Gelangweilte Nazi-Affen

Die Kryptokunstwerke des Unternehmens Yuga Labs transportieren rechtsextreme Ideologie

  • Benjamin Beutler
  • Lesedauer: 6 Min.
Die Affenbilder des Projekts »Bored Ape Yacht Club« sind die derzeit teuersten Kryptokunstwerke überhaupt.
Die Affenbilder des Projekts »Bored Ape Yacht Club« sind die derzeit teuersten Kryptokunstwerke überhaupt.

Madonna hat eins. Justin Bieber blätterte für ein anderes über eine Million Dollar hin. Brasiliens Fußballstar Neymar bezahlte für zwei Stück, Nummer #6633 und #5269, eine Million. Und twitterte im Januar: »Ich bin ein Affe!« Die Rede ist von digitalen NFT-Bildern des im Februar 2021 gegründeten US-Unternehmens Yuga Labs. Was sind NFTs? Die Abkürzung steht für »Non-Fungible Tokens«, das bedeutet auf Deutsch etwa »nicht austauschbare Wertmarken.« Damit sind digitale Datensätze gemeint, die einen bestimmten Gegenstand – sei er real oder digital – repräsentieren. Sie können, wie in diesem Fall, auch Kunstwerke repräsentieren, die nur digital existieren. NFTs können wie Kryptowährungen gehandelt werden – sie sind dabei jedoch nicht von den Gegenständen, die sie repräsentieren, zu trennen.

Die Yuga-Labs-Unternehmer aus Miami haben die derzeit begehrteste Kryptokunst überhaupt kreiert. Mit seiner Comicfiguren-Porträtreihe »Bored Ape Yacht Club« (BAYC), die auf 10 000 Bildchen begrenzt ist, hat das Unternehmen Branchenberichten zufolge bisher fünf Milliarden US-Dollar umgesetzt. Auf den Bildern sind angeödete superreiche Affen zu sehen. Der Erzählung ihrer Urheber zufolge langweilen sich diese vermenschlicht dargestellten Tiere in den Sümpfen von Miami zu Tode, nachdem sie ein Vermögen mit der Spekulation von Kryptogeld gemacht haben – ein ironischer Kommentar zur Kryptoform, in der diese Bilder ja existieren.

Bezahlen kann man die Kunstwerke mit der digitalen Währung Ethereum. Um ein NFT zu erwerben, muss man zunächst mit einer anderen, echten Währung (etwa Euro) eine bestimmte Summe dieser Kryptowährung kaufen. Dann bezahlt man das NFT mit seinem Digitalgeld und erhält einen Code. Mit diesem Code kann man zum Beispiel die Pixelgrafik eines gelangweilten Affen von einem Server herunterladen – dieses Bild hat dann niemand sonst. Anschließend kann man das Kunstwerk frei verwenden.

Promis laden ihre Menschenaffen-Porträts von Yuga Labs zum Beispiel als Profilbilder in sozialen Medien hoch. Die Rap-Ikonen Eminem und Snoop Dog sind in ihrem neuesten Musik-Video als bekiffte »Bored Apes« unterwegs. Mittlerweile gibt es Bored-Ape-Spielfiguren, T-Shirts, Poster, Konzerte und Computerspiele. In nur einem Jahr haben es die Geschäftsleute von Yuga Labs geschafft, einen perfekt geschmierten Werbeapparat auf die Beine zu stellen.

Streiten kann man sich über den künstlerischen Wert der NFT-Affenserie. Über die Auswirkungen des NFT-Booms auf Künstler und Kunstmarkt. Über den Geldwäsche-Missbrauch des anonymen Kryptomarkts durch Mafias und Drogenkartelle. Oder über die ruinösen Wertschwankungen in der schönen neuen Kryptowelt, wo der letzte Totalcrash von Bitcoin, Ethereum und Co. so manchen Privatinvestor in die Armut getrieben hat. Auch dass dem Weltklima massiv geschadet wird durch die ungezählten Krypto-Rechenzentren, die von China über Kasachstan bis El Salvador aus dem Boden sprießen und extrem viel Kohlestrom verbrauchen, steht seit Jahren in der öffentlichen Kritik. Kurzum: NFTs sind digitale Kunst plus digitaler Turbokapitalismus.

Für neue Verunsicherung der NFT-Szene könnten Recherchen des US-Künstlers Ryder Ripps sorgen. In Detektivarbeit hat sich der New Yorker durch die Zeichenwelt und bildlichen Codes des BAYC gewühlt. Dabei stieß er auf ein erschreckendes Sammelsurium von Nazi-Verweisen und rechtsextremer Rassenideologie. Dem 35 Jahre alten Aktionskünstler, der selbst im NFT-Geschäft unterwegs ist und mit seiner Ex-Partnerin, der Rapperin Azealia Banks, den weltweit ersten NFT-Porno drehte und dann für 260 Millionen US-Dollar verkaufte, stieß zunächst der Militarismus der Bilder und das vermenschlichte Affenmotiv auf, eine unter weißen Rassisten geläufige Herabwürdigung von Schwarzen und Asiaten. Ob die Affen eine preußische Pickelhaube, eine japanische Kamikaze-Kopfbinde oder eine Armeemütze tragen – ihre Merkmale sind Ripps zufolge »rassisch orientiert oder beinhalten irgendeine Art von Militärgeschichte«.

Nicht wenige Internetnutzer hatten sich seit dem ersten Erscheinen der Affenbilder darüber beschwert, dass sie das erfolgreichste NFT-Unternehmen der USA als rassistisch wahrnehmen würden. Jemanden herabzusetzen, indem man die Person mit einem Affen vergleicht, reicht Hunderte Jahre zurück und kommt in vielen Kulturen vor. Heute werden vor allem Schwarze mit Affenvergleichen beleidigt. Ripps erinnert an den »Trend in Europas Fußballstadien«, schwarze Spieler mit Bananen zu bewerfen oder mit Affengeräuschen zu verhöhnen. Auch Ex-US-Präsident Barack Obama wird in Internet-Memes und Karikaturen regelmäßig als Affe bezeichnet. Die konservative Boulevardzeitung »New York Post« stellte ihn einmal als Schimpansen dar, der von Polizisten erschossen wird.

Wegen dieser rassistischen Konnotationen buddelte Ripps weiter. Dazu muss man wissen, dass die neue Rechte in den USA, die dort als »Alt-Right« bezeichnet wird und etwa mit der NPD und der faschistischen Höcke-AfD vergleichbar ist, bisher zu den großen Gewinnern des Krypto-Goldrausches gehört. Der NGO Hatewatch zufolge sollen über 600 prominente Vertreter dieser Strömung schon früh in Kryptowährungen investiert und in einigen Fällen Gewinne in Millionenhöhe erzielt haben. Durch diesen neuen Reichtum habe sich die militante Rechte neu aufstellen können.

Es ist schon erstaunlich, dass der BAYC so lange als harmlose Kunst durchgehen konnte. Das Logo des Projekts, ein Affentotenkopf, ist eine Variante des Totenkopfs der Waffen-SS. Der grafische und farbliche Aufbau des Logos entspricht exakt dem Signum der NS-Massenmörder. Wer die Zähne des Affentotenkopfes durchzählt, kommt auf 18, den Zahlencode für Adolf Hitler. Die 1 steht für den ersten Buchstaben im Alphabet, das A, die 8 für den achten, das H.

Im BAYC-Computergame »Affen gegen Mutanten« fliegen Bananen in Hakenkreuzformation umher. Goldene Ratten wimmeln herum, ein antisemitischer Code für Juden. Spielfiguren tragen Hawaiihemden, Erkennungszeichen der rechtsextremen Boogaloo-Boys-Milizen, die sich auf einen herbeigesehnten Rassen-Bürgerkrieg in den USA vorbereiten. Ein BAYC-Gaming-Rätsel ergibt die Lösung »Guenon«, eine Referenz an René Guénon. Der französische faschistische Schriftsteller gilt als einer der wichtigsten Einflüsse auf den prominentesten Vordenker der rassistischen US-Rechten Steve Bannon.

Guénon machte unter mystisch angehauchten Rechtsintellektuellen auch die indische Gottheit »Yuga« populär, die Namensgeberin des Boring-Ape-Unternehmens. Die Pseudonyme der vier Begründer von Yuga Labs sprechen Bände: Greg Solano nennt sich Gargamel, der als antisemitisches Stereotyp im Comic »Die Schlümpfe« sein Unwesen treibt und auf der Internetplattform »4chan« von der Rechtsextremen-Community als Code für Juden verwendet wird. Seine Bachelorarbeit schrieb der erfolglose Schriftsteller Solano über Nazi-Romane. Wylie Aronow bezeichnet sich als Gordon Goner, ein in der rechtsradikalen Szene geläufiges Anagram für Drongo Negro (»Dummer N***r«). Ein anonymer Mitgründer verwendet das Pseudonym Emperor Tomato Ketchup und wählte damit den Titel eines US-Films, der verboten wurde, weil darin ein Junge in Faschisten-Uniform eine Frau vergewaltigt. Der vierte im Bunde, ebenfalls unbekannt, nennt sich SASS, eine Zusammenführung von SA und SS. Laut Yuga Labs waren alle Affenbilder am 30. April 2021 ausverkauft, am selben Tag wurde das Kunden-Metaverse (ein virtueller Raum, in dem sich die NFT-Käufer bewegen können) gelauncht – es handelt sich bei dem Datum um Hitlers Todestag.

Alles nur Zufall, Missverständnis und »Verschwörungstheorie« von Neidern, behaupten die vier Gründer nun in einem Schreiben an ihre Fans. Sie ziehen gegen Ripps unter anderem wegen Urheberrechtsverletzung vor Gericht, weil der Künstler eine eigene Kryptokollektion gelangweilter Affen anbietet. Der Berliner Kulturjournalist und Philosoph Ji-Hun Kim, der im »Monopol«-Magazin erstmals in Deutschland über die Ripps-Recherche berichtete, erklärte gegenüber »nd«, dass die Krypto-Szene aus Angst vor Wertverlust ihrer Geldanlagen keine fundierte Kritik zulasse und eher »einen Hang zur Vertuschung als zur Aufklärung« habe. Popstars, Hollywood-Schauspieler, Kunstsammler und Investoren würden »ungerne zugeben, in ihrer naiven Gier Teil eines Systems geworden zu sein, das antisemitische Nazi-Inhalte verbreitet«. Die Gefahr für die Gesellschaft durch das Wegsehen bei rechtsradikaler Troll-Propaganda sei, so Kim, »gefährlich und sozial erodierend«.

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