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Der überbewertete Herr Kimmich
Die Debatte um das Nicht-Impfen eines Fußballers ist schräg, scheinheilig und gefährlich
Die einfache Frage vorweg: Darf ein Fußball-Bundesliga-Profi Woche für Woche auflaufen, obwohl er nicht gegen Covid-19 geimpft ist? Ja, das darf er, wenn er einen negativen Test vorlegt. Auf den Zuschauerrängen sind 2G-Modelle, bei denen nur Geimpfte oder Genesene ins Stadion dürfen, zwar zulässig, aber nicht auf dem Platz, da dies das deutsche Arbeitsrecht derzeit nicht erlaubt.
Dieser juristische Aspekt zeigt: Bei der erhebliche Wellen schlagenden Debatte um das Nicht-Impfen-Coming-Out von Bayern-Kicker Joshua Kimmich geht es um Grundsatzfragen unseres Umgangs mit Corona in der Spätphase der Pandemie. Etwa die von Arbeitsverboten für Nicht-Geimpfte. Das ist nicht vorgesehen – und mit Blick auf das Infektionsgeschehen auch richtig. Ein solch massiver Eingriff in die Rechte von Arbeitnehmern wäre dann diskussionswürdig, wenn die Pandemie nicht anders in den Griff zu kriegen wäre, aber das ist nicht der Fall. Ein flächendeckendes Testregime reicht völlig aus, wobei die kürzliche Abschaffung kostenloser Schnelltests ein schwerer Fehler war, der rasch revidiert werden sollte.
Neben der arbeitsrechtlichen Frage geht es auch um eine wissenschaftliche Bewertung der Argumente des Fußballers, warum er sich nicht gegen Covid-19 impfen lassen will. Kimmich präsentiert sich ja nicht als pauschaler Impfgegner oder als Querdenker, für den Corona eine Erfindung ist, um das Volk zu knechten. Vielmehr verweist er auf das Fehlen von Langzeitstudien zu den neuartigen mRNA-Impfstoffen. Diese kann es natürlich noch nicht geben, aber es ist bekannt, dass bei den Vakzinen von Biotech und Moderna neben unproblematischen Impfreaktionen auch gefährliche Herzmuskelentzündungen auftreten können. Diese betreffen junge Männer, sind äußerst selten und bei rechtzeitiger Erkennung auch gut behandelbar. Dem Bayern-Spieler geht es aber um etwas anderes – das, was Experten die »unbekannten Unbekannten« nennen. Also Nebenwirkungen, von denen wir noch nicht einmal wissen, dass man nach ihnen suchen sollte. Hier wird es gefährlich: Verschwörungsdemagogen verbreiten zahlreiche Behauptungen, was der mRNA-Impfstoff im Körper anrichten kann, die aber alle als Ammenmärchen widerlegt sind. Und angesichts der vielen Impfungen und genauen Untersuchungen möglicher Nebenwirkungen weltweit dürfte das Risiko, dass da noch irgendwas kommt, wovon wir nichts wissen, gegen null gehen. Selbst wenn man in die Waagschale wirft, dass bei einem 27-jährigen, gesunden Leistungssportler die Wahrscheinlichkeit einer schweren Erkrankung gering ist und er für seine Umwelt, da ständig getestet, kaum ein Risiko darstellt, spricht vieles für eine Impfung. Aber letztlich muss das jeder selbst wissen: »Es ist die persönliche Entscheidung von Kimmich, und die soll es auch bleiben«, sagt auch der Vorsitzende der Ständigen Impfkommission, Thomas Mertens. Er hält die Debatte für »grenzenlosen Unfug«.
Womit wir bei der gesellschaftlichen Dimension der Story sind, und hier wird es kompliziert: Es ist völlig übertrieben, dass das Outing eines Einzelnen für soviel Aufregung sorgt. Eigentlich unglaublich, dass sich selbst die Bundesregierung bemüßigt fühlt, ihren Senf dazu zu geben, obwohl das weitere Infektionsgeschehen bestimmt nicht davon abhängt, ob ein Nationalspieler den Ärmel für die Impfung hochkrempelt oder nicht. Und der Druck, der gegen Kimmich aufgebaut wird, ist gerade mit Blick auf die lahmende Impfkampagne kontraproduktiv. Es ist wichtig, diese wieder in Schwung zu bringen, doch dies kann nur mit Argumenten und Aufklärung gelingen. Gerade die politisch Verantwortlichen sollten nicht einzelne Leute ermahnen, sondern sich endlich darum kümmern, wie man die Millionen noch immer ungeimpften Älteren erreicht.
Wenn allerdings Bayern-Ehrenpräsident Uli Hoeneß in schlimmster Vereinsmeierei gegen einen »Medien-Tsunami« wettert und auch andere Kimmich als Opfer hinstellen, ist dies genauso scheinheilig und gefährlich. Im Grunde gibt man denen recht, die behaupten, hierzulande würden Meinungen zu Corona unterdrückt. Und die Behauptung, es fehlten Langzeiterkenntnisse bezüglich der mRNA-Impfstoffe, wird zunehmend zur Schutzbehauptung der Impfgegner. Das sollte selbst einem Fußballer aufgefallen sein.
Dennoch: Das Spiel gegen Sars-CoV-2 wird wie alle wichtigen Dinge gewiss nicht auf dem Fußballplatz entschieden.
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