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Ein alter Meister
Es lebe die Poesie des Parlaments, besonders die von Herbert Wehner
Katrin Göring-Eckardt (Grüne) unterstützt den Vorschlag, den Posten einer Parlamentslyriker*in zu schaffen. Den hatten die nicht ganz so bekannten Schriftsteller*innen Simone Buchholz, Mithu Sanyal und Dmitrij Kapitelman dem neu gewählten Bundestag unterbreitet. Göring-Eckhardt ist darin wieder Vizepräsidentin geworden und von der Idee mit der Lyrik amtlich begeistert. Sie will damit »im Sinne von Freiheit und Demokratie werben«.
Als Begründung führte sie an, »mit Poesie einen diskursiven Raum zwischen Parlament und lebendiger Sprache öffnen« zu wollen. Tatsächlich sind die Lyriker*innen unter den Mitgliedern des Bundestags schon sehr lange auf dem Rückzug. Wehmütig erinnern wir uns an die alten Meister, unter denen der Abgeordnete Herbert Wehner (SPD) herausragte. Hier ein Auszug aus der kreativen Rede, die er am 20. März 1980 hielt, als der Bericht zur Lage der Nation von Bundeskanzler Schmidt debattierte wurde:
»(...) Meine Heimat hieß in der Weimarer Republik Freistaat Sachsen; genauso: Freistaat Thüringen. (Zurufe von der CDU/CSU). Nun lassen Sie mich doch einmal ausreden, Sie Düffel-Doffel da! (Heiterkeit bei der SPD und der FDP, Lachen bei der CDU/CSU). (...) Ich habe auch eine Freiheit. Ich ergebe mich nicht dem, was einen hetzen soll; das kommt nicht infrage. (Zurufe von der CDU/CSU) Nein, nun lassen Sie mich bitte einmal sprechen. Sie haben ja noch Gelegenheit, heute den ganzen Tag bis spät in die Nacht zu reden, Sie bedeutende Herren. Was habe ich hier gesagt? (Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/ CSU]: Wenn Sie die Presse beschimpfen wollen, dann beschimpfen Sie nicht uns, Herr Wehner!) Reden Sie doch keinen Stuss, reden Sie doch keinen Stuss, Sie weiser Herr! (Lachen bei der CDU/CSU. Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU]: Jetzt haben Sie doch die Presse beschimpft!) Ja, ja. Nun gehen Sie hin und machen Sie eine Anzeige gegen mich, Sie Knabe! (Erneutes Lachen bei der CDU/CSU. Kittelmann [CDU/CSU]: Sie sind sehr liebenswürdig, Herr Wehner!) Mann, Sie sind doch nicht ganz voll.« So viele neue Beschimpfungen in nur einer Rede, wow!
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