- Wissen
- Stadtfüchse
Vorsicht Fuchs!
Im Herbst werden die Jungtiere aus den elterlichen Revieren vertrieben. In den Städten sind dann oft mehr Rotröcke unterwegs als sonst
Sie kreuzen Straßen, laufen durch Vorgärten und plündern Abfallsäcke - Stadtfüchse haben sich optimal an ein Leben in menschlichen Siedlungen angepasst. Anders als in freier Natur, in der Lebensräume und Nahrung schwinden, ist der Tisch in den Städten reich gedeckt. Allein in Berlin gibt es Millionen Mäuse, Ratten, Kaninchen. Auch überfahrene Eichhörnchen und weggeworfene Lebensmittel stehen auf dem Speiseplan der anpassungsfähigen Allesfresser. Innerhalb von Wohnsiedlungen und Parkanlagen ist die Bejagung von Wildtieren und das Aufstellen von Fallen verboten. Die Behörden handeln erst dann, wenn von ihnen eine konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgeht. Die Füchse werden deshalb in der Regel allenfalls von Katzen oder Hunden vertrieben.
Die nacht- und dämmerungsaktiven Tiere ziehen sich tagsüber weitgehend in ihre Verstecke zurück, dennoch sind vereinzelt Tiere auch am Tag unterwegs. In der Stadt sind Füchse anderen Gefahren ausgesetzt als auf dem Lande. Eine der Haupttodesursachen ist hier der Straßenverkehr. Und ein Viertel der Füchse, die Autos zum Opfer fallen, sterben im Januar auf den Straßen. Denn im Winter spielen die unvorsichtigen Jungtiere gerne im Schnee. Zudem werden in der Zeit vom September bis November viele unvorsichtige Jungfüchse überfahren. Doch haben sie erst gelernt, die Gefahren des Straßenverkehrs einzuschätzen, werden sie sieben Jahre alt und älter.
Im Dezember, wenn die Paarungszeit beginnt, sind die Männchen fast drei Monate lang auf Partnersuche. Die Fähen sind nur zwei bis drei Tage im Jahr empfängnisbereit, wobei sie durch »Bellen« auf sich aufmerksam machen. Während dieser Zeit geht die Clanchefin kaum auf Futtersuche, denn so spart sie Energie. Nach 50 Tagen Tragezeit bekommt die Füchsin Anfang März ihre Jungen. Niedrigrangige Füchse helfen ihr bei der Versorgung ihres Wurfes.
Im Herbst beginnt die Suche nach einem neuen Revier
Die Tiere siedeln zum Teil mitten in der Stadt. So auch im Berliner Regierungsviertel - begünstigt durch die großflächigen Grünanlagen des benachbarten Tiergartens. Die Fuchsbaue sind von einem Netz von Fuchspfaden mit mehreren Ein- und Ausgängen umgeben, die auch als Versorgungswege genutzt werden. Wenn die Welpen in den ersten warmen Apriltagen aus ihren Schlupfwinkeln kommen, haben sie den ersten Fellwechsel schon hinter sich, auch die ersten Milchzähne kündigen sich an. Füchse leben, wenn sie nicht gejagt werden, eher monogam. Die Mutter säugt ihre Jungen zwei bis drei Monate lang, selbst dann, wenn sie längst feste Nahrung aufnehmen. Im Mai fühlen sich die jungen Füchse von Straßenlaternen fast magisch angezogen, denn dann kreisen Hunderte Maikäfer um die Lampen. Fallen die Insekten erschöpft zu Boden, sind sie nicht nur für Jungfüchse eine leckere Mahlzeit.
Im September werden die vier bis fünf Monate alten Jungfüchse von ihren Eltern allerdings aus dem gemeinsamen Zuhause vertrieben. Dann nimmt die Zahl der Füchse im Stadtbild scheinbar zu.
So wurden im Oktober 2020 in Berlin 1700 Füchse in rund 1400 Revieren gezählt, darunter Einzelgänger, Familien mit und ohne Rüden, Fähen mit ihren Töchtern oder Gruppen männlicher Tiere.
Die jungen Rotfüchse müssen dann lernen, auf eigenen Beinen zu stehen. Finden sie im Freien Katzenfutter oder weggeworfene Essensreste, fressen sie die. Für die meisten Jungfüchse ist es kein Problem, ein eigenes Revier zu finden, weiß der Wildtierreferent des Berliner Nabu, Derk Ehlert. Weil fortlaufend Tiere im Straßenverkehr oder an Krankheiten sterben, werden neue Reviere für den Nachwuchs frei.
Typische Fuchskrankheiten wie Tollwut wurden in Berlin seit gut 20 Jahren nicht mehr nachgewiesen. Auch der Fuchsbandwurm hat so gut wie keine Bedeutung. Dennoch: Kontakte zu zutraulichen Füchsen sollte man meiden und tote Füchse keinesfalls mit bloßen Händen anfassen. Der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) rät zudem, Hunde- oder Katzenfutter nicht frei herumstehen zu lassen und Essensreste zu entfernen. Geschlossene Mülltonnen und saubere Müllplätze halten die Füchse fern. Wer einen Fuchsbau findet oder ein Tier beim Graben beobachtet, sollte dieses vergrämen oder den Bau unzugänglich machen. Es sei denn, es befindet sich Nachwuchs darin. Denn Fuchsfamilien, die in Gärten oder Parkanlagen ihre Jungen aufziehen, dürfen von März bis Juni nicht gestört werden.
Lassen sich mit Fuchsjagden Krankheiten bekämpfen?
Füchse auf dem Lande müssen nicht nur ein eigenes Revier und einen geeigneten Partner finden, ihr Nahrungsangebot hängt von wechselnden natürlichen Faktoren ab. Die Fähen werfen je nach Wetter und Ernährungslage ihre Welpen von Februar bis Mai. Wegen der Gefahr der Bejagung werden die Jungen früh zur Selbstständigkeit erzogen. Das heißt, sie werden so früh wie möglich außerhalb des Baues gesäugt. Die Beute wird weiter entfernt vom Bau abgeleckt, um die Jungen zum Fressen herauszulocken. Je älter die Kleinen werden, desto weiter weg werden sie gelockt, bis sie schließlich von selber Insekten und Kleintiere fangen. Auch junge Landfüchse werden im Herbst aus dem Bau vertrieben. Anfangs ernähren sich die Jungtiere vor allem von Regenwürmern, Insekten oder Fallobst. Weil die Mäusejagd anfangs noch nicht so gut klappt, verlieren sie in dieser Phase bis zu 30 Prozent ihres Körpergewichtes.
Füchse übertragen Krankheiten und gefährden bedrohte Arten, heißt es. Nur durch intensive Bejagung könne man den Befall mit Fuchsbandwürmern eindämmen. Inzwischen wird in Fachkreisen diskutiert, ob eine Bejagung den Befall mit Fuchsbandwürmern tatsächlich eindämmen kann. Je mehr ältere Tiere getötet werden, umso zahlreicher werden die Jungfüchse, lautet das Gegenargument. Diese wiederum sind nicht nur anfälliger für Bandwürmer, sondern scheiden auch mehr Bandwurmeier aus als ältere Tiere.
Im Rahmen einer vier Jahre andauernden französischen Studie wurden die Auswirkungen intensiver Fuchsjagden auf die Bestände untersucht: Obwohl um 35 Prozent mehr Füchse als üblich getötet wurden, konnte der Bestand nicht wesentlich dezimiert werden. Steigende Geburtenraten und Zuwanderung konnten die Verluste ausgleichen. Der Fuchsbandwurmbefall nahm sogar um 15 Prozent zu. Wissenschaftler der TU München befürworten den Einsatz von Entwurmungsködern. So konnte während einer Testphase rund um München der Krankheitsbefall mithilfe des tiergerechten Einsatzes der Köder um bis zu 99 Prozent gesenkt werden. Was die schwindende Artenvielfalt angeht, so ist diese vor allem dem Verschwinden von Lebensräumen geschuldet. Hauptursache ist die industrielle Landwirtschaft mit ihren Monokulturen. Jagende Füchse spielen in diesem Zusammenhang kaum eine Rolle.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.