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Vom Sozialdemokraten zum Lobbyisten
Sigmar Gabriel und Gerhard Schröder waren einst Spitzenpolitiker der SPD. Nun lobbyiert der eine für die Nato, der andere für russische Staatskonzerne
Die von Sigmar Gabriel gehaltene Ansprache bei der Münchner Sicherheitskonferenz vom Februar 2018 liest sich im Nachhinein wie eine Bewerbungsrede für eine transatlantische Lobbyorganisation. Der Sozialdemokrat lobte die Zusammenarbeit zwischen den USA und der Europäischen Union. »Die Vereinigten Staaten von Amerika haben in ihrer Geschichte vieles Großartiges geschaffen, das Größte aber war und ist die Verbreitung der Idee der Freiheit in der Welt«, verkündete der damalige Außenminister. Der zu diesem Zeitpunkt in den USA herrschende Präsident Donald Trump kam in Gabriels Rede ungeschoren davon. Der SPD-Politiker sagte lediglich vorsichtig: »Wir sind uns nicht mehr sicher, ob wir unser Amerika noch wiedererkennen. Sind es Taten, sind es Worte, sind es Tweets, an denen wir Amerika messen müssen?« Das Böse lauerte in Gabriels Welt woanders. Er warnte unter anderem vor dem »zunehmenden globale Führungsanspruch Chinas« und den »Machtansprüchen Russlands«.
Im darauf folgenden Jahr war Gabriel nicht mehr Außenminister, sondern Vorsitzender der Atlantik-Brücke. Der Verein organisiert Diskussionsrunden, an denen Menschen in Uniformen oder Nadelstreifenanzügen teilnehmen. So tauschten sich im Sommer vergangenen Jahres etwa der US-amerikanische Nato-General Tod Wolters und der Generalinspekteur der Bundeswehr, General Eberhard Zorn, aus. Bei diesem 26. Expertengespräch der Atlantik-Brücke unter Leitung von Sigmar Gabriel ging es unter anderem um den damals noch laufenden westlichen Kriegseinsatz in Afghanistan und die neue Strategie Nato 2030. Diese sieht unter anderem eine Militarisierung der indopazifischen Region vor. Die Nato müsse angesichts »zunehmender geostrategischer Konkurrenz« die »Herausforderungen durch China« in »alle existierenden Strukturen einfließen« lassen, heißt es im Nato-2030-Bericht.
Dass Sigmar Gabriel, als Nachfolger des heutigen CDU-Chefs Friedrich Merz, diesen Lobbyjob in einer Organisation annahm, die sich die Militarisierung zahlreicher Weltregionen und die Legitimierung von Kriegseinsätzen zum Ziel gesetzt hat, ist für deutsche Leitmedien kein großer Aufreger. Vielmehr adeln sie die Atlantik-Brücke, indem sie diese etwa als »renommierten Verein« bezeichnen.
In den vergangenen Tagen stand ein anderer Sozialdemokrat im Fokus der Berichterstattung. Der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder arbeitet für Unternehmen im russischen Energiesektor und hatte der ukrainischen Regierung im Konflikt mit Russland und den selbst ernannten Volksrepubliken im Donbass »Säbelrasseln« vorgeworfen. Der »Spiegel« reagierte und setzte kürzlich ein mehrköpfiges Journalisten-Team auf Schröder an. Sie fanden heraus, dass der SPD-Mann im derzeitigen Konflikt in Osteuropa »zu einer Belastung für die deutsche Außenpolitik und seine alte Partei« werde.
Schröders Freundschaftsdienst für Putin
Politiker machen sich bereits verdächtig, wenn sie Schröder zum Gespräch treffen. Nach einem Bericht der »FAZ« traf sich Johann Saathoff, Parlamentarischer Staatssekretär bei der Bundesministerin des Innern, am 5. Januar mit Schröder in Hannover zum Mittagessen. Mit dabei waren auch Matthias Platzeck, Vorsitzender des Deutsch-Russischen Forums, und Heino Wiese, russischer Honorarkonsul in Hannover und einst niedersächsischer SPD-Politiker. Ebenfalls anwesend war der frühere SPD-Chef und heutige Leiter der parteinahen Friedrich-Ebert-Stiftung, Martin Schulz. Dem Vernehmen nach diskutieren die Männer über unterschiedliche Sichtweisen auf die russische Zivilgesellschaft. Der Aufschrei in manchen Medien war groß. Es wurde spekuliert, welchen Einfluss Schröder noch auf die SPD hat.
Dabei scheint es aus Sicht von »FAZ«, »Spiegel« und anderen Blättern kein grundsätzliches Problem zu sein, wenn sich frühere Politiker auf die Gehaltsliste von Unternehmen oder Lobbyvereinen setzen lassen und in der Öffentlichkeit oder bei diskreten Gesprächen deren Propaganda nachbeten. Kritik wird nur an denjenigen geübt, die sich wie Schröder geopolitischen Konkurrenten westlicher Staaten anschließen.
Zumal die Aussagen des früheren Politikers für einige Kreise heikel sind. Die Behauptung, dass Einsätze der Bundeswehr den Menschenrechten dienten und rechtmäßig seien, ist auch durch Schröder ins Wanken geraten. Er sagte bei einer Matinee der »Zeit« im März 2014, dass die Sezession der Krim ein Verstoß gegen das Völkerrecht sei, aber dass er sich mit Kritik zurückhalte, weil er selber mit seiner Zustimmung zur deutschen Beteiligung am Nato-Krieg gegen Jugoslawien um das Kosovo 1999 gegen das Völkerrecht verstoßen habe. Denn dafür gab es kein UN-Mandat. Diese Aussage basierte nicht auf einer späten Einsicht Schröders, sondern ist offensichtlich ein Freundschaftsdienst für den russischen Präsidenten Wladimir Putin.
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