Rom lässt die Rechte links liegen

Auch die zweite Runde der Kommunalwahlen in Italien geht an die Mitte-links-Parteien. Die Hauptstadt regiert künftig ein Sozialdemokrat

  • Wolf H. Wagner, Florenz
  • Lesedauer: 3 Min.

Es deutete sich schon im ersten Durchgang der diesjährigen Kommunalwahlen an: Italiens Wahlvolk wendet sich nach einer überschwänglichen Hinwendung von der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung M5S wieder ab und erneut den Sozialdemokraten der Demokratischen Partei (PD) zu. Auch die rechten Bündnisse ließen bei den Stichwahlen zu Wochenbeginn Federn. Waren in der erste Runde bereits Mailand und Neapel deutlich an Mitte-links gegangen, folgten nun auch die Hauptstadt Rom und die Nordmetropole Turin. Zudem konnten sich in mehreren Provinzhauptorten die Kandidaten der Sozialdemokraten und links orientierter Bündnisse durchsetzen.

Der Sieg des Mitte-links-Kandidaten Roberto Gualtieri in der Stichwahl um das Bürgermeisteramt in Rom über seinen rechtsgerichteten Rivalen Enrico Michetti fiel deutlich aus. Der ehemalige Wirtschaftsminister Gualtieri von der PD kam auf etwa 60 Prozent der Stimmen. Rechtsanwalt Michetti, der in der ersten Runde noch vorne gelegen hatte, war von einer Allianz unterstützt worden, zu der die neofaschistische Partei Fratelli d’Italia, die rechtsradikale Lega von Matteo Salvini und die Mitte-rechts-Partei Forza Italia des früheren Regierungschefs Silvio Berlusconi gehörte.

Von seiner Vorgängerin Virginia Raggi übernimmt der nun gewählte PD-Bürgermeister Gualtieri kein leichtes Erbe. Das Scheitern der Sterne-Politikerin an diesem Amt steht stellvertretend für den allgemeinen Niedergang von M5S. Die Bewegung erwies sich als unfähig, die Geschicke der Drei-Millionen-Metropole zu lenken, war blockiert von Skandalen in den eigenen Reihen, auf Grund derer etliche Stadtbedienstete ihren Stuhl räumen mussten. Katastrophale Zustände in der Kommune blieben ungelöst.

Dazu zählt seit langem das verheerende Müllproblem der italienischen Hauptstadt. Diese besitzt keine eigene Müllverbrennungsanlage, nutzt Deponien im Umland weit außerhalb. Nachdem der Anteil der Mülltrennung auf unter 50 Prozent gesunken ist, wird dort alles wieder zusammengeworfen. Andere Teile der städtischen Infrastruktur befinden sich in einem ähnlich desaströsen Zustand. Medien spotten bereits: »Vorsicht bei Schlaglöchern, es könnten Kinder darin spielen!« Parks wie die Villa Borghese verrotten, weil sie nicht gepflegt werden. Der technische Zustand des Personennahverkehrs macht Fahrten zu einem gefährlichen Abenteuer. Mehrfach gingen in der jüngsten Vergangenheit Busse wegen defekter Kraftstoffleitungen in Flammen auf.

Für Regierungschef Mario Draghi ist der Ausgang der Kommunalwahlen ein deutliches Signal. Will er bis zum Ende der Legislaturperiode durchhalten, muss er sein Kabinett, in dem außer der rechtsextremen Fratelli d’Italia alle im Parlament vertretenen Parteien vertreten sind, gut zusammenhalten und klug dirigieren. Dass er seine Linie durchzusetzen versteht, hat Draghi mit der Umsetzung des Dekrets zum »Green Pass« gezeigt: Seit dem 15. Oktober sind alle Italiener verpflichtet, ein Zertifikat vorzuweisen, das sie als gegen Covid geimpft, genesen oder getestet ausweist. Ohne dieses Zertifikat ist nicht nur kein Zutritt zu gesellschaftlichen Veranstaltungen, sondern auch zum Arbeitsplatz mehr möglich.

Nach dem Angriff von militanten Green-Pass-Gegnern der neofaschistischen Forza Nuova auf den CGIL-Sitz hatte Draghi Gewerkschaftschef Maurizio Landini deutlich seine Solidarität bekundet. Und am Wahlsonntag eine Woche darauf forderten auf einer Großkundgebung in Rom mehr als 100 000 Teilnehmer: »Nie wieder Faschismus!« Dieses Signal ging auch in Richtung des rechten Bürgermeisterkandidaten Enrico Michetti. Im Vorfeld hatte Michetti erklärt, der faschistische »saluto romano« (die italienische Entsprechung zum Hitlergruß) sei »hygienischer als der Covid-Gruß mit dem Ellenbogen«. Mehrfach war er auch mit antisemitischen Äußerungen in die Kritik geraten. Dass er bei den Kommunalwahlen durchfiel, war eine klare Antwort der römischen Antifaschisten und Demokraten.

Was dieser Linksruck für Italiens Politik auf nationaler Ebene bedeutet, ist derzeit noch nicht abzusehen. Denn obgleich die PD unter ihrem neuen Generalsekretär Enrico Letta zugelegt hat, könnte ein Mitte-rechts-Bündnis nach Umfragen zwar nicht mit einer absoluten Mehrheit, aber nach den Regeln des Wahlgesetzes weiter mit einer Mehrheit der Sitze im Abgeordnetenhaus rechnen.

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