- Gesund leben
- Pflanzenheilkunde
Für Frauen, Männer und Schmetterlinge
Von wegen Unkraut: Heilpflanze des Jahres ist die Große Brennnessel - ein Tee daraus hat viele Wirkungen
Die Große Brennnessel wurde zur Heilpflanze des Jahres 2022 gewählt. Das vielseitige Wildkraut dient nicht nur zum Vorbeugen und Heilen, sondern auch als Nahrungspflanze. In früheren Zeiten fertigte man aus ihren Stängeln Nesseltuch, Kleidung, Seile und Fischernetze. Daher stammt etymologisch ihr Name »Nessel«, der sich in Verwandtschaft zu den Worten Netze und nesteln oder nähen bildete. Ihre Eigenschaft zu »nesseln« und Juckreiz auszulösen, wird von den feinen Haaren auf den älteren Blättern verursacht.
Junge Brennnesselblätter können als eines der ersten Frühlingsgemüse im Garten, an Ufersäumen oder am Waldrand geschnitten werden. Ihre Wirksamkeit gegen rheumatische Muskel- und Gelenkschmerzen und bei Beschwerden der Harnwege wurde in wissenschaftlichen Studien bewiesen.
Die Große Brennnessel mit der botanischen Bezeichnung Urtica dioica wächst mehrjährig. Sie ist in Mitteleuropa weitverbreitet und gehört wie Hopfen und Hanf zur Ordnung Rosales (Rosenartige). Die markant gezähnten Blätter der Wergulu, wie die Pflanze im Angelsächsischen heißt, wachsen gegenständig an den kräftigen Stängeln. Die Blüten sind unauffällig hellgrün, haben keine Kronblätter und werden vom Wind bestäubt. Die Pflanze ist zweihäusig, es gibt also männliche und weibliche Pflanzen. Zur Familie der Brennnesselgewächse gehört auch die Kleine (einjährige) Brennnessel, welche durch Asphaltierung von Hofplätzen und Dorfstraßen seltener geworden ist.
In ökologisch gepflegten Gärten dienen einige bewusst stehen gelassene Exemplare als Nahrung für zahlreiche Schmetterlingsraupen. Darauf weist der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) auf seiner Website hin. In Kleingärten und auf Blühstreifen am Feldrand sind auf diese Weise Naturschutz und Humanernährung miteinander vereinbar. Die Brennnessel zeigt darüber hinaus an, dass an ihrem bevorzugten Standort der Boden pH-neutral und gut mit Stickstoff, Phosphor sowie mit Wasser versorgt ist.
Der Genuss einer wärmenden Brennnesselsuppe im mitunter kalten Frühjahr kann sogar kleinen Kindern schmackhaft gemacht werden. Junge Brennnesselblätter müssen nur wenige Minuten gekocht werden, sie enthalten wertvolle Proteine, die Vitamine A, C und K sowie die Mineralstoffe Calcium, Kalium, Magnesium und Eisen. Allerdings sollte diese Suppe bereits zur Mittagszeit gegessen werden, um einen nächtlichen Harndrang zu vermeiden.
Die Wurzel der Brennnessel hat noch stärkere Kräfte gespeichert als die Blätter der Pflanze. Um ihre Inhaltsstoffe verfügbar zu machen, wird die zerkleinerte Wurzel in kaltem Wasser für einige Stunden eingeweicht und dann aufgekocht. Bei vergrößerter Prostata kann dieser Sud aus der Brennnesselwurzel die Entleerung der Blase erleichtern und im Anfangsstadium einer gutartigen Vergrößerung der Prostata deren entzündliches Wachstum bremsen. Das berichteten die Pharmazeutin Eszter Csikós von der Universität Pécs in Ungarn und ihre Kolleg*innen in der Sonderausgabe »Phytomedizin« der Zeitschrift »Moleküle« im November 2021.
Die Brennnessel kann als Heilpflanze für Männer bezeichnet werden. Vor allem die über 50-Jährigen leiden häufig an einer gutartigen Vergrößerung der Prostata, die oftmals die Harnwege verengt, dadurch das Wasserlassen erschwert und zu häufigem Harndrang in der Nacht führen kann.
Für die positive Wirkung auf die Prostata machen die Forscher*innen verschiedene Naturstoffe in der Brennnesselwurzel verantwortlich. Dazu zählen Proteine wie Lektin, Phytoöstrogene wie Lignan oder Scopoletin, eine Cumarinverbindung, sowie weitere Stoffe. Der gesamte Wurzelextrakt hemmt die Verbindung eines sexualhormon-bindenden Globulins an seinen Rezeptor in menschlichen Prostatazellen.
Der Einfluss auf die T-Lymphozyten, einen Bestandteil des Immunsystems, wird diskutiert, ist aber noch nicht gesichert. Zusammenfassend wird eine Abkochung oder der Extrakt von Brennnesselwurzeln über einen Zeitraum von sechs bis zwölf Monaten empfohlen, sofern keine allergischen Reaktionen auftreten. Brennnesselblätter als Tee oder Suppe können die Blase tagsüber trainieren sowie dabei helfen, Substanzen wie Harnsäure und Harnstoff besser auszuscheiden.
Der Extrakt aus den Blättern der Brennnessel hemmt ein Enzym zur Umwandlung von Adenosin. Dieses Enzym spielt eine wichtige Rolle beim Recycling von Purinbasen, den Bausteinen der Erbinformationen, und bei Entzündungsreaktionen. Wird die Aktivität dieses Enzyms verringert, können Entzündungen abklingen. Noch nicht alle Wirkmechanismen sind vollständig wissenschaftlich bestätigt.
Im dunklen Mittelalter, so erzählt der Ethnobotaniker Wolf-Dieter Storl in seinem Buch »Die alte Göttin und ihre Pflanzen«, schlug man nicht nur Menschen mit rheumatischem Gliederreißen mit den brennenden Gerten der Nessel, welche die Durchblutung verbessern und die Kälte von bodennahen Nachtlagern aus dem Körper treiben sollten. Auch Menschen mit psychischen Auffälligkeiten, damals Mondsüchtige oder geistig Abwesende genannt, wurden mit Brennnesselruten gepeitscht, damit sie durch den akuten Schmerz zu sich kämen und wieder im »Hier und Jetzt« leben konnten.
Eine Frühjahrskur mit einer Teemischung aus Brennnesselblättern, Ingwer und Minze kann über vier bis sechs Wochen durchgeführt werden. Frauen mit Wassereinlagerungen in den Beinen - aufgrund einer Östrogendominanz oder kurz vor Einsetzen der Menstruation - wissen die anregende Wirkung eines Brennnesseltees auf die Harnblase zu schätzen. Diese harntreibende Wirkung auf die Blase entfaltet die Pflanze, ohne die Nieren zu reizen. Ein Pluspunkt: Der Gehalt an Oxalsäure, die zum Beispiel in Petersilie zu finden ist, liegt praktisch bei Null.
Auch die Samen der Brennnessel sind essbar und liefern wichtige Nährstoffe für die männliche Potenz wie das Spurenelement Zink, Vitamin E und mehrfach ungesättigte Fettsäuren sowie Proteine. Geerntet werden die Samen im August. Dazu hängt man - die Hände mit Handschuhen geschützt - geschnittene Pflanzen in eine trockene Ecke unter dem Dach und schüttelt die trockenen Samen später in eine Schüssel. Sie können geröstet über das Müsli gestreut oder in den Brotteig gerührt werden.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.