Direkt ins Auge

Nicole Eter über neue Therapiemöglichkeiten bei verschiedenen Formen der Makuladegeneration

  • Angela Stoll
  • Lesedauer: 5 Min.

Makuladegeneration lässt sich schwer behandeln. Bei der trockenen Form, die besonders verbreitet ist, gibt es derzeit so gut wie keine effektiven Therapien. Könnte sich das bald ändern?

Ja. Die trockene AMD ist im Moment die Form der Krankheit, die am meisten erforscht wird. Gerade werden Präparate in klinischen Studien getestet, und es scheint so zu sein, dass sie tatsächlich erste Erfolge zeigen. Dabei handelt es sich um intravitreale Injektionen, ein Behandlungsprinzip, das seit Längerem bei der feuchten AMD genutzt wird, aber mit ganz neuen Substanzen. Damit versucht man, den Schwund der Pigmentschicht aufzuhalten, zu dem es bei der trockenen Spätform kommt. Das ist sehr, sehr spannend.

Altersbedingte Makuladegeneration
Altersbedingte Makuladegeneration (AMD) ist eine weitverbreitete, chronische Augenkrankheit, bei der die Sehkraft im Zentrum des Gesichtsfelds allmählich verloren geht. Die Umwelt lässt sich im Spätstadium nur noch schemenhaft erkennen. Die Makula, auch »Gelber Fleck« genannt, befindet sich in der Mitte der Netzhaut und ist für scharfes Sehen zuständig. Mit zunehmendem Alter funktioniert der Stoffwechsel in diesem Bereich oft schlechter, sodass Abfallprodukte nicht mehr richtig entsorgt werden. Dadurch entstehen Ablagerungen, die sich unter der Netzhaut ansammeln. Diese können sich mit der Zeit vergrößern, wodurch Sehzellen absterben – das ist der Fall bei der »trockenen AMD«. Bei der »feuchten AMD« wachsen unter den Ablagerungen neue, instabile Blutgefäße. In der Folge kann es zu Blutungen und Schwellungen kommen, die Sehzellen schädigen. ast
Nicole Eter (52) ist Professorin für Augenheilkunde. Seit 2010 leitet sie die Augenklinik am Universitätsklinikum Münster (UKM). Zu ihren Schwerpunkten gehören Netzhauterkrankungen wie die altersbedingte Makuladegeneration (AMD). Hierbei wird die Netzhaut an der Stelle angegriffen, die für scharfes Sehen entscheidend ist. Angela Stoll sprach mit der Augenärztin über den Stand der Forschung zu AMD-Therapien.
Nicole Eter (52) ist Professorin für Augenheilkunde. Seit 2010 leitet sie die Augenklinik am Universitätsklinikum Münster (UKM). Zu ihren Schwerpunkten gehören Netzhauterkrankungen wie die altersbedingte Makuladegeneration (AMD). Hierbei wird die Netzhaut an der Stelle angegriffen, die für scharfes Sehen entscheidend ist. Angela Stoll sprach mit der Augenärztin über den Stand der Forschung zu AMD-Therapien.

Wann könnte das erste Mittel auf den Markt kommen?

Das hängt davon ab, wie schnell man mit den vorhandenen Studiendaten eine Zulassung bekommt. Daher kann man das im Moment schwer sagen. Irgendwann in den nächsten Jahren werden wir mindestens ein, wahrscheinlich sogar mehrere Präparate haben. Die meisten greifen in das Komplementsystem ein, das im Immunsystem eine wichtige Rolle bei der Bekämpfung von Entzündungen spielt, aber auch zellzerstörend wirken kann. Man nimmt an, dass AMD unter anderem durch eine Störung in der Regulation des Komplementsystems verursacht wird.

Muss man die Präparate wie bei der feuchten Form - regelmäßig ins Auge spritzen?

Wahrscheinlich ja. Allerdings gibt es bereits Ansätze, die prüfen, ob man die Mittel anders applizieren kann als mit einer Spritze.

Welche Behandlungsansätze gibt es noch? Zum Beispiel wird mancherorts eine Blutreinigung gegen AMD angeboten.

Über diese Rheopherese spricht man schon viele Jahre, ohne dass man wirklich einen Nutzen zeigen konnte. Es gibt aber einen neuen Ansatz aus einer ganz anderen Richtung: Derzeit wird der Einsatz von Netzhaut-Implantaten bei fortgeschrittener AMD untersucht.

Manche Ärzte bieten auch AMD-Kunstlinsen an, die in die Augen implantiert werden. Was hat es damit auf sich?

Das sind Speziallinsen, die versuchen, das Sehen auf die Stellen der Makula umzulenken, die von der AMD weniger betroffen sind. Einige dieser Linsen haben einen Vergrößerungseffekt, andere zielen eher auf das periphere Sehen ab. Sie sind aber trotzdem nur eine Art Krücke. Außerdem gibt es keine guten Studiendaten, die zeigen, dass man damit wirklich besser sieht.

Die Spritzentherapie bei feuchter AMD wird von Patienten oft als unangenehm empfunden. Lästig ist vor allem, dass die Injektionen regelmäßig wiederholt werden müssen. Gibt es dazu Alternativen?

Die wird es demnächst geben. Die Idee ist, die Belastung für die Patienten zu verringern. Derzeit müssen sie alle vier bis acht Wochen kommen, um sich eine Injektion geben zu lassen. In der Pipeline ist einmal ein Präparat, das auch gespritzt wird, aber wahrscheinlich länger und potenter wirkt, sodass man eventuell nur noch alle 12 oder 16 Wochen spritzen muss. Zum Zweiten gibt es ein sogenanntes Port-Delivery-System, ein kleines Implantat, das man chirurgisch an einer sicheren Stelle im Auge verankert. Dieses Implantat wird mit Ranibizumab befüllt, einem Stoff, den man bei feuchter AMD bisher in das Auge spritzt - allerdings in einer anderen Konzentration. Über das Implantat, das nur ungefähr alle sechs Monate neu befüllt werden muss, wird kontinuierlich Wirkstoff in das Auge abgegeben. Für die Patienten ist das eine große Erleichterung. In den USA ist es bereits zugelassen. Die Daten sind auch bei der Europäischen Arzneimittelagentur eingereicht worden.

Welche Rolle spielen Ansätze wie die photodynamische Therapie oder Laser?

Die photodynamische Therapie ist im Zeitalter der genannten Spritzen sehr in den Hintergrund getreten. Das macht man eventuell noch in Kombination mit den Injektionen, nämlich wenn diese nicht ausreichen.

Thermischen Laser kann man verwenden, wenn sich die Gefäßneubildungen nicht genau im Sehzentrum befinden, aber das ist selten der Fall. Früher haben wir auch versucht, neu gebildete Gefäße chirurgisch zu entfernen, aber all diese Methoden sind im Zeitalter von Anti-VEGF (die Wachstumsfaktoren für Blutgefäße behindern, d. Red.) zurückgegangen. Diese Spritzen wirken sehr gut.

Im Internet wimmelt es nur so von angeblich viel versprechenden Therapieangeboten. Wie erkennt man seriöse Ansätze?

Das ist ein Riesenproblem. Jeder Patient sollte mit dem behandelnden Arzt sprechen, bevor er etwas im Internet kauft oder sich auf etwas einlässt. Da gibt es einiges, was nicht ganz seriös ist.

Welche Alarmzeichen deuten auf eine beginnende AMD hin?

Einen Hinweis kann das Amsler-Gitter liefern, ein Gitternetz mit einem schwarzen Punkt in der Mitte. Darauf sollte man zuerst mit dem einen, dann mit dem anderen Auge schauen. Man kann stattdessen aber auch zum Beispiel die Badezimmerkacheln nehmen. Wenn gerade Linien verbeult aussehen, dann sollte man auf jeden Fall zum Augenarzt gehen. Ansonsten sollte man darauf achten, ob man mit beiden Augen gut sieht, und immer mal wieder das eine und dann das andere Auge zuhalten und testen.

Was können Patienten selbst tun, um AMD aufzuhalten?

Wichtig ist, die Krankheit früh zu erkennen. Die sogenannte Areds-Studie hat herausgefunden: In einem frühen Stadium kann man das Voranschreiten durch bestimmte Nahrungsergänzungsmittel verlangsamen. Dabei handelt es sich um eine Kombination von Vitamin E, C, Lutein und Zink. Außerdem ist bekannt, dass Rauchen und UV-Licht die Krankheit schneller voranschreiten lassen. Daher raten wir Patienten zum Nikotinstopp und zum Schutz vor grellem Sonnenlicht.

Wer hat ein besonders hohes Risiko, eine AMD zu entwickeln?

Die Gene spielen eine Rolle. Wenn mehrere Gene gemeinsam eine bestimmte Mutation aufweisen, dann hat man ein deutlich erhöhtes Risiko. Es gibt daher bereits Firmen, die entsprechende Gentests anbieten. Aber das empfehlen wir als Fachgesellschaft im Moment nicht. Da auch Umweltfaktoren eine große Rolle spielen, würde ein solcher Test die Patienten nur verunsichern.

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