Bayerische Kommunistenhatz

Der VVN-BdA drohte der Entzug der Gemeinnützigkeit, weil sie vom bayerischen Verfassungsschutz beobachtet wurde

Der Ärger für die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) fing im Januar 2019 an. Beim Bundesverband, dem Landesverband Nordrhein-Westfalen und vielen Orts- und Kreisverbänden gingen Schreiben der lokalen Finanzämter ein. Der Inhalt war in der Regel gleich. Die Gemeinnützigkeit der antifaschistischen Vereinigung werde geprüft, weil der bayerische Landesverband im dortigen Verfassungsschutzbericht erwähnt wurde. Der Inlandsgeheimdienst wertete die VVN-BdA als »bundesweit größte linksextremistisch beeinflusste Organisation im Bereich des Antifaschismus«. Aus Sicht des Verfassungsschutzes hat die Vereinigung eine kommunistische Definition von Antifaschismus. Sie bewerte alle nicht marxistischen Systeme »als potenziell faschistisch, zumindest aber als eine Vorstufe zum Faschismus.« Außerdem wird angeführt, dass der Vorsitzende der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) die VVN-BdA in einer Rede lobend erwähnte und davon sprach, dass viele Parteimitglieder in der Vereinigung aktiv sind.

Für viele Finanzämter eine eindeutige Sache, die Vereinigung wird im Verfassungsschutzbericht erwähnt, es handelt sich also um Demokratiefeinde und demokratiefeindliche Vereine können nicht gemeinnützig sein. Doch so leicht ist es dann doch nicht gewesen. Den Finanzämtern antworteten die Verbände der VVN-BdA erstmal juristisch und wiesen darauf hin, dass der Bundesfinanzhof nur Vereine, die als »extremistische Organisation« gelistet sind, von der Gemeinnützigkeit ausschließt. Der bloße Verdacht oder wie im Fall der VVN-BdA eine angebliche »linksextremistische Beeinflussung« reichen für den Entzug der Gemeinnützigkeit nicht aus. Diese Argumentation und der gesellschaftlicher Druck, in Nordrhein-Westfalen setzten sich zum Beispiel viele Gewerkschafter für die VVN-BdA ein, reichte fast überall dafür aus, dass die Finanzämter ihr Anliegen zurücknahmen und die Gruppen ihre Gemeinnützigkeit behielten.

Spaß und Verantwortung

Olga Hohmann versteht nicht, was Arbeit ist und versucht, es täglich herauszufinden. In ihrem ortlosen Office sitzend, erkundet sie ihre Biografie und amüsiert sich über die eigenen Neurosen. dasnd.de/hohmann

In Berlin war das allerdings nicht der Fall, dort betraf der Entzug der Gemeinnützigkeit den Bundesverband der VVN-BdA und den Berliner Landesverband. Im Herbst 2019 erhielt die Bundesvereinigung ein Schreiben, dass ihr die Gemeinnützigkeit entzogen wurde. Das galt gleich für mehrere Jahre rückwirkend. Der traditionsreichen Antifa-Organisation drohte der Konkurs. Mit dem Wegfall der Gemeinnützigkeit hätte die Vereinigung Steuern in fünfstelliger Höhe nachzahlen müssen. Es folgte eine riesige Welle der Solidarität mit der VVN-BdA, über 50.000 Menschen unterschrieben eine Online-Petition, tausende spendeten Geld, so dass der drohende Konkurs abgewendet werden konnte, und mehrere hundert Menschen traten in die Vereinigung ein. Im Frühjahr 2021 kam dann endlich die erlösende Nachricht des Berliner Finanzamts. Die Gemeinnützigkeit bleibt, die Steuerbescheide für die Jahre 2016 bis 2018 wurden zurückgezogen. Ein Grund dafür dürfte gewesen sein, dass die VVN-BdA ab 2019 nicht mehr im bayerischen Verfassungsschutzbericht erwähnt wurde. Außerdem haben die Vorsitzenden der VVN-BdA haben eidesstattliche Versicherung abgegeben, dass sie die parlamentarische Demokratie verteidigen und nicht als potentiell faschistisch ansehen. Die Antifa-Organisation kritisierte auch nach der Wiederherstellung ihrer Gemeinnützigkeit, dass der Inlandsgeheimdienst so eine wichtige Rolle spielt. »In einer Demokratie dürfen nicht Geheimdienste über die verfassungsmäßige Bandbreite der gesellschaftlichen Debatte entscheiden!«, hieß es in einer Mitteilung.

Auch eine Reform des Gemeinnützigkeitsrechts wurde von der VVN-BdA angeregt. Denn in den vergangenen Jahren gab es viel Streit um diese. Vereinen wie Attac und Campact wurde die Gemeinnützigkeit entzogen, weil sie sich politisch betätigen. Die Ampel-Koalition hat Änderungen am Gemeinnützigkeitsrecht angekündigt. Bisher gibt es allerdings nur einen Erlass des Bundesfinanzministeriums. Dieser stellt klar, dass sich gemeinnützige Vereine auch tagespolitisch äußern dürfen. Zahlreiche Unklarheiten bleiben allerdings bestehen. Bei der politischen Bildung wird etwa eine »geistige Offenheit« erwartet. Das dürfte auch in Zukunft zu Streitfragen führen.

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