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Wider Verdammung und Verklärung
Die Hommage eines britischen Historikers auf die Interbrigadisten in Spanien
Die Internationalen Brigaden im Spanischen Bürgerkrieg sind ein Thema, das in Ostdeutschland jahrzehntelang überstrapaziert, in Westdeutschland hingegen stiefmütterlich behandelt wurde. Auch nach dem Fall der Mauer hat die vergleichsweise provinziell ausgerichtete Geschichtswissenschaft der Bundesrepublik den »Freiwilligen der Freiheit« (Voluntarios de la libertad) wenig Beachtung geschenkt. In der Öffentlichkeit spielt das Thema keine Rolle mehr. Wer liest heute noch »Wem die Stunde schlägt« von Ernest Hemingway? Eine Frage, die das weltweite Lesepublikum betrifft.
Eine unerwartete Antwort liefert Giles Tremlett. Aus seiner Feder ist vor Kurzem im Bloomsbury-Verlag, der bekanntlich Harry Potter bekannt gemacht hat, eine neue Gesamtdarstellung der Geschichte der Internationalen Brigaden und deren nachfolgende Rezeptionen erschienen. Als Korrespondent der britischen Zeitung »Guardian« in Madrid hat Tremlett schon in der Vergangenheit »nebenbei« populärwissenschaftliche Bücher zur spanischen Geschichte vorgelegt, die sich als Bestseller erwiesen. Das überschwängliche Lob des (prorepublikanischen) Experten für den Spanischen Bürgerkrieg in England, des Londoner Geschichtsprofessors Paul Preston, im Vorwort des Buches dürfte die Verkaufszahlen der Neuerscheinung zusätzlich beflügeln. Eine spanische Übersetzung (Verlag Debate) liegt bereits vor.
Nach dem dubiosen Werk des profranquistischen Pseudowissenschaftlers César Vidal, der sich nach seiner Steuerflucht endgültig von Spanien nach Florida abgesetzt hat, handelt es sich hier um die erste umfassende Darstellung zum Thema seit den 1970er Jahren. Wer von einem britischen Autor einen epischen Ton erwartet, kommt ganz auf seine Kosten. Das Buch liest sich unterhaltsam bis spannend und dürfte einen breiteren Leserkreis ansprechen als üblicherweise bei diesem Sujet zu erwarten wäre. Tremlett bietet einen souveränen Überblick über die Geschichte der internationalen Freiwilligentruppe, die von 1936 bis 1939 an der Seite einer von der demokratischen Staatenwelt im Stich gelassenen Republik wacker gegen rechtsgerichtete Putschisten kämpfte, die von Hitler und Mussolini unterstützt wurden.
Tremlett stützt sich auf vorliegende Studien zu Freiwilligenkontingenten aus einzelnen Ländern. Dass er bei der Behandlung der deutschen Interbrigadisten die Beiträge von Werner Abel, hierzulande der beste Kenner der Materie, außer Acht lässt und sich lieber auf sprachlich zugängliche, dafür oberflächliche Quellenstudien einer spanischen Hobbyhistorikerin stützt, ist zwar bedauerlich, tut der Sache insgesamt aber keinen Abbruch. Neben Studien und Memoiren basiert die Darstellung auf unveröffentlichten Dokumenten, die jahrzehntelang im Archiv der Komintern in Moskau ruhten und heute wieder frei zugänglich sind. Lobenswert ist, dass der Autor auch regionale spanische Archive besucht hat, die nur Insidern vertraut sein dürften. Dies kommt etwa der Beschreibung der Schlacht von Belchite im Sommer 1937 zugute. Seine Liebe zum Detail und zu biografischen Einblicken wird der Leser nicht als Zumutung empfinden.
Tremlett macht keinen Hehl aus seiner Sympathie für die rund 35 000 Männer und Frauen, die - beseelt von »antifaschistischem Impuls« - nach Spanien loszogen, um zu verhindern, was in Deutschland und Italien bereits geschehen war. Der heikle Aspekt des Stalinismus wird von ihm nicht unter den Teppich gekehrt, wie es jahrzehntelang in der kommunistischen Geschichtsschreibung Standard war. Der Fall eines deutschen Freiwilligen aus Mannheim (Tremlett stützt sich dabei auf Angaben des Autors dieser Rezension), der von den eigenen Leuten als »trotzkistischer Provokateur« erschossen worden war, ist hierfür ein eindrückliches Beispiel. Das Gesamturteil des Briten verdichtet sich in einem bekannten Bildmotiv der Befreiung von Paris von der Wehrmacht. An der Spitze der Befreier der französischen Hauptstadt von deutscher Okkupation sind ehemalige republikanische Spanienkämpfer, auf Panzern hockend, zu sehen. So wandelte sich deren Niederlage gegen die Franco-Putschisten letztlich an der Seite der Alliierten nicht nur moralisch in einen Sieg über den Faschismus.
Das vorliegende Buch dürfte der Rehabilitierung der republikanischen Spanienkämpfer, die während der Zeit des Kalten Krieges in Westdeutschland als »Rotspanienkämpfer« (der Begriff stammte von NS-Propagandaminister Goebbels) gebrandmarkt und in den USA vom FBI behelligt worden sind, weiter zugutekommen. Gerade in Spanien scheint noch Bedarf daran zu bestehen.
Als vor wenigen Monaten die sterblichen Überreste des Diktators Francisco Franco aus seinem Mausoleum, das sich zum Wallfahrtsort von Rechtsradikalen entwickelt hatte, entfernt wurden, knirschten die spanische Justiz und die katholische Kirche Spaniens laut mit den Zähnen. Und bisher getraute sich der spanische König nur in Frankreich, republikanische Spanienkämpfer öffentlich zu würdigen. Seiner bürgerlichen Gattin gestattet die Klatschpresse immerhin, die rot-gelb-violette Fahne der Spanischen Republik im Herzen zu tragen. Dass im royalen Palacio de la Zarzuela Tremletts Buch zur Kenntnis genommen wird, darf indes bezweifelt werden. Zu hoffen wäre hingegen, dass sich für das Buch auch ein deutscher Verlag findet.
Giles Tremlett: The International Brigades. Fascism, Freedom and the Spanish Civil War (Bloomsbury) Unser Rezensent ist Historiker und Autor des Buches »Mythos Spanien. Das Erbe der Internationalen Brigaden in der DDR« (J. H. W. Dietz, 2004); er hat zudem eine Biografie der Interbrigadistin Betty Rosenfeld geschrieben, die bald in Buchform erscheinen wird.
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