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Als Nixons Kartenhaus zusammenbrach
Die Serie »Gaslit« inszeniert zum 50. Jahrestag den Watergate-Skandal und rückt die Rolle beteiligter Frauen in den Vordergrund
Diesen Juni jährt sich zum 50. Mal der Watergate-Skandal. Der begann mit einem eher stümperhaften Einbruch in die Räumlichkeiten der Demokratischen Partei im Washingtoner Watergate-Komplex, führte zu zahlreichen Strafverfahren gegen Mitglieder der Regierung inklusive Verurteilungen und kulminierte im Rücktritt des republikanischen Präsidenten Richard Nixon 1973 kurz nach seiner Wiederwahl. Gemeinhin wird die Wahrheitsfindung in diesem spektakulären historischen Polit-Skandal gerne mit den beiden Washington-Post-Investigativ-Journalisten Carl Bernstein und Bob Woodward in Verbindung gebracht, die schon 1976 von Dustin Hoffmann und Robert Redford in dem oscarprämierten Film »Die Unbestechlichen« dargestellt wurden. Ganz andere Akzente in der historischen Aufarbeitung des Watergate-Skandals setzt dagegen die neue achtteilige Starzplay-Serie »Gaslit«. Darin geht es vor allem um Verantwortliche dieser politischen Verschwörung, wie der Vorgang in der Tat bezeichnet wurde, bei der die US-Regierung versuchte, mit geheimdienstlichen Mitteln die Wiederwahl Nixons als Präsident sicherzustellen. Wobei durch die weitreichenden Ermittlungen rund um den zentralen Watergate-Skandal herauskam, dass die Regierung Nixon schon jahrelang jede Menge rechtsstaatlicher Verstöße unter anderem im Kampf gegen die starke und radikale außerparlamentarische Linke in den USA begangen hatte.
Im Zentrum von »Gaslit« steht Martha Mitchell, die Ehefrau des damaligen republikanischen Justizministers, beeindruckend gespielt von Julia Roberts. Ihr Mann John Mitchell (Sean Penn, der mit angeklebtem Doppelkinn im ersten Moment kaum zu erkennen ist) war in seiner Funktion als Minister nicht nur für diverse illegale Abhöraktionen ab Ende der 1960er Jahre zuständig, vor allem im Kampf gegen die stärker werdende Anti-Vietnam-Kriegsbewegung. Er koordinierte auch als Wahlkampfmanager ab 1972 die geheimdienstlichen Aktionen gegen die Demokratische Partei, zu der neben illegalen Telefonüberwachungen unter anderem auch der Einbruch in die Büroräume der Demokratischen Wahlkampfkampagne in Washington gehörte. Seine Ehefrau Martha trat regelmäßig im Fernsehen auf, gab gerne Interviews und beschuldigte schon früh Präsident Nixon und seinen Stab, in illegale Aktionen verwickelt zu sein. Das führte, als es im Zuge des Einbruchs und des Beginns des Watergate-Skandals ernst wurde, unter anderem dazu, dass sie im Juni 1972 für einige Tage auf Geheiß ihres Mannes in einem kalifornischen Hotelzimmer eingeschlossen wurde, um nicht mit der Presse zu reden und noch mehr Staub aufzuwirbeln. Ihre Versuche zu fliehen, soll der Sicherheitsbeamte Steve King mit brachialer Gewalt vereitelt haben, was seiner Karriere aber nicht schadete. Donald Trump machte King 2017 zum US-Botschafter in Tschechien.
»Gaslit« inszeniert Martha Mitchell als politisch naiven, widersprüchlichen, mitunter hilflosen, aber auch aus dem Bauch heraus widerständigen Teil eines republikanischen Establishments und zeigt, wie das machtvolle Kartenhaus Richard Nixons langsam von innen in sich zusammenfiel. Damit präsentiert die starbesetzte und aufwändige Serie einem breiten Publikum Aspekte der Watergate-Affäre, die bisher in dieser Form nicht gerade im Fokus des Narrativs rund um den Skandal standen. Als Martha Mitchell zu dem Vorfall vor einem Untersuchungsausschuss aussagen wollte, wurde ihr vorgeworfen, psychisch labil und deshalb nicht glaubwürdig zu sein. Ihre Anschuldigungen gegen die Nixon-Administration, womit sie eigentlich ihren Mann vor der Rolle des Sündenbocks schützen wollte, ihm aber letztlich schadete, wurden als Paranoia diffamiert. Natürlich stellte sich später im Lauf weiterer Ermittlungen heraus, dass Martha Mitchells Aussagen im Großen und Ganzen stimmten. Gut zehn Jahre später definierte der Psychologe Brendan Maher von diesem Fall ausgehend sogar den sogenannten Martha- Mitchell-Effekt, wenn Anschuldigungen gegenüber anderen Personen nicht ernst genommen werden und zur Fehldiagnose einer angeblichen psychischen Erkrankung führen.
»Gaslit« zeichnet vor allem die persönlichen Entwicklungen der Protagonisten im Lauf der Monate und Jahre nach. Es geht auch reichlich um Martha Mitchells Alkoholabhängigkeit und wie sie schließlich von ihrem Mann verlassen wurde, bevor er wegen seiner Machenschaften ins Gefängnis kam. Die Serie ist auch ein drastisches historisches Lehrstück in Sachen struktureller sexistischer Unterdrückung und Gewalt gegenüber Frauen. In den acht fast einstündigen Folgen entwirft »Gaslit« ein komplexes Panorama dieser Ereignisse und schildert das sukzessive Erodieren politischer Machtstrukturen, was schließlich zum Dammbruch der Ermittlungen durch das FBI führte. Deren damaliger Chef Patrick Gray, der erst im Mai 1972 den legendären J. Edgar Hoover beerbt hatte, arbeitete fleißig mit der Regierung zusammen und wird in der Serie gezeigt, wie er sensible Dokumente am heimischen Grill im Garten stehend verbrennt. Ausgerechnet zwei eher untergeordnete FBI-Agenten, die überdies nicht weiß und migrantisch sind, ermitteln dann erfolgreich gegen verschiedene Beamte und Mandatsträger.
Dazu gehört auch John Dean (Dan Stevens), ein schleimiger, Porsche fahrender, autoritätshöriger Vertreter der Politklasse, der aber dann ausgerechnet zum Kronzeugen des ganzen Verfahrens wurde, weil er sich, ähnlich wie Mitchell, nicht als Sündenbock jahrelang hinter Gitter sperren lassen wollte. Dass an dem legendären Whistleblowing John Deans auch vor allem seine taffe Frau Mo (Betty Gilpin) entscheidenden Einfluss hatte, setzt die Serie dramaturgisch eindrucksvoll in Szene, in der endlich auch die Rolle der Frauen neben den »Geschichte schreibenden Männern« Berücksichtigung findet. Auch wenn der erzählerische Fokus auf Martha Mitchell und John Dean liegt, fächert »Gaslit« ein großes und umfassendes zeithistorisches Spektrum des Skandals auf.
Der nach seiner Verurteilung in der Gefängniszelle Hakenkreuze in die Wand ritzende CIA-Agent Gordon Liddy (Shea Whigham), der für Justizminister Mitchell und Präsidentenberater John Dean den Einbruch organisiert und mögliche Zeugen und Verdächtige gewaltsam unter Druck gesetzt hatte, kommt ebenso vor wie der Schwarze Wachmann Frank Willis (Patrick Walker), der den Einbruch im Watergate-Gebäudekomplex der Polizei meldet und in der Serie eher unfreiwillig zum Helden der unzähligen Nixon-Gegner wird. Während er für kurze Zeit medial im Zentrum der großen politischen Zeitgeschichte steht, muss er mit Arbeitslosigkeit und einer Räumungsklage fertig werden.
»Gaslit« inszeniert aber auch immer wieder die allgegenwärtigen Demonstrationen und Proteste in Washington inklusive der damaligen Polizeigewalt. Richard Nixon war nicht nur wegen des immer weiter eskalierenden Vietnamkriegs, sondern auch wegen seines eindeutig gestörten Verhältnisses zu demokratischen Grundwerten eine ähnlich umstrittene Präsidentenfigur wie zuletzt Donald Trump. Im damals etwas inflationären Gebrauch des Begriffs, wurden er und seine Administration zigfach als Faschisten beschimpft. Dabei waren die geheimdienstlichen Aktionen gegen die Demokratische Partei mehr als unprofessionell, unergiebig und überdies wahrscheinlich völlig unnötig, da Nixon ja eh wiedergewählt wurde, nur um dann wegen des Watergate-Skandals zurückzutreten. Auch diesen absurden, für eine historische Beurteilung wichtigen Aspekt fängt diese absolut sehenswerte Serie wundervoll ein.
Verfügbar auf Starzplay
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