Mitbestimmung sexy machen

Mehr Mieterengagement bei den Landeseigenen braucht mehr Einfluss

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 3 Min.

»Ich bedauere es sehr, dass es in der zurückliegenden Legislatur nicht gelungen ist, die Mieterbeiräte gesetzlich zu verankern«, sagt Stadtentwicklungssenator Sebastian Scheel (Linke) am Montagabend bei der von der Wohnraumversorgung Berlin ausgerichteten Konferenz der Mieterräte und Mieterbeiräte im »Tagungswerk« in der Kreuzberger Lindenstraße. »Das hätte der Mitbestimmung in den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften noch einmal einen anderen Stellenwert gegeben.« Bekanntlich hatte die SPD im Sommer eine Novellierung des Wohnraumversorgungsgesetzes blockiert, weil sie eine Mitbestimmung der Mietergremien für juristisch nicht vereinbar mit der privatrechtlichen Verfasstheit der Landesunternehmen ansah. Selbst die abgemilderte Formulierung einer »Mitwirkung« wollte die Fraktion nicht mittragen (»nd« berichtete).

Mieterräte sind die Schnittstelle zwischen Bewohnern und Unternehmen auf Konzernebene. Ein Vertreter wird auch in den jeweiligen Aufsichtsrat mit Stimmrecht entsandt. Die Räte wurden mit dem Wohnraumversorgungsgesetz eingeführt, das infolge der Verhandlungslösung zwischen Senat und der Initiative Mietenvolksentscheid 2016 in Kraft getreten ist. Mieterbeiräte existieren schon wesentlich länger, sie sind allerdings gesetzlich nicht verankert, was mit der Gesetzesnovelle hätte geändert werden sollen. Sie sind die Schnittstelle auf Quartiersebene.

»Die geteilte Erfahrung der letzten Jahre zeigt sicherlich, dass die Verbindlichkeit der Mieterrätinnen und die Bereitschaft, gemeinsame Entscheidungen mitzutragen, immer dann am größten ist, wenn tatsächlich Mitgestaltungsmöglichkeiten vorhanden sind«, sagt die Co-Vorständin der Wohnraumversorgung Berlin, Ulrike Hamann. Sie kündigt an, sich auch in dieser Legislaturperiode für die Gesetzesnovelle einzusetzen. Ihr Vorstandskollege Volker Härtig, der auf Vorschlag von Finanzsenator Matthias Kollatz (beide SPD) zum Jahreswechsel 2021 eingesetzt worden ist, taucht trotz Ankündigung im Programm und offenbar unentschuldigt nicht auf. Bei vielen der rund 100 anwesenden Vertreterinnen und Vertretern der Gremien wird dies als Affront aufgefasst. Auf telefonische Nachfrage von »nd« zu den Gründen will Härtig sich nicht äußern. Er ist erneut Teil des Teams der SPD bei den laufenden Koalitionsverhandlungen mit Grünen und Linke für den Bereich Stadtentwicklung und Wohnen.

2020 existierten 118 Mieterbeiräte bei den sechs landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften, 16 mehr als zwei Jahre zuvor. 61 Prozent der Bestände wurden von ihnen abgedeckt, fast fünf Prozentpunkte mehr als noch 2018. Eine Herausforderung nennt Ulrike Hamann die Ausweitung auf die fast 15 000 Wohnungen, die für 2,46 Milliarden Euro von den Aktiengesellschaften Vonovia und Deutsche Wohnen im Zuge von deren Fusion durch das Land übernommen werden.

2022 stehen auch die Mieterratswahlen für fünf der sechs Wohnungsunternehmen an. Stadt-und-Land-Geschäftsführer Ingo Malter wirbt für eine rege Beteiligung sowohl als Kandidierende als auch bei der Abstimmung. Die erste Wahl 2016 war überschattet von Skandalen um Ausschlüsse zahlreicher den Wohnungsbaugesellschaften missliebiger Mieterinnen und Mieter, die sich zur Wahl stellen wollten. »Mieterräte haben nicht ein bloßes Anhörungs-, Informations- und Beratungsrecht. Sie haben im entscheidenden Gremium des Unternehmens Einfluss«, so Malter.

Auch Katrin Baba-Kleinhans von der Degewo berichtet von Schwierigkeiten, Menschen für die Arbeit in den Mieterbeiräten zu gewinnen. »Wenn es keine wirklichen Beteiligungsmöglichkeiten gibt, ist es frustrierend«, nennt Marie Schubenz vom Mieterrat Neues Kreuzberger Zentrum, der im System der Landeseigenen eigentlich Mieterbeirat heißen müsste, einen Grund für fehlendes Engagement. »In unserer Vereinbarung mit der Gewobag steht, dass wir anstreben, im Konsens zu entscheiden«, erläutert Schubenz die besondere Stellung ihres Gremiums. Nach einem etwas holprigen Start funktioniere das inzwischen gut, berichtet sie. Es soll ein Modellprojekt des Senats zur Stärkung der Beteiligung sein. So könne man den Leuten verdeutlichen, »dass Mieter*innenmitbestimmung sexy ist«, so Schubenz.

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