Bauen am angezündeten Haus

Eigenlob der SPD mit Blick auf die Mindestlohnerhöhung ist fehl am Platz

Arbeitsminister Hubertus Heil und sein Chef Olaf Scholz (beide SPD) sind voller Vorfreude, denn am Mittwoch soll ihr großer Tag werden: Dann wird das Bundeskabinett die Mindestlohnerhöhung auf zwölf Euro auf den Weg bringen. Die Sozialdemokraten feiern sich für die Maßnahme, die wirklich wichtig ist für die Millionen Erwerbstätigen ganz unten auf der Lohnskala.

Vergessen darf man aber eines nicht: Mindestlöhne braucht es volkswirtschaftlich nur dann, wenn die Gewerkschaften nicht in der Lage sind, ordentliche Tarifgehälter durchzusetzen. In Deutschland war dies jahrzehntelang kein großes Problem – bis die Hartz-IV-Reform den strukturellen Druck auf Arbeitslose erzeugte, jeden noch so mies bezahlten Job anzunehmen. Der äußerst niedrige und über die Jahre nur sporadisch erhöhte Regelsatz wurde quasi zur staatlich gesetzten Lohnuntergrenze. Es entstand ein riesiger Niedriglohnsektor; erst 2015 begann die Politik mit dem ersten gesetzlichen Mindestlohn, den Schaden etwas zu minimieren.

Natürlich ist es Zufall, dass die Erhöhung jetzt fast genau auf den 20. Jahrestag der Einsetzung der Hartz-Kommission fällt, aber die SPD hat keinen Grund, sich selbst zu feiern: Sie verstärkt lediglich die Brandschutzmauer eines Hauses, das sie einst selbst angezündet hat.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.