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Digitale Tücken

Chaos Communication Congress: Über die Idee eines Cyber-Hilfswerks und »System Change« auf Plattformen von Großkonzernen

Wer sich mit Computern, dem Internet, der Digitalisierung beschäftigt, für den ist es eigentlich ein schönes Ritual, am Ende des Jahres am Chaos Communication Congress des Chaos Computer Clubs teilzunehmen. Immer größer wurde der Kongress in den vergangenen Jahren. Die 17.000 Tickets, die es seit dem Umzug von Hamburg in die Leipziger Messe gibt, waren immer blitzschnell ausverkauft. Tausende Nerds waren in den Messehallen, die ihre neuesten Spielzeuge vorstellten, ein eigenes Telefonnetz oder eine selbst gebaute kongresseigene Rohrpost. Es gab immer viel zu staunen bei den Treffen der Nerds.

Wie bei so vielen anderen Dingen stört die Corona-Pandemie aber auch den Kongress. Schon im vergangenen Jahr wurde er abgesagt und auch in diesem Jahr war den Hacker*innen die Lage zu unsicher. Wieder gab es einen »Remote«-Kongress. Also ein Treffen aus der Entfernung. Das Motto: »Nowhere«, also Nirgendwo. Der Kongress im Nirgendwo endete an diesem Freitag. Thematisch war er ähnlich breit aufgestellt, wie die Kongresse der Vergangenheit. Von Hobby-Projekten wie dem richtigen fotografieren von Polarlichtern ging es bis zur Situation von Julian Assange, bei der UN-Sonderberichterstatter Nils Melzer und die Investigativjournalistin Stefania Maurizi über den Fall aufklärten.

Spaß und Verantwortung

Olga Hohmann versteht nicht, was Arbeit ist und versucht, es täglich herauszufinden. In ihrem ortlosen Office sitzend, erkundet sie ihre Biografie und amüsiert sich über die eigenen Neurosen. dasnd.de/hohmann

»Frust produktiv nutzen«

Interessanter als diese beiden Vorträge, die gut aufzeigen, wie breit das Themenspektrum des Chaos Communication Congress ist, waren aber die Vorträge, die zeigen, womit sich die Aktivist*innen in ihrem Alltag beschäftigen. So scheint das Engagement der Open Knowledge Foundation langsam Früchte zu tragen. Die neue Bundesregierung denkt darüber nach, einen öffentlichen Fonds einzurichten, der zehn Millionen Euro jährlich für Open-Source-Projekte bereitstellt. Das Geld könnte auch dafür aufgewendet werden, die Sicherheit von Software zu erhöhen. Das ist notwendig, denn viele Open-Source-Projekte, die millionenfach genutzt werden, hängen an einzelnen Menschen oder Kleinstgruppen, die sich nebenbei um die Projekte kümmern.

In vielen anderen Vorträgen ging es um praktische Themen aus dem vergangenen Jahr. Bianca Kastl erklärte, warum die Luca-App »fachlich nicht geeignet« sei, um ihren Zweck, Kontakte nachzuverfolgen, zu erreichen. Kastls Fazit, nicht nur zu Luca, sondern insgesamt zur Digitalisierung in der Pandemie: Bis auf ein paar Ausnahmen entstehe »relativ viel Frust«. Diesen solle man aber produktiv nutzen. Im Kleinen habe es Beispiele für gute digitale Anwendungen gegeben, die bei der Pandemiebekämpfung geholfen hätten.

Manuel Atug, auch ein großer Kritiker der Luca-App, widmete sich auf dem Kongress seiner eigentlichen Leidenschaft, dem Katastrophenschutz im digitalen Raum. Dafür sprach er mit Sabine Griebsch vom Landkreis Anhalt-Bitterfeld. Der Kreis hatte im Sommer den Katastrophenfall ausgerufen, nachdem Kriminelle die Computersysteme verschlüsselt und versucht hatten, den Kreis zu erpressen. Griebsch erzählte, mit welchen Tücken die Verwaltung zu kämpfen hatte, um die Angriffe zu bewältigen. Atug warb für die Idee eines Cyber-Hilfswerks, das wie das Technische Hilfswerk zur Unterstützung bei der Katastrophenbewältigung gerufen werden könnte.

Plädoyer für eigene Netzwerke

Ganz so staatstragend ging es aber nicht in allen Vorträgen und Diskussionen zu. Das Klimagerechtigkeitsbündnis »Ende Gelände« erzählte zum Beispiel über seine Social-Media-Strategie für den »System Change«. In einer Diskussion, an der auch andere Klimagruppen beteiligt waren, kritisierte ein Vertreter des Vereins »Digitalcourage« diese Netzaktivitäten hart. Bei Facebook, Twitter und anderen Plattformen gebe man die eigenen Daten in die Hand von Großkonzernen. Auch Geheimdiensten mache man mit dem virtuellen Aktivismus die Arbeit leichter. Ziel müsse es sein, eigene Netzwerke aufzubauen, die attraktiv sind und Reichweite haben. Dabei habe die Hackercommunity in den vergangenen Jahren einiges verschlafen.

Ob Hacker*innen nun den Staat verbessern oder abschaffen wollen – Raum gibt es beim Kongress für beide Gruppen. Eine Hoffnung eint die meisten: dass der Kongress im nächsten Jahr nicht mehr nur in virtuellen Welten stattfinden muss, sondern man sich wieder physisch begegnen kann.

Zwar hatten viele Menschen Spaß in der für den Kongress gestalteten 2D-Welt, die wie ein Computerspiel aus den frühen 1990er Jahren aussieht, und in der es vom Bahnhof mit Hausprojekt in Brandenburg bis zum Weltraumaufzug mit Toilette alles gab, was die Hacker*innen-Seele begeistert. Aber der Austausch von Angesicht zu Angesicht, das gemeinsame basteln und probieren, fehlte dem Kongress im Nirgendwo.

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