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Die Corona-Ampel lässt auf sich warten

Während die designierte neue Regierungskoalition ein neues Infektionsschutzgesetz präsentiert, füllen sich die Intensivstationen mit Covid-19-Patienten

Eigentlich könnte dieser Artikel nach wenigen Zeilen zu Ende sein. Dann nämlich, wenn sich die künftige Dreier-Bundesregierung darauf einigt, Ende November im Bundestag die »epidemische Lage von nationaler Tragweite« zu verlängern. Das wäre die rechtliche Grundlage dafür, dass die Länder zu den gleichen Maßnahmen greifen, die nach den schier endlosen Lockdown-Monaten im Frühjahr die dritte Welle brachen. In der vierten Welle, die sich gerade mit Rekordinfektionszahlen auftürmt, wäre es am einfachsten, darauf zurückzugreifen und vielleicht die Maßnahmen gemäß den veränderten Rahmenbedingungen leicht nachzuschärfen. Doch insbesondere die Grünen und die FDP, die alles Mögliche modernisieren wollen, möchten das Corona-Rad neu erfinden.

Am Montag sollte der rot-grün-gelbe Entwurf für ein novelliertes Infektionsschutzgesetz in den Fraktionen vorgestellt werden. Der Start der parlamentarischen Beratungen ist für Donnerstag vorgesehen. Es gehe um einen »Gesetzentwurf zur angemessenen und entschlossenen Bekämpfung von Corona«, wie SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese sagte. Für Grünen-Chefin Annalena Baerbock ist es das Ziel, »die Schutzmaßnahmen auf eine rechtlich tragfähige Grundlage zu stellen und dadurch abzusichern«.

Im bisherigen Infektionsschutzgesetz sind mögliche Maßnahmen geregelt, aus denen sich die Länder im Falle der »epidemischen Notlage« bedienen und die sie per Verordnung beschließen dürfen, ohne langwierig eigene Gesetze durch ihre Parlamente bringen zu müssen. In der Novelle müssen sich neben einem geänderten Verfahren daher auch viele mögliche Maßnahmen finden, über die in den letzten Wochen intern diskutiert wurde. Einige Details sind an die Öffentlichkeit gelangt: So soll es eine tägliche Testpflicht für Mitarbeiter und Besucher in Pflegeheimen unabhängig davon geben, ob diese geimpft oder genesen sind, wie die »Bild am Sonntag« berichtete. Außerdem arbeiten die Ampel-Parteien wohl an Maßnahmen, die Betrügereien mit gefälschten Impfnachweisen verhindern sollen. Ferner sollen Krankenhäuser wieder eine staatliche Entschädigungszahlung bekommen, wenn sie einen Teil ihrer Intensivbetten für Corona-Patienten freihalten. Und um die Booster-Impfungen zu beschleunigen, sollen Ärzte verpflichtet werden, ihre älteren Patienten anzuschreiben. Die heftig diskutierte 2G-Regelung soll es bundesweit nicht geben, wie es hieß. Allerdings dürfte ihr Einsatz vor Ort wie derzeit in Sachsen forciert werden.

Unabhängig von der Kritik an einzelnen Maßnahmen, die von Patientenschützern, Lehrerverbänden und auch von Epidemiologen als unzureichend kritisiert werden, entsteht durch die Neuregelung ein grundsätzliches Problem: Die Länder müssen ihre einzelnen Verordnungen durchforsten, ob sich darin etwas findet, was im neuen Bundesgesetz nicht mehr erwähnt wird, und diese gegebenenfalls ändern. Auf dem neuerlichen Höhepunkt der Pandemie und angesichts der eigentlich wieder zu späten Reaktionen der Politik kann dies zusätzlich Zeit kosten. Deshalb gibt es aus einzelnen, vor allem unionsgeführten Ländern Kritik an dem Verfahren. Sie drängen darauf, dass Noch-Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ein Treffen mit den Ministerpräsidenten einberuft. Merkel habe Sympathien für eine solche Abstimmungsrunde, wie Regierungssprecher Steffen Seibert sagte. Es gebe aber unter den Länderchefs dazu derzeit keine Einigkeit.

Es könnte noch ein zweites Problem entstehen: Sollen auch einzelne bundesweit geltende Maßnahmen vereinbart werden, müssten die Verordnungen von der noch amtierenden schwarz-roten Regierung beschlossen werden. Zumindest in der Frage der Wiedereinführung der kostenlosen Corona-Bürgertests soll es nicht zu einer Blockade kommen: Der geschäftsführende Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) berät bereits mit den Ampel-Parteien darüber, wie ein Sprecher am Montag in Berlin sagte. Im August hatten Bund und Länder entschieden, die Kostenfreiheit ab Oktober zu beenden. Daran hatte es von zahlreichen Fachleuten Kritik gegeben, denn wenn deutlich weniger getestet werde, würden viele Infektionen unerkannt bleiben. Eine solche unsichtbare Welle dürfte ein Grund für den zuletzt derart starken Anstieg der Infektionen sein. Spahn, der mit dem Auslaufen des Tests vor allem Druck auf Ungeimpfte machen wollte, wurde nun offenbar umgestimmt. »Der Minister sieht es auch so, dass es genauso richtig ist, sie in dieser vierten Welle vorübergehend wieder einzuführen«, so sein Sprecher.

Trotz Einigkeit in dieser Frage wird die Kritik immer deutlicher. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hält es »völlig absurd, ein Ende einer epidemischen Lage auszurufen«. Auch Noch-Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) bezeichnete die geplante Aufhebung der epidemischen Notlage als »schweren Fehler« - eine direkte Kritik auch an seinem Parteikollegen Spahn, von dem die Idee ursprünglich stammte.

Auch der Zeitaspekt könnte zum Problem werden: Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, forderte eine sofortige Umsetzung der Maßnahmen, statt auf eine Neureglung zu warten. Derzeit spitzt sich nämlich auch die Lage in den Krankenhäusern wieder zu. Christian Karagiannidis von der Intensiv-medizinervereinigung Divi befürchtet, dass sich die bereits hohe Zahl der Covid-Patienten auf Intensivstationen in den kommenden Wochen fast verdoppeln werde.

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