Macht über Hirne und Herzen

Vom Autodafé bis zur »Aktion wider den undeutschen Geist«

  • Pia Sophie Roy
  • Lesedauer: 2 Min.
Bücherverbrennung in Berlin am 10. Mai 1933
Bücherverbrennung in Berlin am 10. Mai 1933

Bücherverbrennungen gab es bereits in der Antike. So ließ Kaiser Diokletian die Schriften der frühen Christen verbrennen. Sein Amtsbruder in China, Quin Shihuangdi, stand dem nicht nach, ordnete die Aussonderung und Vernichtung philosophischer Schulen an, die nicht mit der Staatsdoktrin im Einklang standen. Zur Hochform schaukelte sich der dogmatische Akt der Auslöschung des verschriftlichen Geistes während der Inquisition auf, Autodafé genannt. Vielfach wurden mit den Büchern deren Autoren verbrannt. Nachdem 1415 der böhmische Reformator Jan Hus in Konstanz zum Feuertod verurteilt worden war, führte man ihn auf dem Weg zur Hinrichtungsstätte an einem Scheiterhaufen vorbei, auf dem seine Schriften in Anwesenheit des Klerus und johlenden Volkes in die Flammen geworfen wurden. 1501 wurde die Verbrennung gottestlästerlicher, sprich: kirchenkritischer Texte per Päpstlicher Bulle verordnet. Das Schicksal erlitt unter anderen Martin Luther, der jedoch – ermuntert durch den bröckelnden Gehorsam selbst unter Geistlichen in deutschen Landen gegenüber Rom – nun seinerseits die Bannandrohungsbulle des Pontifex Leo X. ins Feuer warf, mit den markigen Worten: »Weil Du getilgt hast die Wahrheit Gottes, so tilge Dich heute der Herr. Hinein mit Dir hier ins Feuer!«

Nicht nur die römisch-katholische Kirche, auch der Islam kannte (und kennt noch heute) Bücherverbrennungen, wenn sie auch von Muslimen nicht in dem Ausmaße verübt wurde wie von der Christenheit; viele muslimische Herrscher wussten dereinst die Weisheit der Gelehrten, egal welcher Provenienz oder Religion, sehr wohl zu schätzen. Der muslimische Eroberer Emir Amir ibn al-As indes soll auf Befehl seines Kalifen 642 unserer Zeitrechnung die legendäre Bibliothek von Alexandria geplündert, mit deren Schriften sechs Monate lang die Bäder der Stadt beheizt haben.

Buchstäblich eingebrannt ins öffentliche Bewusstsein der Menschheit hat sich jedoch die bis dahin unrühmlichste und folgenreichste Bücherverbrennung, von den Nazis deklariert als »Aktion wider den undeutschen Geist«. In 22 deutschen Universitätsstädten loderten am 10. Mai 1933 die Scheiterhaufen. Studenten warfen unter Gegröhl die Werke politisch unliebsamer, oppositioneller, humanistischer, marxistischer und pazifistischer Schriftsteller und Publizisten, darunter viele jüdischer Herkunft. Zehn Jahre später qualmten die Krematorien der deutsch-faschistischen Vernichtungslager im Osten, und die von Hitler & Co. verdummte und verführte Jugend starb auf den Schlachtfeldern im Osten und im Westen.

»Bücherverbrennungen« gibt es immer noch, sie erfolgen heute vor allem digital, befohlen von autoritären Staatenlenkern oder betrieben von großen Internetkonzernen. Dabei geht es immer um möglichst uneingeschränkte, unangefochtene Macht über das Denken und Handeln von Menschen, über Hirne und Herzen, zur Legitimation und Verfestigung von Herrrschaft.

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