- Wissen
- Dr. Schmidt erklärt die Welt
Wer hat den Meter erfunden?
Heute über den Ursprung unseres Maßssystems in der französischen Revolution
Neulich fragte mich mein erwachsener Sohn, ob ich wüsste, wann der Kilometer erfunden worden wäre. Ich hatte leider keine Antwort. Hast du eine?
Die eigentliche Erfindung ist der Meter, ohne Kilo. Der war wie so manches eine Errungenschaft der Französischen Revolution. Die schuf einen Zentralstaat, der regionale Unterschiede möglichst nivellieren wollte, vor allem auf den Märkten: Zoll, Fuß, und Elle - und nicht zu vergessen die Meile, um auf den Kilometer zurückzukommen. Ende des 18. Jahrhunderts entwickelte sich ansatzweise ein internationaler Markt, zumindest bei Luxusgütern. Da wurde natürlich die Frage interessant: Wofür bezahle ich eigentlich mein Geld? Deshalb haben sie ein einheitliches Maß beschlossen.
Wer ist »sie«?
Das Revolutionsparlament auf Vorschlag der französischen Akademie der Wissenschaften. Es sollte der zehnmillionste Teil der Strecke zwischen dem Nordpol und dem Äquator sein. Natürlich hat das damals kein Mensch komplett vermessen. Nur eine Strecke von Nordfrankreich bis Barcelona auf demselben Längengrad - und das hochgerechnet.Da gleichzeitig Revolution und Bürgerkrieg war, wurde erst 1791 ein provisorischer Urmeter gemacht und ein paar Jahre später der endgültige, der heute noch in Frankreich im Archiv liegt. Unter Napoleon wurde er im Ausland verbreitet, hat sich aber erst Ende des 19. Jahrhunderts durchgesetzt, als der internationale Warenaustausch ein einheitliches Maßsystem zwingend voraussetzte.
Kopien des Urmeters wurden verschenkt?
Verlost. Die Dinger waren doch recht kostspielig, sie wurden aus wirklich edlem Material gemacht: 90 Prozent Platin, 10 Prozent Iridium, beides ordentlich teure Edelmetalle. Man verloste 30 Kopien an die 17 Staaten, die der sogenannten Meterkonvention beigetreten waren.Je eine Kopie ging an Preußen und an Bayern. Nach der Reichsgründung 1871 sind sie bei der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt in Berlin gelandet und während des Zweiten Weltkriegs nach Thüringen ausgelagert worden. Auf diese Weise verblieben alle beide in der DDR.
Die BRD ging leer aus?
Ja, aber glücklicherweise hatte der Nachbarstaat Belgien auch je einen Meterprototyp für den flämischen und den wallonischen Teil gewonnen, sodass sie denen einen abkaufen konnten. Allerdings misst inzwischen keiner mehr mit dem Ding. 1960 wurde der Meter auf eine Naturkonstante umgestellt und seit 1983 anhand der Lichtgeschwindigkeit im Vakuum berechnet.
Warum?
Weil so ein metallener Prototyp doch nicht hundertprozentig konstant bleibt.
Wie groß bist du?
Ich? 1,96 Meter, morgens jedenfalls.
Wow, du bist deine eigene Norm sozusagen.
Nee, für eine Norm wäre das doch ein ziemlich krummer Wert.
Wir behalten den Überblick!
Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.