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Potsdam jubelt unter Tränen
Im Kampf um die Volleyballmeisterschaft setzt sich am Ende doch Favorit Stuttgart durch
Die Tränen der Enttäuschung waren noch nicht getrocknet, da versammelten sich die Volleyballerinnen des SC Potsdam bereits wieder auf dem Spielfeld der Stuttgarter Arena, nahmen sich an den Armen und begannen, im Kreis auf und ab zu springen, als hätten sie gewonnen. Hatten sie nicht. Aber es dauerte eben auch nur ein paar Minuten, bis sie sich miteinander vergewissern wollten, was für eine tolle Saison sie doch gespielt hatten – auch wenn sie nicht so geendet hatte, wie sie es sich erträumt hatten.
Der Wunsch, die erste deutsche Volleyball-Meisterschaft für den SC Potsdam zu holen, blieb auch am Sonntagabend unerfüllt. Nachdem die Brandenburgerinnen bereits zwei Tage zuvor in Spiel vier vor eigenem Publikum zwei Matchbälle ungenutzt ließen und noch 2:3 unterlagen, verloren sie nun auch das entscheidende fünfte Finalspiel beim Pokalsieger MTV Stuttgart mit 0:3. So sicherte sich nach einem zwischenzeitlichen 1:2‑Rückstand doch noch der große Favorit seinen zweiten Meistertitel nach dem von 2019.
Auch Potsdams Kapitänin Laura Emonts musste sich erst mal ein paar Tränen aus dem Gesicht wischen, bevor sie zum Interview vor die Fernsehkameras trat und versuchte, das große Ganze im Blick zu behalten: »Wir können stolz sein auf den zweiten Platz. Wir haben eine richtige Reise hinter uns. Am Schluss waren wir eher ein Lazarett. Daher bin ich so stolz auf dieses Team«, sagte Emonts.
Kurz darauf posierte sie mit ihren Kolleginnen schon fürs Vizemeisterfoto, und mit Silbermedaillen am Hals konnten alle schon wieder lachen. Diese Niederlage war offenbar schneller abzuhaken als die vom Freitagabend, als ein Aufschlagfehler und eine vergebene Angriffschance den Potsdamer Titel in einem dramatischen Fünf-Satz-Krimi verhindert hatten. »Natürlich tat das sehr weh. Aber wir wussten auch vorher, dass wir eine sehr schwere Aufgabe vor uns hatten. Stuttgart würde uns den Titel nicht so einfach schenken. Beide Teams wollten ihn so sehr, aber wir waren auch sehr müde«, gestand Konstantina Vlachaki gegenüber »nd«. Es war ihr entscheidender Angriffsschlag gewesen, der in Spiel vier am Stuttgarter Block hängengeblieben war.
Die Griechin spielt erst seit letztem Sommer für Potsdam. »Als ich hier unterschrieben habe, hatte ich keine Ahnung, dass das die beste Saison des Vereins werden würde. Aber schon damals sagten viele im Umfeld, dass Potsdam die Gelegenheit zu etwas Großem haben würde«, erinnerte sich Vlachaki. »Ich bin echt froh, dass ich zugesagt habe, denn die Spielerinnen sind so gut, und der Teamgeist ist außerordentlich.«
Jene gute Teamchemie beschwor auch Toni Rieger: »Wir sind mit Verletzungen in die Saison gestartet, hatten zwischendurch eine lange Niederlagenserie, und uns fehlte auch jetzt eine Außenangreiferin«, ließ der Sportdirektor die Spielzeit 2021/22 Revue passieren. »Es spricht für dieses Team, dass wir immer wieder aus den Tiefs rausgekommen sind. Nur so ist ein solcher Erfolg überhaupt möglich.«
Die angesprochenen Verletzungssorgen hatten die Potsdamerinnen bis ins Finale begleitet. Vlachaki war nicht nur müde in die letzten Partien gegangen, sondern auch angeschlagen. Im zweiten Match war sie umgeknickt, kam erst mitten im vierten mit dick bandagiertem Fuß wieder zum Einsatz. Aber: »Wenn man in einem Finale spielt, spürt man keinen Schmerz. Du musst einfach ran und blendest das aus«, sagte sie später. Nach den Spielen kam zum seelischen Schmerz ob der verpassten Siege aber auch immer wieder der im Sprunggelenk hinzu. Zudem hatte Libera Aleksandra Jegdic mit Rückenproblemen zu kämpfen. Bei Valeria Papa war die Schulter lädiert. Alle bissen auf die Zähne, doch es reichte nicht.
Dass es dennoch eine herausragende Spielzeit war, zeigt allein der Fakt, dass nur der SCP die Stuttgarterinnen in dieser Saison national hatten bezwingen können. Der MTV arbeitet wohl mit dem höchsten Etat der gesamten Bundesliga. Starangreiferin Krystal Rivers verdiene Ex-Bundestrainer Felix Koslowski zufolge sechsstellig in einer Stuttgarter Saison. Da kann der SC Potsdam nicht mithalten. Hier trafen bildlich gesprochen David und Goliath aufeinander, oder – mit Blick auf die Sponsoren der Teams – die Mittelbrandenburgische Sparkasse und der Dax-Riese Allianz.
Was das bedeutet, war auch Potsdams 18-jähriger Jung-Nationalspielerin Anastasia Cekulaev klar: »Der Erfolg Stuttgarts war ja erwartet worden, und das hatte seine Gründe«, so die Mittelblockerin. »Natürlich kämpft man trotzdem, natürlich träumt man vom Titel. Aber am Ende war schon das Erreichen des Finals eine Belohnung für uns.«
Weil sich die Ausgangslage auch nicht so schnell ändert, fiel es Potsdams Kapitänin schwer, am Sonntag den neuen Meisterinnen eine echte Kampfansage vorzulegen: »Natürlich ist nächste Saison wieder mit uns zu rechnen, aber wir müssen uns keinen Druck machen. Unser Etat ist einfach nur so groß, dass wir Stuttgart maximal ein bisschen ärgern können«, so Laura Emonts.
Weil schon die vorherige Saison mit dem Erreichen des Pokalfinals als herausragend in Potsdam galt und starke Spielerinnen das Interesse der zahlungskräftigeren Konkurrenz geweckt hatten, war das Management gezwungen, im Sommer 2021 den Kader mehr als zur Hälfte neu aufzustellen. Dieses Schicksal droht dem SCP im Grunde nach jedem erfolgreichen Jahr. »Ich hoffe aber wirklich, dass dieses Team so gut es geht zusammenbleibt«, zeigte Konstantina Vlachaki zumindest gegenüber »nd« Interesse an einem Verbleib in der Landeshauptstadt. »Es ist ein gut organisierter Klub, und die Leute lieben den Sport hier. So könnte sich das Team auch mit jedem Jahr weiter verbessern.«
Aus dem Management des Vereins war am Montag zu hören, dass es zumindest im Bereich der Leistungsträgerinnen kaum Veränderungen geben werde. Erste konkrete Personalentscheidungen sollen an diesem Dienstag bei einer Saisonabschlussfeier verkündet werden.
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