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Nichts übrig für die Bauern
Auch eine Fokussierung der EU-Agrarsubventionen auf ökologische Kriterien würde den Exodus aus der Landwirtschaft nicht stoppen - im Gegenteil
Vertreter von Umweltorganisationen, Linke-, SPD- und Grünen-Politiker*innen waren enttäuscht, nachdem das EU-Parlament am Dienstag die neuen Vergabekriterien für Agrarfördermittel durchgewinkt hatte. Denn sie werden wohl kaum das Artensterben und den Klimawandel stoppen oder abmildern. Das liegt aber vor allem daran, dass dafür eine globale, solidarische Anstrengung nötig wäre, die alle gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bereiche einschließt.
Subventionsmodalitäten allein haben kaum das Zeug, hier etwas zu bewirken, selbst wenn sie noch so ambitionierte Vorgaben für eine umweltfreundliche, pestizidarme bis -freie und das Tierwohl fördernde Landwirtschaft enthielten. Denn es ist unbestritten, dass kleine Höfe wie auch größere Betriebe zerrieben werden zwischen Anforderungen der Gesellschaft, hohen Herstellungs- und Betriebsmittelkosten und von Groß- und Einzelhandel gezahlten Dumpingpreisen für ihre Produkte.
Der Boden als Spekulationsobjekt
Fördergelder können innerhalb des herrschenden Systems, egal nach welchem Prinzip ausgezahlt, das Höfesterben nur abbremsen. Hohe Auflagen werden es sogar beschleunigen, solange Handel, Verarbeitungsindustrie, Düngemittel- und Saatguthersteller nicht in die Pflicht genommen werden. Denn auch höhere Beihilfen für die Erfüllung von »Eco Schemes« und Co. werden die dadurch bedingten Mehrkosten nicht auffangen, solange sich EU-Bauern bei hohen Produktionskosten auf dem Weltmarkt behaupten müssen. Das gilt auch bei den gegenwärtig stark steigenden Preisen etwa für Getreide. Denn sie nützen den Bauern nichts, weil auch die Kosten für Diesel, Dünger, Saatgut und Co. drastisch nach oben gehen.
Mit den Zahlungen an die Landwirte werden derzeit an erster Stelle Fleisch-, Molkerei- und Einzelhandelskonzerne subventioniert - aber auch die Verbraucherpreise. Eine weitere Gruppe von Nutznießern hat in der Agrardebatte kaum jemand auf dem Schirm: Seit der Finanzkrise 2007/2008 sind die Preise für Pachten, aber auch für den Erwerb von Ackerland, förmlich explodiert. In Deutschland haben sie sich in den letzten 15 Jahren mehr als verdreifacht. Das hat gerade den größeren Betrieben in Ostdeutschland ein kostendeckendes Wirtschaften erschwert. Denn hier ist einerseits der Anteil gepachteter Flächen höher als bei den in Familienbesitz befindlichen Höfen im Westen. Andererseits hat die bundeseigene Bodenverwertungs- und Verwaltungsgesellschaft den Druck auf die Unternehmen erhöht, gepachtete Flächen teuer zu erwerben, um sie nicht an andere Interessenten zu verlieren. Die nicht zuletzt dadurch entstandene prekäre Lage vieler Betriebe ist das Einfallstor für branchenfremde Anleger, deren Einfluss stetig wächst.
Dass der Boden längst Spekulationsobjekt ist, spielt aber in der gesamten EU eine wachsende Rolle. Denn die Bauern, die sich noch zwischen Wachsen und Weichen bewegen, haben längst ebenfalls große Teile des von ihnen bewirtschafteten Landes gepachtet. In Westdeutschland aber sind die Pachtpreise noch höher als im Osten. So müssen auch hier die EU-Direktzahlungen zu großen Teilen oder komplett an die Verpächter weitergereicht werden. Bei denen handelt es sich oft um Ex-Kollegen im Ruhestand oder um solche, die ausgestiegen sind.
Die Kritik der Umweltverbände, mit der Kopplung der EU-Subventionen an die bewirtschaftete Fläche werde Landbesitz und nicht »gesellschaftliche Leistung« gefördert, ist also einerseits richtig. Andererseits verkennt sie, dass bei großen Betrieben in Ostdeutschland genau wie bei Familienbetrieben überwiegend nicht die aktiven Landwirte die Besitzer und damit die Profiteure der Subventionen sind.
Eine Entkopplung der Subventionen von der Fläche zugunsten einer Bindung an ökologische Kriterien und an die Zahl der Beschäftigten wäre indes zumindest in einer Hinsicht sehr sinnvoll: Wettbewerbsverzerrungen zugunsten reiner Ackerbaubetriebe könnten so beseitigt werden. Denn die können kaum organischen, also tierischen Dünger nutzen, das Prinzip der Kreislaufwirtschaft ist bei ihnen außer Kraft gesetzt. Das betrifft auch den Ökolandbau. Dass diese Reform nicht in Angriff genommen wurde, belastet den EU-Haushalt mit Zahlungen, die 99 Prozent der Landwirte nichts nützen.
Ein Fortschritt bei der jetzigen EU-Agrarreform ist, dass die Zahlungen nicht mehr branchenfremden Empfängern zugutekommen sollen. Ob das tatsächlich dazu führt, dass Akteure wie der Versicherer Munich Re, der Südzucker-Konzern oder die Möbelfirma Steinhoff nicht mehr von diesen Geldern profitieren, bleibt abzuwarten.
Es lohnt sich nicht
Wesentlicher Kritikpunkt von Linken und Grünen ist, dass nur bis zu 25 Prozent der Direktzahlungen an zusätzliche Umweltauflagen geknüpft sind. Zugleich haben die Mitgliedsstaaten aber die Möglichkeit, diesen Anteil auf nationaler Ebene auszuweiten. Nur wird das Hauptproblem durch die besten Kriterien der Subventionierung nicht zu lösen sein: Landwirtschaft ist längst nur noch etwas für extrem leidensfähige Menschen, die zugleich eine Leidenschaft für diesen Beruf haben. Denn die Arbeit lohnt sich für die große Mehrheit nicht: Die Einkommen der Landwirte liegen in der EU weit unter dem Durchschnitt. Dazu kommen pauschale Schuldzuweisungen an die Bauern, wo genauere regionale Analysen der Ursachen, etwa des Rückgangs der Biodiversität oder der Grundwasserbelastung, nötig wären.
Immer mehr Bauern werfen angesichts von Niedriglohn und schlechten Images ihres Berufs das Handtuch. Das fördert einerseits die weitere Konzentration des Bodens in wenigen Händen. Fast noch dramatischer ist der damit einhergehende Verlust von Fachwissen und Erfahrungsschatz für die Landwirtschaft.
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