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- Ölembargo und Ostdeutschland
Hilfsprogramm für den Osten verlangt
Drohende Krise durch Gas- und Ölembargo dominiert Konferenz der ostdeutschen Regierungschefs
Die ostdeutschen Bundesländer stehen vor gewaltigen Problemen, die aus dem von der Bundesregierung beschlossenen Embargo für russisches Öl und Erdgas ab Januar 2023 resultieren: Sie sollen schnellstens auf erneuerbare Energien umsteigen und gleichzeitig bezahlbare Preise, Versorgungssicherheit wie auch den Erhalt der Raffineriestandorte in Schwedt und Leuna sowie der zahlreichen mit ihnen verbundenen Unternehmen gewährleisten. Wie das zu schaffen ist, war die bestimmende Frage auf der Konferenz der ostdeutschen Ministerpräsidenten (Ost-MPK) am Montag auf der Insel Riems bei Greifswald, an der am Nachmittag auch Bundeskanzler Olaf Scholz und der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Carsten Schneider, teilnahmen.
Die Ansagen aus dem von Robert Habeck (Grüne) geführten Bundeswirtschaftsministerium vor Beginn der Tagung deuteten allerdings nicht darauf hin, dass die Länderchefs vom Bund viel Unterstützung erwarten können. Vielmehr hagelte es aus Berlin einmal mehr Kritik am vermeintlich in der Vergangenheit zu russlandfreundlichen Kurs der ostdeutschen Regierungen. Und der Ostbeauftragte Schneider erteilte Sonderregeln beim Ölembargo für die ostdeutschen Raffinerien eine Absage. »Wir haben eine gesamtstaatliche Verantwortung, da kann ich nicht sagen, nur weil ich hier im Osten bin, machen wir nicht mit«, sagte Schneider der »Süddeutschen Zeitung«.
Die Vorsitzende der Ost-MPK, Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD), sagte zum Auftakt der Konferenz, nach Jahrzehnten der wirtschaftlichen Entwicklung in Ostdeutschland dürfe es gerade nach der Corona-Pandemie nicht zu wirtschaftlichen Rückschlägen kommen. Sie unterbreitete zudem Vorschläge, wie ihr Land bei der Umstellung der bundesweiten Energieversorgung helfen könne, etwa mit Öllieferungen für Schwedt über den Rostocker Hafen oder Flüssiggaslieferungen über Lubmin für ganz Deutschland. Dieses Gas kommt allerdings aus der deutsch-russischen Pipeline Nord Stream 1.
Thüringens Regierungschef Bodo Ramelow (Linke) forderte eine »bundesrepublikanische Kraftanstrengung, damit die neuen Länder nicht einen zusätzlichen Schlag bekommen«. Er verwies auf Tausende Arbeitsplätze in der energieintensiven Glasindustrie in seinem Bundesland. Sein Amtskollege aus Brandenburg, Dietmar Woidke (SPD), verwies auf die historisch gewachsene Abhängigkeit Ostdeutschlands von russischen Energieträgern und sagte mit Blick auf die PCK-Raffinerie in Schwedt: »Ich erwarte, dass es keine Naivität gibt, was die Folgen betrifft.« Die Bundesregierung hatte sich wegen der russischen Invasion der Ukraine im Rahmen des EU-Embargos verpflichtet, auf Öl-Importe über die »Druschba«-Pipeline zu verzichten, durch die die Raffinerie in Schwedt beliefert wird.
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) forderte angesichts des angestrebten Verzichts auf russische Energie, die weitere Nutzung bestehender Atomkraftwerke müsse diskutiert werden. Auch müsse klar gesagt werden, dass es beim Braunkohle-Ausstieg 2038 bleibt. Sachsen-Anhalts Regierungschef Reiner Haseloff (CDU) hatte am Wochenende erklärt, man trage das Ölembargo mit. Die Bundesregierung stehe aber in der Pflicht, es mit »strukturellen und finanziellen Hilfen für Ostdeutschland« zu flankieren.
Die Linke fordert wegen des Ölembargos einen »Garantieplan für Ostdeutschland«, um Versorgungssicherheit, Standorte, Jobs und Preise zu sichern. »Der Osten wird derzeit im Regen stehen gelassen«, kritisierte der Ostbeauftragte der Linksfraktion im Bundestag, Sören Pellmann, am Montag in Berlin. Wirtschaftsminister Habeck unterschätze die Folgen des Boykotts für den Osten.
Unterdessen sagte Wirtschaftsminister Habeck, man wolle über die Ölversorgung hinaus weitere Möglichkeiten für den Standort Schwedt ausloten. Auf dem ostdeutschen Wirtschaftsforum im brandenburgischen Bad Saarow stellte er am Montag die Raffinerie Leuna in Sachsen-Anhalt als Vorbild für Schwedt heraus. Dort kämen bereits etwa 80 Prozent der Öllieferungen aus Norwegen, man habe sich rechtzeitig aus der Abhängigkeit von russischem Öl befreit. In der Bund-Länder-Taskforce zur PCK-Raffinerie werde derzeit diskutiert, welche bioökonomischen Verfahren, welche chemischen Prozesse dort klug angesiedelt werden könnten, sagte Habeck. Dafür werde es Unterstützungsprogramme seines Ministeriums geben. Zugleich betonte der Minister, der Bedarf an Raffinerien gehe in Deutschland zurück, Unternehmen berichteten gar von Überkapazitäten. Für die PCK-Umstrukturierung brauche man auch einen Eigentümer, der den Weg begleite. Derzeit hält der russische Staatskonzern Rosneft die Mehrheit der PCK-Anteile.
Die Taskforce wird von Habecks Parlamentarischem Staatssekretär Michael Kellner (Grüne) geleitet, der seinen Wahlkreis in der Uckermark hat. Kellner äußerte derweil einmal die Erwartung an die brandenburgische Landesregierung, den »Ukraine-Kurs der Bundesregierung« zu unterstützen. Er warf der Potsdamer Regierung vor, in der Vergangenheit »nah an der Politik des russischen Präsidenten« Wladimir Putin gewesen zu sein. Unter anderem habe Potsdam den Verkauf der PCK-Raffinerie an Rosneft befürwortet, sagte Kellner der »B.Z.« (Montagausgabe). Diesen hatte allerdings auch die damalige Große Koalition in Berlin abgesegnet. mit Agenturen
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