Moooment!« heißt das Format, das sich vor allem über rassistische Erwachsene lustig macht und Kindern zeigt, wie sie in verletzenden Situationen reagieren können.

»Wenn wir das nicht als Comedy gemacht hätten, dann wäre es eine Infoveranstaltung geworden«, sagt Head-Autor Joy Chun. Ihm war es wichtig, die Botschaft nicht von oben herab zu präsentieren, nicht bloß aufzuklären, sondern eine Serie zu produzieren, die Spaß macht. Die Charaktere der sechs Schulfreund*innen, um die sich die Serie dreht, wurden von einem Team aus sechs Autor*innen entwickelt, die jeweils einen sehr ähnlichen Hintergrund haben wie die Figuren. Das ist auch der Grund, warum »Moooment!« funktioniert: Weil die Serie nicht von besorgten Pädagog*innen gemacht wurde, die selbst noch nie Rassismus erleben mussten, sondern von Betroffenen, die ihre eigenen Erfahrungen einbringen konnten.

Herausgekommen sind dabei fünf rasante und witzige Geschichten, die vollgepackt sind mit Ideen. Gezeigt werden Alltagsszenen in der Schule, im Eiscafé, beim Einkaufen oder auf dem Kindergeburtstag. Sobald sich jemand rassistisch äußert oder verhält - zum Beispiel der Kaufhausdetektiv, der sich sicher ist, dass Nadia (Sarah Fares) etwas geklaut hat -, lassen die Kinder mit einem lauten »Moooment!« die Szene einfrieren. Dann diskutieren die Freund*innen, was hier eigentlich gerade los ist und wie man am besten reagieren könnte.

Dabei sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt. Statt trockener Fakten gibt es an diesen Stellen kleine Sketche, die aus der Alltagswelt ausbrechen und den eigentlichen Witz der Serie ausmachen. Adaolisa (Mylee Sattler-Johnson) zum Beispiel regt sich auf, dass ihr ständig Leute ohne zu fragen in die Haare fassen. Da hilft nur das neue innovative Produkt »Hair Surprise 3000«, das wie auf einem Homeshopping-Kanal vorgestellt wird. Wenn sich fremde Hände den Haaren nähern, muss sich die Trägerin des etwas anderen Haarreifs um nichts kümmern. Die »Hair Surprise 3000« wehrt sich mit einer eingebauten Schleimkanone. Und wenn es darum geht, zu erklären, was Rassismus eigentlich ist und woher er kommt, machen die Freund*innen das wie echte Influencer*innen als Unboxing-Video.

Besonders nervig finden es die Kinder, dass sie ständig von Lehrer*innen zu Expert*innen für ihre vermeintliche »Heimat« erklärt werden. Als das mal wieder im Unterricht passiert, friert die Szene ein, und plötzlich befinden sich die Schüler*innen auf dem Podium einer »Weltkonferenz zu allen Fragen«, wo sie von einem ganzen Mob weißer Journalist*innen mit Fragen gelöchert werden. Der jüdische Junge Sam (Lewis Köhl) wird dabei wie zu erwarten in die Rolle des Nahostexperten gedrängt, und Johannes (Jace Ortiz) wird zur politischen Lage in Hongkong befragt, obwohl seine Eltern aus Korea kommen. Die zu Recht sehr genervte Adaolisa beendet schließlich die Konferenz: »Ich hab keinen Bock, auf mein Aussehen reduziert zu werden und Fragen zu Afrika zu beantworten! Lest doch einfach mal ein Buch dazu!«

Julia (Mia Küenzlen) ist die einzige der Figuren, die selbst keinen Rassismus erleben musste. Sie setzt sich für ihre Freund*innen ein, und gemeinsam versuchen sie, Julias Opa davon abzuhalten, auf dem Kindergeburtstag schon wieder rassistische Witze zu erzählen. Zuerst versucht es Sam, der zu einem echten Superhelden wird, dem »Unterbrechungsman«. Er ist immer rechtzeitig zur Stelle, um den Opa zu unterbrechen, bevor er etwas Verletzendes sagen kann. Da das aber auf Dauer keine Lösung ist, hat Julia noch eine andere Idee. Zusammen mit Tayfun (Mohamad Fares) begibt sie sich auf die Reise in den Kopf ihres Opas, um dort mal ordentlich zu entrümpeln.

Doch bei »Moooment!« sind nicht nur fantastische Lösungen zu sehen, sondern auch, wie man tatsächlich gut in solchen Situationen reagieren kann. Die Botschaft ist: Es hilft, Dinge anzusprechen und sich zu wehren. Aber auch, dass man damit nicht unbedingt immer auf Verständnis stößt, weil viele beleidigt sind, wenn sie auf ihren unbewussten Rassismus angesprochen werden. Schließlich haben sie es gar nicht so gemeint und können doch auch gar keine Rassist*innen sein, weil sie einen ganz »bunten« Freundeskreis haben und superinteressiert sind an anderen Kulturen. An solchen Stellen hakt dann die Fantasiefigur »Dr. Tayfun« ein, der mit weißem Kittel und Zeigestock sehr erwachsen erklärt, wie Täter-Opfer-Umkehr oder Othering funktionieren.

In den etwa zwölfminütigen Folgen der Serie steckt sehr viel an Handlung und Information, manchmal vielleicht etwas zu viel, denn die Szenen wechseln so schnell, dass für einzelne Themen und Figuren nur wenig Zeit bleibt. Aber dafür sind die Folgen sehr unterhaltsam und voller Energie, sodass keine Langeweile aufkommen kann. Die Sketche bieten eine erstaunlich umfassende Einführung in das Thema Alltagsrassismus - und das nicht nur für die Zielgruppe der Zehn- bis Dreizehnjährigen. Von Rassismus betroffene Kinder sehen bei »Moooment!«, dass sie nicht alleine sind mit ihren Erfahrungen und sich nicht alles bieten lassen müssen. Und für die Schüler*innen, Eltern und Lehrer*innen, die selbst nicht betroffen sind, aber sich - bewusst oder unbewusst - rassistisch äußern, ist die Serie hoffentlich ein Anstoß, das eigene Verhalten zu reflektieren und zu ändern.

»Moooment!« läuft auf dem Kinderkanal.

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