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Wie divers ist die Pornoindustrie?
Ein Gespräch mit einer Porno-Regisseurin über Minderheiten und das Christentum
Als Erotikfilmemacher*in sind Sie für den Feministischen Pornfilmpreis »PorYes« nominiert, der dieses Wochenende vergeben wird. Wie finden Sie das Programm des Berliner Festivals PorYes dieses Jahr?
Alle Inhalte, die ich mir vorher schon online angeschaut habe, finde ich gut. Die Menschen hinter dem Festival machen großartige Arbeit. Ich habe sie vor einigen Jahren auf einem anderen Filmfestspiel in Berlin kennengelernt, und wir haben ein Vertrauensverhältnis aufgebaut. Ich freue mich auf den Abend.
Sie achten in Ihren Filmen darauf, Minderheiten zu zeigen. Wie divers ist die Pornoindustrie?
Ich glaube definitiv, dass es in der Pornoindustrie an Vielfalt mangelt. Dennoch gibt es so viele Inhalte, so viel Material, das man alles finden kann. Die Diversität, die viele Leute suchen, gibt es auf der Mainstream-Ebene einfach nicht. Es braucht also Zeit, dass diversere Pornos für ein breiteres Publikum bekannter werden und auch eine Fangemeinde. Und auch das Momentum spielt natürlich eine Rolle.
Was Sie also sagen, ist, dass es im Allgemeinen eine ausreichende Auswahl an verschiedenen Pornos gibt, nur nicht, dass alle im Mainstream aufzufinden sind?
Feministischer Porno war noch nie im Mainstream der Branche. Das Genre des feministischen Pornos beschreibt für mich jene Art der Unterhaltung, die von Menschen gemacht wurde, die die wirtschaftlichen, sozialen und mentalen Aspekte des weiblichen Körpers und die weibliche Erfahrung verstehen. Es ist in Mode gekommen, einfach, weil die Leute eine Affinität zu feministischen Inhalten haben, weil es zu viele maskuline Inhalte gibt.Dieser wird konkret für den cis gender gaze gemacht. Feministische Inhalte nutzen mehr Möglichkeiten, um die Schnittmengen und Auswirkungen von feministischem Porno zu verstehen. Viele Leute wollen verschiedene Perspektiven sehen, auch die von Frauen.
Wie stellen Sie sicher, dass an einem Porno-Set consent (Zustimmung) gewährleistet werden kann?
Ich rede mit den Leuten darüber, welche Unsicherheiten sie haben oder über Dinge, mit denen sie sich wohlfühlen. Das ist wichtig für die Pornoindustrie, auch den Darsteller*innen das Gefühl zu geben, dass mit ihnen gesprochen wird und sie mit einem vernünftigen Unternehmen zusammenarbeiten. Wenn die eigentliche Aufnahme beginnt, können sie bereits wissen, wie es der Person vor der Kamera geht, womit sie sich wohl fühlt, ohne sie in eine blöde Situation zu bringen.
Wie sind Sie selbst zum Filmemachen und Pornodrehen gekommen?
Durch meine Familie, viele arbeiten beim Film und Fernsehen. Also habe ich diese Fähigkeiten einfach auf Inhalte übertragen, die für mich interessant sind. Zum Porno bin ich über eine Anzeige auf Craigslist gekommen. Eine Kameraperson wurde gesucht, die bei den Dreharbeiten helfen sollte. Ich war total aus dem Häuschen. Aber trotzdem glaube ich nicht, dass die Person vor der Kamera wirklich Spaß hatte. Sie hat sich unwohl gefühlt, und ich mich auch. Ich wollte nicht in einer Situation sein, wo sich der Regisseur der Gefühle der Darstellerin nicht bewusst ist. Also fing ich an, mit anderen queeren, feministischen Produzent*innen zusammenzuarbeiten. Und die haben mich einfach machen lassen.
Pornobranche: Von großen Produktionsfirmen zur »Porno Ich-AG«
Sie betreiben in Oakland, Kalifornien, einen Sexshop. Sie produzieren auch Ihre eigenen Sexspielzeuge. Wie kommt das?
Wir beschäftigen uns mit einem Verbraucher weniger aus wirtschaftlicher und mehr aus sozialer Sicht. Inklusivität bei Sexspielzeug ist wichtig, wir können beispielsweise nicht nur an jüngere Leute denken. Sondern auch an Menschen, die gerade aus einer langen Beziehung gekommen sind oder an ältere Menschen, deren Vibratoren 20 Jahre gehalten haben, weil sie sie nie wirklich oft benutzt haben. Und wenn diese Person wieder in den Laden kommt, müssen wir sicherstellen, dass wir Produkte für sie haben.
Wie vereinen Sie Ihren christlichen Glauben und Ihre Sex-positive Einstellung?
Ich denke, dass sich die Zeiten ändern. Jeder Papst hatte eine eigene Identität und Ziele. Und auch abseits des katholischen Politikums ändern sich Dinge. Mehr Menschen sollten mit ihren Geschichten gegen die Kirche an die Öffentlichkeit treten, dann ändern sich die Dinge. Und auf Sex bezogen denke ich auch, dass sich die allgemeine Wahrnehmung ändern wird.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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