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Wirtschaft geht vor
Der EU-Afrika-Gipfel in Brüssel lässt zentrale Bedürfnisse des Südens außen vor
Der chinesische Hase läuft voraus, der europäische Igel schleppt sich hinterher. Auf dem EU-Afrika-Gipfel am 17. Februar in Brüssel wird Wirtschaft ein Thema sein, neben der Covid-Pandemie und dem Thema Sicherheit. Schließlich hat Frankreich derzeit die EU-Ratspräsidentschaft inne und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron will mit seinen EU-Kolleg*innen auch darüber diskutieren, wie es in Mali weitergehen soll. Dort stoßen die europäischen Stabilisierungsmissionen Barkhane und Takuba unter Führung der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich auf immer mehr Unmut bei der Bevölkerung. Die hat für die durch einen Putsch an die Macht gekommene »Übergangsregierung« unter Führung von Militärs weit mehr Sympathien als für die ausländischen Soldaten. Es ist denkbar, dass in Brüssel der Anfang vom Ende der Mali-Missionen beschlossen wird, noch bevor im Mai im Bundestag über den Fortgang der Bundeswehr-Beteiligung entschieden wird.
In Gipfelmission in Afrika unterwegs war diese Woche bereits die ehemalige deutsche Verteidigungsministerin und jetzige EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. In Marokko und dem Senegal standen wirtschaftliche Zusammenarbeit und die Corona-Pandemie ganz oben auf der Gesprächsliste. Dass die EU mit Argusaugen den wirtschaftlichen Vormarsch Chinas auf dem afrikanischen Kontinent beobachtet, ist sattsam bekannt. Die EU hat aus diesem Grund im Dezember 2021 das EU-Investitions- und Entwicklungsprogramm »Global Gateway« auf den Weg gebracht. Mit dieser Initiative (auf Deutsch etwa: Tor zur Welt) will die EU China auf dem afrikanischen Kontinent etwas entgegensetzen, vor allem der sogenannten Seidenstraßeninitiative oder »Belt and Road Initiative« (BRI).
Teller und Rand ist der neue ndPodcast zu internationaler Politik. Andreas Krämer und Rob Wessel servieren jeden Monat aktuelle politische Ereignisse aus der ganzen Welt und tischen dabei auf, was sich abseits der medialen Aufmerksamkeit abspielt. Links, kritisch, antikolonialistisch.
Mindestens 150 Milliarden Euro für Infrastrukturprojekte hat von der Leyen den Ländern der Afrikanischen Union (AU) in Aussicht gestellt. Die EU will ihr Projekt zum Teil aus EU-Programmen finanzieren, unter anderem über die Europäische Investitionsbank (EIB). Das Geld soll in den Ausbau von Straßen, Bahnlinien oder Internetverbindungen fließen sowie in die Bereiche Gesundheit, Bildung und Forschung.
Der »Green Deal« soll zum Goldstandard in der Umwelt-, Klima-, Energie- und Landwirtschaftspolitik werden. »Wir werden mit Afrika investieren, um einen Markt für grünen Wasserstoff zu schaffen, der beide Seiten des Mittelmeers miteinander verbindet«, sagte von der Leyen im vergangenen Oktober.
Die Wende hin zu mehr Nachhaltigkeit steht im Mittelpunkt der Agenda 2063 der Afrikanischen Union - »Das Afrika, das wir wollen« - und eine Gruppe von Ländern, allen voran Marokko, baut die Produktion erneuerbarer Energien rasch aus.
Senegals Präsident Macky Sall sagte bei von der Leyens Stippvisite, er fühle sich dem Kampf gegen die Klimaerwärmung verpflichtet. Gleichzeitig müssten in seinem Land aber Naturgas-Projekte finanziert werden, um die Industrie zu fördern und die Stromversorgung zu verbessern. Der Senegal setzt große Hoffnungen auf ein Erdgasfeld vor seiner Atlantikküste.
Beim Thema Covid stellt sich in Brüssel die Frage, ob die EU und die Afrikanische Union einen Kompromiss zur Impfstoffproduktion finden können. Die EU ist nach wie vor einer der Hauptgegner einer befristeten Aussetzung des Rechts auf geistiges Eigentum und verspricht stattdessen, die afrikanischen Gesundheitssysteme und die Impfstoffproduktion zu unterstützen. Von der Leyen hat EU-Investitionen in Höhe von einer Milliarde Euro in Aussicht gestellt, um die Produktionskapazitäten für Impfstoffe in Afrika zu erhöhen, angefangen mit der Finanzierung von Produktionszentren für Impfstoffe in Ruanda und Senegal, wo das Mainzer Unternehmen Biontech die Herstellung von Malaria- und Tuberkuloseimpfstoffen plant.
Ein Kernstück der EU-AU-Beziehungen sind die Wirtschaftspartnerschaftsabkommen EPA, die an die Stelle der Handelspräferenzen im Cotonou-Abkommen aus dem Jahre 2000 treten sollten. Seit 2002 wird verhandelt, endgültig in Kraft getreten ist in Afrika noch kein einziges. »Auch das neue, angeblich längst fertige Rahmenabkommen mit den afrikanischen Staaten stellt die Beziehungen zur EU auf keine wirklich neue Grundlage«, sagte Helmut Asche dem »nd«. Auch in Brüssel sei mit der Unterzeichnung nicht zu rechnen, so der Entwicklungsökonom und Autor von »Regional Integration, Trade and Industry in Africa«. »Inhaltlich geht die Handelsliberalisierung in den EPAs vielen afrikanischen Partnerländern viel zu weit, weil sie sich dadurch - zurecht - bei eigener Struktur-, besonders Industriepolitik behindert fühlen. Solange diese Abkommen den Handelsverkehr mit Afrika regeln, gibt es keinen Neuanfang im Verhältnis zu Europa.«
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