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Klimawandel trifft die Kornkammern der Welt
Die Landwirtschaft im Globalen Süden wird laut Studie zum Hauptverlierer. Kleinbauernorganisationen fordern in Glasgow mehr Unterstützung
Der Agrarsektor zählt zu den größten Quellen klimaschädlicher Treibhausgase. Fast die Hälfte der Emissionen des Sektors wird frei, wenn Wälder zu Acker- und Weideland umgewandelt und Moore trockengelegt werden und Biomasse verbrannt wird. Die andere Hälfte stammt aus der Landwirtschaft selbst. Damit ist sie nicht nur Teil des Problems, sondern auch der Lösung, wie Vertreter*innen von Bauernorganisationen immer wieder betonen.
Doch sie müssen sich sputen, um angesichts der Klimakrise der Aufgabe weiter gerecht werden zu können, die Ernährung der Welt zu sichern. Die Nasa und das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) haben in neuartigen Computersimulationen tiefgreifende Veränderungen in den Anbaubedingungen und Erträgen der wichtigsten Kulturpflanzen schon in den nächsten zehn Jahren vorausgesagt - wenn sich die derzeitigen Trends der globalen Erwärmung fortsetzen. »Wir stellen fest, dass die neuen Klimabedingungen die Ernteerträge in immer mehr Regionen erheblich beeinflussen«, erklärt der Hauptautor Jonas Jägermeyr, Klimawissenschaftler am Goddard Institute for Space Studies der Nasa und am PIK.
Durch die Kombination einer Reihe neuer Klimaprojektionen und verschiedener aktualisierter Nutzpflanzenmodelle hat das Forscher*innenteam das derzeit größte Ensemble künftiger Projektionen landwirtschaftlicher Erträge errechnet. Die menschengemachten Treibhausgasemissionen führen demnach zu höheren Temperaturen, veränderten Niederschlagsmustern und mehr Kohlendioxid in der Luft. »Das hat Folgen für das Pflanzenwachstum. Wir sehen, dass in vielen wichtigen Kornkammern der Welt anormale Jahre schon innerhalb des nächsten Jahrzehnts oder kurz danach zu normalen Jahren werden. Für uns ist das der Zeitpunkt, an dem das Klimawandelsignal klar alles historische Rauschen übertönt«, so Jägermeyr. So könnten zwischen den Jahren 2070 und 2100 die Maiserträge global um fast ein Viertel zurückgehen.
Das bedeute, Landwirt*innen müssten sich viel schneller anpassen, indem sie zum Beispiel den Zeitpunkt der Aussaat verändern oder andere Pflanzensorten verwenden. »So lassen sich schwere Verluste vermeiden, aber auch Gewinne erzielen, etwa in den höheren Breitengraden«, so Jägermeyr. Denn während die Ernten wichtiger Kulturpflanzen wie Mais zurückgehen, könnten die Erträge von Weizen möglicherweise weltweit um etwa 17 Prozent steigen. Das Getreide wächst am besten in gemäßigten Klimazonen wie in den nördlichen Vereinigten Staaten und Kanada sowie in China. Mais dagegen wird unter anderem in subtropischen und tropischen Ländern angebaut, die von steigenden Temperaturen heftiger betroffen sein werden als kühlere Regionen der hohen Breiten. In Nord- und Mittelamerika, Westafrika, Zentral- und Ostasien könnten die Maiserträge laut der Simulationen in naher Zukunft um mehr als 20 Prozent zurückgehen.
»Unsere Daten zeigen deutlich, dass ärmere Länder wahrscheinlich die stärksten Rückgänge bei den Erträgen ihrer wichtigsten Grundnahrungsmittel verzeichnen werden. Das verschärft die bereits bestehenden Unterschiede in der Ernährungssicherheit und im Wohlstand«, sagt Mitautor Christoph Müller vom Potsdamer Institut. Den armen Ländern und natürlich den betroffenen Kleinbauern selbst fehlten oft die Mittel, sich ihre Nahrungsmittel auf dem Weltmarkt zu beschaffen. »Während einige im globalen Norden von dem prognostizierten grundlegenden Wandel der landwirtschaftlichen Produktionsmuster profitieren dürften, könnte er im globalen Süden zu einem Risiko für die Ernährungssicherheit werden« so Müller.
Vertreter*innen afrikanischer Kleinbauernorganisationen und indigener Gemeinschaften haben deshalb auf der UN-Klimakonferenz in Glasgow einen nachhaltigen, klimafreundlichen Umbau der Landwirtschaft gefordert. Elizabeth Nsimadala, Präsidentin der Föderation ostafrikanischer Bauern und des panafrikanischen Bauernverbands, sagte, sie spreche für 80 Millionen Landwirtinnen und Landwirten, die mehr als 800 Millionen Menschen ernährten. Oft kämen die Bäuer*innen aber selbst kaum über die Runden - auch weil vom Klimawandel beförderte Dürren immer öfter Böden austrockneten oder Naturkatastrophen Ernten vernichteten. Das Agrarsystem stehe vor dem Kollaps, warnte sie. Um sich gegen die indus-trialisierte Landwirtschaft behaupten und in der Klimakrise bestehen zu können, bräuchten sie internationale Unterstützung.
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