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Das Soziale als Krimi

Die Serie »American Rust« erzählt von vielen kleinen US-amerikanischen Dramen

  • Florian Schmid
  • Lesedauer: 4 Min.

Krimigeschichten aus den sozial randständigen USA mit ihren kleinstädtischen, ökonomisch prekären Lebensverhältnissen und der Alltagskultur der dortigen »Working Class« liegen gerade voll im Trend. Nicht nur dass James Sallis, der gerne als eine Art Hohepriester des amerikanischen Noir-Krimis gehandelt wird, gerade in seinem neuen Roman »Sarah Jane« von einer Polizeichefin aus dem Hillbilly-Milieu, Irak-Veteranen, männlicher Gewalt und den Lebensverhältnissen der kleinstädtischen Peripherie erzählt. Auch der Sender HBO wartete vor kurzem mit der thematisch ganz ähnlich gestrickten Serie »Mare of Easttown« auf, die mehr von einem Sozialdrama als von einem Krimi hat und in einer Kleinstadt in Pennsylvania angesiedelt ist. Motivisch auch nah dran an dieser Thematik ist die ebenfalls auf Sky ausgestrahlte Serie »American Rust«.

Die filmische Umsetzung des gleichnamigen, bisher nicht ins Deutsche übersetzten und von der amerikanischen Kritik gefeierten Romans von Philipp Meyer aus dem Jahr 2009 spielt ebenfalls in Pennsylvania, in der Nähe von Pittsburgh, also in jenem sozial und ökonomisch abgehängten Teil Amerikas, der früher Manufacturing Belt hieß und seit der Deindustrialisierung im Zuge der fordistischen Krise der 1970er Jahre als Rust Belt bezeichnet wird.

»American Rust«, also »Amerikanischer Rost«, wie der Titel übersetzt heißt, inszeniert dieses randständige Amerika noch viel ungeschminkter und unmittelbarer als die vom Feuilleton so hoch gelobte Serie »Mare of Easttown«. Dabei spielen Drogen eine zentrale Rolle in der neunteiligen, atmosphärisch dicht inszenierten Serie. Polizeichef Del Harris (Jeff Daniels), ein traumatisierter und tablettenabhängiger Irak-Veteran, ermittelt in einem Mordfall. Ein ehemaliger Hilfspolizist, der allerdings ein stadtbekannter Junkie war, wird in einer verlassenen Industrieanlage ermordet aufgefunden. Verdächtigt wird bald Billy Poe (Alex Neustaedter), mit dessen Mutter (Maura Tierney), die gerade versucht in ihrem Nähbetrieb eine gewerkschaftliche Organisation aufzubauen, der Polizeichef eine Affäre hat. Billys bester Freund Isaac (David Alvarez) verlässt derweil die Kleinstadt und beklaut zuvor noch seinen schwer kranken Vater, der rassistisch vor sich hin schimpfend auf seinem Fernsehsessel liegt. Und Isaacs Schwester Lee (Julia Mayorga), die Ex-Liebe von Billy, die den Sprung aus der tristen Kleinstadt ins verheißungsvolle New York geschafft hat, kommt für ein paar Tage zurück in die Provinz, um bei ihrem Vater nach dem Rechten zu sehen.

»American Rust« beginnt ganz langsam und entwickelt sich dramaturgisch eher gemächlich. Das handlungstragende Verbrechen, um das herum sich die miteinander verknüpften kleinstädtischen Dramen gruppieren, passiert irgendwann fast eher nebenbei. Immer wieder sieht man den Polizeichef, wie er am Schreibtisch sitzend seine Tabletten im Mörser kleinstampft und auf der Waage portioniert. Große verdreckte Autos, leere Straßen und heruntergekommene Altbauten prägen das Stadtbild.

Der Fokus in dieser starbesetzten, in Sepia- und Grautönen gehaltenen Serie liegt auf den Bewohnern der fiktiven Kleinstadt Buell. Neben dem High-School-Football-Team gibt es kaum etwas für junge Menschen - bis auf ein paar Bars und das nächtliche Herumstehen auf der Straße. Getanzt wird ausgelassen zu 80er-Jahre-Hits, wenn es überhaupt einmal Feiern gibt, wie etwa Hochzeiten, auf denen dann ausgiebig gebechert wird. Einige Figuren wohnen in heruntergekommenen Trailern und sind dazu noch wegen Schulden räumungsbedroht. Aber eine anberaumte Zwangsversteigerung für die Freundin des Polizeichefs endet ziemlich schnell, als einige Nachbarn mit Gewehren auftauchen und potenzielle Bieter einschüchtern. Die Polizei steht daneben und schaut gelangweilt zu.

Die USA der Globalisierungsverlierer rückten nicht zuletzt nach Donald Trumps Wahlsieg immer weiter in den Fokus des amerikanischen Kulturbetriebs, in der Annahme, dass hier die neo-reaktionäre Wählerschaft schlummert. Ein Stück weit ist das sicher zutreffend und wird auch in »American Rust« entsprechend inszeniert. Aber die Serie zeigt auch, dass hier ebenso gewerkschaftliche Organisierung und rassismuskritische Akteure anzutreffen sind und dass das klassistisch stets abschätzig als »White Trash« bezeichnete Milieu politisch nicht zwangsläufig rechts stehen muss. Wobei »American Rust« mit seiner düsteren und depressiven Grundstimmung allerdings deutlich macht, dass diese prekären Lebensverhältnisse im abgehängten ländlichen und kleinstädtischen Raum leider keine Ausnahme darstellen.

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