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- Friedensbewegung und Ukraine-Krieg
Die Schockstarre löst sich
Friedensbewegung äußert sich zum Angriff auf die Ukraine und mobilisiert zu einer Großdemonstration
Kriegsgegner in der Bundesrepublik finden nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine erst nach und nach die Sprache wieder. Das dürfte damit zu tun haben, dass die meisten in der Friedensbewegung Engagierten Kremlchef Wladimir Putin bei aller Kritik seines Auftretens in den letzten Monaten nicht zugetraut haben, dass er wirklich einen Angriff des Ausmaßes plant, das seit Donnerstag sichtbar geworden ist. Zugleich überwog in der Friedensbewegung Verständnis dafür, dass die russische Regierung erklärte, man fühle sich angesichts der fortschreitenden Nato-Osterweiterung, die sich in absehbarer Zeit nun auch noch auf die Ukraine erstrecken könnte, bedroht. Es bestehe ein legitimes Sicherheitsinteresse, das man nicht einfach vom Tisch wischen dürfe, so der Tenor eines am 8. Februar veröffentlichten Friedensappells, den auch zahlreiche prominente Linke-Politiker unterzeichnet hatten.
Mit dem russischen Einmarsch in die Ukraine aus allen Richtungen ändert sich der Ton: Die Invasion wird von allen relevanten Friedensgruppen scharf verurteilt. Und für diesen Sonntag hat sich kurzfristig ein breites Bündnis zusammengefunden, das zu einer Kundgebung in Berlin aufruft - unter dem Motto «Stoppt den Krieg! Frieden für die Ukraine und ganz Europa!». Zu den Veranstaltern gehören Friedensorganisationen, der Deutsche Gewerkschaftsbund und die Gewerkschaft Verdi, das globalisierungskritische Netzwerk Attac, christliche Organisationen, Umweltverbände, die Netzwerke Seebrücke und Pulse of Europe.
Der Krieg Russlands gegen die Ukraine stellt die Linke vor neue Fragen. Die Linkspartei und die gesellschaftliche Linke überhaupt. Nato, EU, Uno, Russland, Waffenlieferungen, Sanktionen – dies sind einige Stichworte eines Nachdenkens über bisherige Gewissheiten und neue Herausforderungen. Wir beginnen eine Debatte über »Linke, Krieg und Frieden«, die uns lange Zeit begleiten wird.
Im Aufruf wird die russische Regierung aufgefordert, «sofort alle Angriffe einzustellen, sich aus der Ukraine zurückzuziehen und deren territoriale Integrität wieder herzustellen» und an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Das Demobündnis erklärt sich solidarisch mit den unter Raketenbeschuss, Bombenabwürfen und Kampfhandlungen leidenden Menschen in der Ukraine. Es fordert, dass die «Grenzen Europas offen bleiben» und «wir Flüchtende aus der Ukraine aufnehmen». Weiter treten die Beteiligten für ein Europa der Abrüstung und der Verständigung ein, in dem «Grenzen nicht gewaltsam verschoben werden und die Sicherheit von allen geachtet wird». Die aktuelle Krise zeige auch, «wie dringend wir die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern wie Öl und Gas beenden und konsequent auf Erneuerbare Energien umsteigen müssen».
Seit Jahrzehnten aktive Friedensinitiativen wie das Netzwerk Friedenskooperative , die Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdiensgegnerInnen (DFG-VK) sowie die Internationalen Anwälte und die Internationalen Ärzte gegen Atomwaffen und Atomkrieg, IALANA und IPPNW, rufen mit zu der Kundgebung auf.
Michael Schulze von Glaßer, politischer Geschäftsführer der DFG-VK, berichtete am Freitag im Gespräch mit «nd», jeden Tag fänden Videokonferenzen zur Vorbereitung der Aktionen statt. Nach dem Einmarsch in alle Teile der Ukraine habe man sich am Donnerstag für eine Großdemo entschieden, nachdem zuvor eine Menschenkette geplant gewesen sei. Alle am Bündnis Beteiligten seien sich in der Ablehnung von Waffenlieferung einig, betonte der Aktivist. Anders sehe es bei der Forderung nach Sanktionen gegen Russland aus, zu der es auch innerhalb der DFG-VK und in den einzelnen Friedensgruppen unterschiedliche Auffassungen gebe. Die Organisation setzt vor allem auf die Unterstützung von Deserteuren und auf die Ermutigung zur Kriegsdienstverweigerung. Von der EU fordert die DFG-VK in einem eigenen Aufruf zur Demo, dass sie ihre Grenzen für Geflüchtete öffnet und die Visafreiheit für Ukrainer*innen bestehen bleibt. Die Bundesregierung müsse Deserteure und Kriegsdienstverweigerer aus der Ukraine und aus Russland gleichermaßen aufnehmen und unterstützen, sagt Schulze zu Glaßer. Das sei umso wichtiger, als die Regierung in Kiew gerade ein Ausreiseverbot für alle Männer zwischen 18 und 60 Jahren erlassen habe.
Die DFG-VK äußert sich empört über die Billigung der russischen Invasion durch einige Staaten. Sie tritt für das Verbot von Angriffskriegen weltweit und rechtliche Konsequenzen für die Verantwortlichen ein. Zugleich sei in der aktuellen schwierigen Lage «Besonnenheit» nötig, gerade angesichts der besorgniserregenden Drohungen von Russlands Präsident und der bestehenden Atomwaffenarsenale.
Mit einer neuen Stellungnahme haben sich am Donnerstag auch Aktive von Attac, des Bundesausschusses Friedensratschlag und anderer Gruppen am Donnerstag zu Wort gemeldet. Sie verurteilen die Anerkennung von Donezk und Luhansk als unabhängige Staaten durch Russland und die Angriffe auf die Ukraine als «Bruch des Minsk-II-Abkommens», das Völkerrechtstatus habe. Dies verschärfe das «Kriegsrisiko». Sie verweisen dennoch erneut darauf, dass die Ukraine die Umsetzung von Minsk II mit «Duldung des Westens seit acht Jahren blockiert und eine Veränderung dieser Situation und der damit verbundenen unerträglichen Lage der Menschen in der Ostukraine» für Russland «nicht erreichbar erschien». Die jetzigen Militäroperationen seien «die Reaktion darauf, »dass die USA und die Nato nicht bereit waren, ernsthaft auf Verhandlungen über die legitimen Sicherheitsinteressen Moskaus einzugehen«. Gefordert wird in dem Papier die »sofortige Einstellung aller militärischen Aktivitäten auf allen Seiten«. Die Unterzeichnenden wenden sich gegen Sanktionen gegenüber Russland.
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