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Politik und Begehren
Die Autorin Amia Srinivasan stellte online ihr kontroverses Buch »Das Recht auf Sex« vor
Im Instagram-Live-Video zwei übereinandergestapelte Quadrate: Eines zeigt die Journalistin und Autorin Teresa Bücker vor dem grünen Banner der Berliner Buchhandlung Buchbox!, die für Mittwochabend zur Online-Lesung geladen hatte. Im zweiten Quadrat erscheint Amia Srinivasan, deren Buch »Das Recht auf Sex« vier Tage zuvor bei Klett-Cotta in deutscher Übersetzung erschienen ist. Es handelt vom Zusammenspiel von Sex, Politik und Privatheit. Denn was wir als intim begreifen, hat gesellschaftspolitische Dimensionen - wie sich nicht nur an Debatten um metoo oder häusliche Gewalt zeigt. Sex hängt mit politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Machtverhältnissen zusammen. »Das soll nicht heißen, dass Sex nicht frei sein kann«, schreibt Amia Srinivasan im Buch. Wie aber könne das aussehen, fragt Moderatorin Teresa Bücker bei der Lesung.
Amia Srinivasan ist Professorin für soziale und politische Theorie in Oxford. Aufgewachsen ist die 37-jährige Philosophin als Tochter indischer Eltern in New York. Bei der Lesung spricht sie lebhaft gestikulierend vor dem Hintergrund eines halbhohen Bücherregals. »Ich weiß nicht, ob es in unserer Position möglich ist zu sagen, wie vollständig freier, emanzipierter Sex aussehen würde«, sagt sie. Aber zumindest sei erkennbar, wenn er unfrei ist. Dann zum Beispiel, wenn er durch Gender-Skripte oder Hierarchien bestimmt werde oder erzwungen sei. Um teils unbewusste Zwänge, die Sex regulieren, geht es auch in dem Essayband, dessen 2021 erschienene englische Originalausgabe viel Aufmerksamkeit erregt hat.
Im Chat der Lesung schreibt eine Zuhörerin: »Ich lese dein Buch jetzt zum dritten Mal. Es hat viele meiner feministischen Perspektiven geschärft und verändert.« Damit wird sie nicht die Einzige sein. Denn Srinivasan spricht zwar über viel diskutierte Themen, hinterfragt aber Schlagworte auch, stellt vermeintliche Sicherheiten infrage und fügt Argumentationen neue Aspekte hinzu.
Ein Beispiel, das Teresa Bücker anspricht, ist der intersektionale Feminismus. Oft werde er darauf reduziert, dass Frauen unterschiedlich seien, sagt Amia Srinivasan. »Das ist richtig, aber das bringt uns nicht weit genug.« Die wirkliche Einsicht des intersektionalen Feminismus sei, dass man nicht nur darauf schauen dürfe, was Frauen gemeinsam haben. Denn das schade systematisch denjenigen, die nicht zur Mehrheit gehören. Ihr Vortrag wie ihre Essays ermutigen dazu, Phänomene in ihrer Komplexität zu betrachten. Wenn man über häusliche Gewalt spricht, darf man Arbeitslosigkeit von Männern und Abhängigkeiten von Frauen nicht vergessen. Was führt zu Gewaltspiralen? Wer über Feminismus spricht, muss auch über Probleme wie Armut und Rassismus sprechen.
Srinivasan versucht, den Blick zu verschieben - häufig, indem sie erklärt, wie sich bestimmte Strömungen historisch entwickelt haben. Heutzutage scheint ein sexpositives Narrativ weithin anerkannt. Dennoch lohnt ein Blick auf die Kontexte, in denen es sich entwickelt hat, um auch andere Haltungen zu verstehen und die eigene kritisch zu hinterfragen. So lautet einer der gegenwärtigen Glaubenssätze: Solange Sex einvernehmlich stattfindet, ist alles in Ordnung. »Historisch gesehen ergibt das Sinn«, sagt Amia Srinivasan. Denn entwickelt hat sich die Idee auch als Gegenbewegung in einer Zeit, in der manche Frauen Sex mit Männern als Bruch mit ihren politischen Ansichten verstanden. Doch ist das Konsensprinzip das einzige, das zählen sollte? Machen wir es uns damit zu einfach? Srinivasan kritisiert die Entpolitisierung sexuellen Begehrens und argumentiert, dass wir genauer hinsehen sollten.
Amia Srinivasan: Das Recht auf Sex. Feminismus im 21. Jahrhundert. Klett-Cotta, 320 S., geb., 24 €.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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