Werbung

Wer pumpt den Coronakeller aus?

Jeja nervt: Warum kritisieren die außerparlamentarischen Linken nicht den Staat in der Pandemie?

  • Jeja Klein
  • Lesedauer: 3 Min.

In der Bundespressekonferenz hat der Präsident des Robert Koch-Instituts Lothar Wieler die »neue« Pandemiephase von den bisherigen abgegrenzt. In der Vergangenheit sei es darum gegangen, die Strategie der Eindämmung und der Abmilderung zu verfolgen. In der jetzigen Phase könne jedoch aufgrund der hohen Fallzahlen eine Eindämmung nur noch auf die wichtigsten Bereiche konzentriert werden. Demnach gehe es um den Schutz von Risikogruppen. Damit stellt er, wie so häufig in den letzten zwei Jahren geschehen, die Pandemie als unausweichliches Naturereignis dar, dessen Folgen nur ein wenig abgemildert werden könnten.

Wieler macht, anders ausgedrückt, die Phase der Pandemie selber, nicht die Phase des politischen Kampfes gegen die Pandemie, für das Ende der »Flatten the Curve«-Strategie und die Durchseuchung verantwortlich. Doch dass angeblich keine effektiven Maßnahmen zum Absenken der Verlaufskurve mehr im Besteckkasten seien, hatte die Politik selbst entschieden. Sie versprach schon vor dem Auftreten von Omikron: Keine Lockdowns mehr. Die extrem hohen Verlaufszahlen, die ein Fortsetzen der Eindämmungsstrategie jetzt angeblich unmöglich machen würden, sind ja selber erst durch die Weigerung entstanden, die Eindämmung von Delta zu verfolgen. So entsteht Ideologie.

Jeja nervt
Jeja Klein ist eine dieser Gender-Personen aus dem Internet und nörgelt einmal die Woche an Kultur und Politik herum. dasND.de/jejanervt

Stellen Sie sich nämlich vor, Ihr Keller läuft voll, aber Sie pumpen ihn nicht mehr aus. Immerhin läuft er ja immer wieder voll. Sie sind genervt vom Abpumpen und davon, ständig Ihren Alltag für das Abpumpen unterbrechen zu müssen. Aber dann werden Sie nicht am nächsten Morgen mit Blick auf Ihren randvoll unter Wasser stehenden Keller sagen: »Jetzt ist er plötzlich schon so voll, dass ich ihn gar nicht mehr auspumpen kann.« Und einfach wieder zur Lohnarbeit gehen. Die Verantwortlichen weigern sich, das naheliegendste Eingeständnis zu leisten: Sie selbst waren es, die sich gegen das Abpumpen entschieden haben.

Ungeachtet des Endes von »Flatten the Curve« behauptete Gesundheitsminister Lauterbach in der selben Pressekonferenz, die Omikron-Welle sei in Deutschland »gut in der Kontrolle«. Dann korrigierte er seinen Freudschen Versprecher: Die Welle zwar nicht, man könne aber »die Folgen kontrollieren«. Daher ginge es nun um den Schutz der vulnerablen Gruppe. Die Älteren seien, wie bisher auch schon, »durch die Maßnahmen«, durch »3G, 2G, 2G+«, zu schützen.

Doch das stimmt nicht. Denn es sind nicht die widersprüchlichen, sich ständig verändernden Maßnahmen und Zugangs- und Kontaktbeschränkungen, die den Schutz der Vulnerablen gewährleisten. Es ist die freiwillige Selbstbeschränkung einer großen Gruppe sich selbst schützender sowie solidarischer, tendenziell vernünftiger Menschen. Völlig unabhängig davon, wie viele Personen sich pro Haushalt jeweils treffen durften, betreiben sie seit zwei Jahren Social Distancing. Sie schätzen ihr Erkrankungsrisiko ein und passen ihre eigenen Schutzmaßnahmen an die Inzidenz an. Sie lassen sich impfen und brauchen dazu nicht den 100. Aufruf in der Bundespressekonferenz.

Außerparlamentarische, protestorientierte linke Gruppen haben sich zuletzt schwer damit getan, eigene Konzepte der Pandemiebekämpfung zu entwickeln und gegen das Sterbenlassen aufzubegehren. Eher arbeiteten sie sich am Symptom ab, an Querdenker*innen, noch lieber an mitmarschierenden Nazis. Es ist aber der Staat, der die Menschen auf eine gesundheitsgefährdende Arbeitsstelle und ihre Kinder in Schulen und Tagesstätten schickt. Er weigert sich, das nötige Kleingeld zum Ausbau von Gesundheitsämtern und PCR-Testkapazitäten herauszurücken. Wenn der Staat die Menschen nicht in autoritärer Manier auf einen falschen Normalzustand verpflichten würde, ja, dann hätten sie vermutlich auch Zeit dazu, den vollgelaufenen Keller unter sich leer zu pumpen.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -