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Zwischen Tradition und Moderne
Die Dresdener Oskar-Zwintscher-Ausstellung erhebt den Maler in den Rang europäischer Kunstgeschichte
Als eine Ikone der Malerei zwischen Symbolismus und Neuer Sachlichkeit wird sie inzwischen schon betrachtet – Oskar Zwintschers »Dame mit Zigarette« (1904): Lässig sitzt eine junge Frau im Reformkleid, hat die Hände über Arm und Knie geschlagen und hält in der einen Hand eine glimmende Zigarette. Nur Kopf und Hände heben sich aus dem Dunkel des Bildes hervor. Ihr Blick ist nach innen oder in eine unbestimmbare Ferne gerichtet. Ein ungewöhnliches, ein kühnes Bild im Fin de Siècle, ein Bild der Emanzipation besonderer Art, eine selbstbewusste, unnahbare Frau, der alle gesellschaftlichen Konventionen egal sind, die ihr Leben so lebt, wie sie es will.
Der Bestand Dresdner Kunst um die Jahrhundertwende im Albertinum ist uns seit Langem wohlvertraut. Doch nun hat es in den letzten Jahren umfangreiche maltechnische Untersuchungen an 16 Gemälden Zwintschers gegeben, viele Neuerwerbungen haben den Zwintscher-Bestand erweitert, im vergangenen Jahr kam auch eine Bestandspublikation heraus. Nunmehr konnte, verstärkt durch viele Leihgaben, eine opulente neue Ausstellung vorgelegt werden.
Zwintscher hatte sich nach seinem Studium an der Kunstakademie Dresden für seine beschauliche Heimatstadt Meißen entschieden und bewohnte dort nicht zufällig das Haus, in dem Ludwig Richter gelebt und gewirkt hat. 1897 malte er das programmatische Diptychon, das seiner Begegnung mit dem ihn inspirierenden, aber auch drohenden Tod (»Selbstbildnis mit Tod«) das Bild der Braut inmitten einer blühenden Landschaft entgegensetzte. In den Kreislauf der sich erneuernden Natur ist die Frau hineingesetzt, während der in den städtischen Raum gestellte Künstler mit seinem Werk den Kampf mit der Zeit bestehen muss.
Zwintscher, der 1904 zum Professor an der Dresdner Akademie berufen worden war, aber schon 1916 starb, vereinigt alle Strömungen seiner Zeit. Er steht zwischen Impressionismus, Symbolismus und Jugendstil und weist schon voraus in die Neue Sachlichkeit. Sein Werk bildet die Brücke zwischen Tradition und Modernität.
Indem er die von den Impressionisten so sehr bewunderte Ursprünglichkeit der Landschaft auslotete, deutete er sie in symbolistischer Weise, wobei er naturalistische Effekte mit den rhythmischen Mustern des zeitgenössischen Jugendstils verknüpfte. Mythologie spielt bei Zwintscher keine Rolle, er war realitätsbewusst. Aber einer vollständigen ikonographischen Ausdeutung widersetzen sich seine Bilder. Sie erzählen keine Handlungen mehr oder geben allgemein verständliche Sinnbilder wieder. In seinen Gestalten will der Künstler ein Stück Subjektivität und Individualität vermitteln. Dabei treten Emotionen, Stimmungen und Ahnungen in den Kreis des Darstellbaren. Scheinbar Bekanntes deutet Zwintscher neu aus – und auch der Betrachter muss sich auf neue Sehweisen einlassen.
Als anerkannter Porträtist schuf er eine Vielzahl geschätzter Bildnisse, wie das seines Dresdner Malerkollegen Sascha Schneider (1899), das dessen physiognomisch ungewöhnliche Eigenheiten betont, oder das des Worpsweder Künstlerkollegen Heinrich Vogeler (1902), den er zum visionären Außenseiter stilisiert. Die Tapete mit stilisiertem Rosenmuster im Hintergrund geht auf einen Entwurf Vogelers für sein Worpsweder Wohnhaus zurück. Weniger das psychologische Profil als die typische Situation soll den Charakter der dargestellten Person enthüllen.
Insgesamt 15 Porträts hat Zwintscher allein von seiner Frau Adele geschaffen. Im Bildnis der »Gattin des Künstlers mit Spiegel« von 1901 werden Profil- und Spiegelbild zu einem hintergründigen Rätsel. Es scheinen Gesichter zwei verschiedener Personen zu sein. Ein »symbolistisches Doppelporträt seiner Frau als unergründliches Mysterium«, heißt es im Katalog. Könnten es nicht einfach die »zwei Seelen in einer Brust« sein?
Aber wie die Symbolisten hat Zwintscher die Frau als Sinnbild für die Unergründlichkeit der menschlichen Natur angesehen. Doch nicht die Femme fatale, die sündige, begehrenswerte Frau, finden wir bei ihm, sondern ihr Gegenstück, die zerbrechliche Schönheit der Femme fragile. Seine Mädchen- und Frauengestalten – oft mit einer symbolhaften Blume in der Hand – scheinen in einer Bewegung innezuhalten, jedoch nicht in dem Bewusstsein zu posieren, sondern in stiller Anmut zu verharren. Dass sie sich dem Blickkontakt meist entziehen, erhöht den Eindruck unnahbarer Schönheit ätherischer Wesen.
Man hat Zwintscher auch den »sächsischen Klimt« genannt. Doch während der Österreicher Gustav Klimt seit dem »Porträt Emilie Flöge« (1902), seinem ersten Damenbildnis, in dem das Ornament Eigenwert erhielt, zunehmend Gesichter und Hände in seinen Frauenbildnissen körperlos von den eigenständigen Ornamentmosaiken trennte, bleiben bei Zwintscher die existenziellen Fragen im Kreislauf des Lebens erhalten. In seinem »Bildnis der Gattin« (1902) steht die Angetraute in eleganter Abendrobe wie abschiednehmend an der Tür, ihr Blick zurück wirft Fragen auf. Die Virtuosität von Oskar Zwintscher liegt auch in seinen letzten Jahren gerade in der Einbindung seiner Figuren und Themen in den Bildraum, im Wechselspiel von linearer Kontur, flächiger Raumauffassung und gezielter Nutzung ornamentalischer Elemente. Der Künstler ist mit dieser Ausstellung eingereiht in die Phalanx großer europäischer Maler.
»Weltflucht und Moderne. Oskar Zwintscher in der Kunst um 1900«, bis zum 15.1., Albertinum
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