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Wie wirkt das denn?
Glauben und Verschütteln: Erik Lemke hat einen Dokumentarfilm über Homöopathen gedreht - ein Gespräch
Herr Lemke, wie kam es zu Ihrem Film »Homöopathie unwiderlegt?«?
Vor ein paar Jahren hat mir mal eine Heilpraktikerin bei einer bestimmten Krankheit den Gang zum Homöopathen empfohlen. Jedoch hat mich dann mein Cousin davon abgebracht, indem er mir erklärte, was Homöopathie eigentlich ist - bis dahin hatte ich mich damit kaum befasst. Nach einer längeren Beschäftigung mit der Homöopathie habe ich dann festgestellt, dass es sich als Thema gut eignet für die sokratische Gesprächsmethode (Dialog zur Überprüfung eigener Normen und Vorurteile, Anm. d. Red.), wie ich sie im Film verwirklicht habe.
Sie haben Homöopathie-Ärzten und -Befürwortern schlaue Fragen gestellt und die Antworten montiert, wodurch einige Widersprüche und Ungereimtheiten deutlich werden. Hatten Sie Vorbilder?
Mir gefallen die Interviewfilme, die der Regisseur Eberhard Fechner gedreht hat. Die sind allerdings viel schneller geschnitten, zum Teil beenden seine Protagonisten sogar gegenseitig ihre Sätze. Das hätte ich hier nicht machen können, weil dadurch schnell der Vorwurf der Manipulation im Raum steht. Mir war wichtig, dass stets klar ist, in welchem Zusammenhang die Äußerungen gemacht wurden, und ersichtlich ist, dass ich nicht einfach nur Rosinen herausgepickt und zusammenmontiert habe.
Mangelt es heute noch an Informationsangeboten zur Homöopathie?
Einen Interviewfilm in dieser Form gab es noch nicht. Generell hat das Informationsangebot aber in den letzten Jahren deutlich zugenommen, was auch mit der Veröffentlichung von Natalie Grams’ Buch (»Homöopathie neu gedacht - Was Patienten wirklich hilft«) zusammenhängt. Sie hat 2016 das Informationsnetzwerk Homöopathie ins Leben gerufen, dessen Angebot ich sehr empfehlen kann.
Zu Ihren Interviewpartnern: Warum denken Sie, gehen die der Homöopathie nach?
Ich habe bei keinem von ihnen den Eindruck, dass sie es nur aus finanziellen Anreizen machen, es sind keine Scharlatane oder Betrüger. Ich bin auch überzeugt, dass mich bei den Interviews niemand von ihnen belogen oder Dinge wider besseres Wissen geäußert hat, zum Teil kennen sie die Studienlage sogar sehr gut.
Die Studienlage besagt, dass es keine wissenschaftlichen Wirksamkeitsbelege gibt. Warum arbeiten Ärzte wie in Ihrem Film dennoch jahrzehntelang mit Homöopathie?
Wir Menschen funktionieren so, dass wir uns unsere eigenen Narrative bauen und sehr gut darin sind, Informationen so zu verarbeiten, dass sie zu dem passen, was wir am Ende gerne als Ergebnis sehen möchten. Was die Beurteilung eigener Krankheitsverläufe angeht, sind wir sehr täuschungsanfällig und sehen Kausalitäten, wo in Wahrheit keine Kausalität vorliegt. Und die Homöopathie als sogenannte »sanfte Heilmethode« ist ein starkes Narrativ, das seit über 200 Jahren gepflegt wird und sich mit vielen Begriffen schmückt, die wir aus der Medizin kennen. Da ist eine Art Parallel-Medizin-Welt entstanden, und es ist sehr leicht, dieser Glauben zu schenken.
Es erstaunt, wenn Ihr Interviewpartner Heiner Frei erzählt, dass er in seiner Kinderarztpraxis 80 Prozent der Kinder rein homöopathisch behandelt.
Erfolge wird man bei Homöopathie-Patienten unzählige sehen. Allerdings kann man anhand von Einzelbeispielen nicht feststellen, was genau da gewirkt hat. Auch Tausende Einzelbeispiele bilden keine wissenschaftliche Aussage in puncto Wirksamkeit. Die ließe sich nur über Vergleichsstudien belegen, was aber trotz jahrzehntelanger Forschung nie gelungen ist.
Und wenn Ihnen dieser Kinderarzt von der Genesung seiner Patienten erzählt ...
... dann liegt es nicht an den Homöopathika - das ist so gut wie ausgeschlossen. Zum Beispiel gehen viele Eltern mit Kindern zum Arzt bei sich selbst limitierenden Erkrankungen, etwa bei Husten oder Schnupfen, die auch ohne Behandlung irgendwann vorbeigehen. Die Homöopathie ist heute mehr als jede andere alternative Heilmethode erforscht; es gibt aus den vergangenen Jahrzehnten eine hohe dreistellige Zahl wissenschaftlicher Arbeiten, darunter viele randomisierte kontrollierte Studien, und solange diese Forschung keinen Wirknachweis erbringt, sind Beschreibungen wie »Das hat mir geholfen« oder auch »Das hat mir geschadet« nicht ernst zu nehmen.
Sie gehen im Film auch auf die Herstellung der Homöopathika ein, das »Potenzieren« und »Verschütteln«, was tatsächlich schwerfällt, ernst zu nehmen.
Es ist schon deshalb Nonsens, weil - wie wir im Film sehen - es jeder anders macht. Trotzdem wirkt es angeblich immer. Wer sagt, dass so ein Mittel nicht wirkt, bekommt darauf von Homöopathen viele Antworten: »Das bedeutet auf keinen Fall, dass die Homöopathie an sich nicht wirkt« oder: »Dieses Mittel haben wir schlecht ausgewählt.« Ärzte begründen es damit, dass der Patient im Anamnese-Gespräch nicht alles erzählt hat, oder sie sprechen von »Non-Respondern«. Und für den Fall, dass sich nach Einnahme eines Homöopathikums das Beschwerdebild verschlechtert, erklärt es der Homöopath mit der sogenannten »Erstverschlimmerung«. Bei sehr vielen Krankheiten muss man nur auf Zeit spielen. Und dann, siehe da, nach drei Wochen, wird einem erklärt: »Jetzt beginnt die Wirkung.«
Homöopathen spielen also oft einfach auf Zeit?
Ich will ihnen keine schlechte Intention unterstellen, daher würde ich es anders formulieren: Die Zeit kommt ihnen zugute. Die Homöopathie soll langfristig Besserung verschaffen. Man bekommt ein paar Globuli pro Woche, soll es geduldig beobachten - und in dieser Zeit kann viel passieren, sodass aus einer Beschwerde eine Besserung wird.
Anders als die meisten Ihrer Interviewpartner haben Sie nicht Medizin, sondern Film studiert. Kommt es Ihnen komisch vor, wenn Sie Ärzte mit der Unwirksamkeit ihrer Methode konfrontieren?
Ich gebe nur wieder, was beim Thema Homöopathie wissenschaftlicher Konsens ist - von Ärztegesellschaften und Forschungsinstitutionen weltweit. Und wir dürfen nicht vergessen: In der Ärzteschaft sind Homöopathen Außenseiter, die sich außerhalb der Wissenschaftlichkeit bewegen.
Sollten bei der Entscheidung, wie Krankenkassen in Zukunft mit Homöopathie verfahren, Berichte von Homöopathie-Patienten eine Rolle spielen?
Nein. Das klingt vielleicht hart, aber bei den Krankenkassenleistungen sprechen wir von Solidargeldern. Auch wenn es heißt, dass es »nur« 20 Millionen sind, die die Kassen jedes Jahr für Homöopathie erstatten - mit dem Geld könnte man an vielen anderen Stellen helfen, wo die Mittel knapp sind. Wir haben schließlich nicht zu viel Geld in der gesetzlichen Krankenversorgung, sondern es mangelt an allen Ecken, insofern muss man mit dem Geld verantwortungsvoll umgehen. Und dazu gehört nicht, Patienten den Wunsch nach wirkstofffreiem Zucker zu erfüllen.
Kann die Homöopathie auch schaden?
Potenziell kann sie schaden, etwa wenn sich ein kranker Patient auf ein homöopathisches Mittel verlässt und deswegen andere wirksame Therapien zu spät oder gar nicht beginnt. Eine Herangehensweise wie etwa bei der Schamanin Beate Latour aus meinem Film, »alles darf sein, alles hat seinen Platz«, womit eine totale Relativierung einhergeht - so eine Philosophie ist vielleicht toll in der Kunst, aber wenn man mit kranken Patienten arbeitet, kann das gefährlich werden.
Ist Ihr Film also auch eine Warnung an Homöopathie-Praktiker?
Mir ist wichtig, dass sie ernst nehmen, was ich gemacht habe. Alle Widersprüche, die der Film aufzeigt, sind ja bekannt - sie werden nur immer wieder unter den Teppich gekehrt, und das darf nicht passieren. Wenn sie diese Kritik nicht zur Kenntnis nehmen, stellen sie sich nur selbst ein Bein: Denn an Kritik kann man wachsen, sich weiterentwickeln und etwas besser machen. Viele von den interviewten Ärzten wären nicht auf die Homöopathie angewiesen, wie etwa Hans Baitinger. Als Allgemeinmediziner und Psychotherapeut könnte er ohne Weiteres auf den Einsatz von Homöopathika verzichten. Diese Ärzte haben über Jahrzehnte zwischenmenschliches Potenzial und besondere Fähigkeiten ausgebildet bei der Beurteilung von Patienten. Sie wären in der Lage, sich weiterzuentwickeln, und das möchte ich befördern.
In der Coronazeit wurde medial sehr auf die sogenannten Querdenker eingedroschen, und nicht selten ging dieses Bashing auch auf Homöopathen, Heilpraktiker oder Anthroposophen über. Wie blicken Sie auf diese Entwicklung?
Einer der Gründe, warum ich mich mit der Homöopathie so intensiv auseinandergesetzt habe, ist, dass uns dieses schnelle Aburteilen von Personen nicht hilft. Natürlich ist es gut, wenn jetzt auch mal die Anthroposophie unter die Lupe genommen wird, aber ich bin überhaupt kein Fan von einem öffentlichen Bashing. Deswegen würde es mich auch freuen, die sokratischen Dialoge, wie ich sie in meinen Interviews modelliere, als Mittel der Aufklärung in Zukunft noch mehr verbreitet zu sehen.
Zum Schluss: Wie wird sich der Stellenwert der Homöopathie in Zukunft entwickeln?
Meine Prognose ist, dass die Homöopathie nach und nach aus dem Gesundheitssystem verschwindet und am Ende wahrscheinlich mehr von Heilpraktikern ausgeführt wird, weniger von Ärzten. Zwölf Ärztekammern haben die Homöopathie bereits von ihren Weiterbildungsordnungen entfernt. Natürlich wird es die Homöopathie auch in Zukunft geben, doch dass die Allgemeinheit weiterhin für so etwas bezahlt, das sehe ich nicht. Möglicherweise werden homöopathische Arzneien in den Apotheken anders gekennzeichnet, vielleicht fällt die Apothekenpflicht auch komplett weg. Dann könnten die Homöopathika in den Supermärkten bei den Nahrungsergänzungsmitteln stehen - was wohl auch der bessere Platz wäre.
»Homöopathie unwiderlegt?«, Regie und Buch: Erik Lemke. Deutschland 2022, 86 Min.
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