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Bodenständige Götter
Der Film »Flight 666« begleitet die Heavy-Metal-Band Iron Maiden auf ihrer Welttournee 2008. Nun ist er im Fernsehen zu sehen
Wer verstehen möchte, was am Musikgenre Heavy Metal so faszinierend ist, dass Millionen von Menschen verschiedenster Herkunft ihm verfallen sind, bekommt im Konzertfilm »Flight 666« reichlich Anschauungsmaterial. Die beiden kanadischen Filmemacher Scot McFadyen und Sam Dunn haben dafür die Band Iron Maiden auf ihrer »Somewhere Back in Time World Tour« begleitet, die im Februar und März 2008 stattfand.
So spielen die Metaller in der dritten Woche ihrer Tournee live in der kolumbianischen Hauptstadt Bogotá. Es ist heiß, schwül und tropisch und damit so derart unbritisch, dass die höchst britischen Bandmitglieder, die auch zu dem Zeitpunkt fast alle schon die 50 überschritten haben, ständig unters Sauerstoffzelt müssen. Dann aber treten sie in die Hitze der kolumbianischen Nacht und rocken mit ihrem vielfach jüngeren vieltausendköpfigen Publikum, dass sich die Palmwedel biegen. Am Ende sieht man einen Fan, der als Enkel des 70-jährigen Nicko McBrain durchgehen könnte, wie er den Trommelstick des Iron-Maiden-Drummers in den Händen hält und so ergriffen weint, als habe er ein Stück von Jesu Kreuz gefunden.
Im Grunde hat er das ja auch, zumindest im übertragenen Sinne. Zum Abschied schallt auf dem Konzert die legendäre Zynikerhymne »Always Look on the Bright Sight of Life« der Komikergruppe Monty Python aus den Stadionboxen. Die pseudoreligiöse Verzückung der Figuren aus dem Monty-Python-Film »Das Leben des Brian« ähnelt derjenigen, die die Fans auf dem Konzert zur Schau stellen. Und auch »Flight 666« kratzt als Dokumentarfilm in aller Ergebenheit an den Himmelspforten, als seien die eisernen Jungfrauen Gottes Gesandte.
McFadyen und Dunn näherten sich, als sie das Projekt starteten, weder zum ersten noch zum letzten Mal gemeinsam ihrer musikalischen Leidenschaft mit der Kamera. Schon zuvor hatten sie zwei Heavy-Metal-Dokumentarfilme gemeinsam gedreht und produziert. Nach gelungener Überzeugungsarbeit durften sie dann 2008 an Bord der Boeing 757 steigen, die der ausgebildete Pilot und Iron-Maiden-Sänger Bruce Dickinson für die Tournee in 21 Städten auf vier Kontinenten gechartert hatte. »Ed Force One« heißt der Stahlkoloss, in dem das Filmteam Band und Crew 45 Tage lang um den Globus begleitete. Über den Wolken. Was zum übersinnlichen Image der Band nur allzu gut passt.
Die Konzerte der Band wirken im Film wie heilige Messen des Rock’n’Roll, die jeder Bergpredigt Konkurrenz machen könnten. Von Indien über Australien, Japan, Mittel- und Südamerika und die USA bis nach Kanada reiste die Band, und überall strömten Hunderttausende in ausnahmslos ausverkaufte Stadien. Wer die vorwiegend männlichen Fans in der Doku vor oder nach den (seltsamerweise eher nachlässig aufgezeichneten) Gigs sprechen hört, lernt Leute kennen, für die Heavy Metal im Allgemeinen und Iron Maiden im Besonderen Erweckungserlebnisse waren.
Einen der Gründe für die Begeistertung liefern McFadyen und Dunn, wenn sie die Superstars zwischen ihren Megashows vor riesigen Menschenmassen filmen. Denn die sind gar nicht abgehoben. Im Gegenteil. Obwohl die Bandmitglieder in ihrer freien Zeit vor und nach den Konzerten gerne zusammen Golf spielen und sich in Fünf-Sterne-Hotels aufhalten: Sie wirken bodenständig und behandeln ihre Angestellten wie selbstverständlich auf Augenhöhe. Dieses unprätentiöse Verhalten prägt das öffentliche Image der Band und wirkt im Film sehr authentisch.
Es sind dabei oft Nebensächlichkeiten, mit denen Kameramann Martin Hawkes den Charme und den Alltag der Band einfängt. Der Film zeigt zum Beispiel, wie der Bandgründer und Bassist Steve Harris mit zweien seiner Kinder durch die Reihen ergrauter Roadies läuft, als seien Väter im Rockzirkus Normalität. Oder wie Promis vom Schlagzeuger der Band Metallica bis zur Tennislegende einfach irgendwo hineinschneien. Am eindrücklichsten aber ist die leidenschaftliche Liebe der Fans für ihre Idole, die förmlich vom Bildschirm zu springen scheint. Nachdem der Film nach seinem Erscheinen 2009 besonders hierzulande unterhalb der Wahrnehmungsschwelle blieb, zeigt ihn nun der Fernsehsender Arte in seiner Mediathek und im linearen Programm.
»Flight 666«: Großbritannien/Kanada 2009. Regie: Scot McFadyen / Sam Dunn, 113 Minuten, zu sehen in der Arte-Mediathek und am 24. 6. um 22 Uhr auf Arte
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