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Abziehen statt ausbilden
Die Bundesregierung will Unternehmen das Rekrutieren von Arbeitskräften aus Nicht-EU-Staaten erleichtern
Nach der Sommerpause soll sie im Bundestag diskutiert und später beschlossen werden: die von der Ampel geplante Novellierung des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes. Die Große Koalition hatte es vor drei Jahren beschlossen, im März 2020 trat es in Kraft. Es sollte Unternehmen die Rekrutierung von Menschen mit hoher Qualifikation erleichtern und dafür sorgen, dass diese zügig und unbürokratisch eine meist auf maximal vier Jahre begrenzte Aufenthaltsgenehmigung erhalten.
Fachleute wie Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, verweisen derweil immer wieder darauf, dass zum Beispiel die Fähigkeiten hochqualifizierter Frauen besser genutzt werden könnten, indem die Kinderbetreuungsangebote und jene zur Versorgung pflegebedürftiger Angehöriger verbessert werden. Denn mehr als die Hälfte der Frauen arbeitet in Deutschland in Teilzeit, viele von ihnen nur wegen der schlechten Rahmenbedingungen.
Auch bereits in Deutschland lebende Einwanderer, abgelehnte Asylbewerber etwa, könnten viel besser in den Arbeitsmarkt integriert werden. Bei ihnen wären allerdings meist Investitionen der Unternehmen in die Verbesserung der Sprachkenntnisse und in adäquate Berufsabschlüsse nötig. Nach Einschätzung von Experten wie dem Arbeitsmarktforscher Herbert Brücker sind aber die Hürden für die Arbeitsmarktintegration von Asylsuchenden wie auch von Menschen sehr hoch, die nur mit dem Status der sogenannten Duldung hier leben. Das liege unter anderem an den sehr langwierigen Asylverfahren, sagte der Leiter des Forschungsbereichs Migration, Integration und internationale Arbeitsmarktforschung am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit dieser Tage bei einem Fachgespräch des Mediendienstes Integration. Die meisten Migranten wollten gern selbst für ihren Lebensunterhalt sorgen.
Nach Einschätzung von Brücker wird indes auch die von der Ampel geplante Gesetzesnovelle »überhaupt nicht in der Lage sein, 400 000 hoch Qualifizierte plus x nach Deutschland zu bekommen«. Zugleich betonte er, es sei richtig, das Aufenthaltsrecht für Arbeitsmigranten zu begrenzen und regelmäßig zu kontrollieren, ob diese ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten: »Man muss dafür sorgen, dass sie dem Sozialstaat nicht zur Last fallen.«
Bei 400 000 liegt die Zahl der offenen Stellen, die jedes Jahr dazukommen, weil Menschen in Rente gehen und an ihrer Stelle kein qualifizierter Nachwuchs zur Verfügung steht. Glaubt man dem Präsidenten des Deutschen Industrie- und Handelskammertags, Peter Adrian, muss die deutsche Wirtschaft »in den nächsten zehn Jahren den demografisch bedingten Wegfall von vier bis fünf Millionen Arbeitskräften kompensieren«. Deshalb sei es wichtig, dass die Einwanderung von Fachkräften auch praktisch funktioniere, sagte er dem »Handelsblatt«.
Was die Ampel diesbezüglich geplant hat, skizzierten Bundesinnenministerin Nancy Faeser und Arbeitsminister Hubertus Heil (beide SPD) kürzlich in einem Gastbeitrag ebenfalls im »Handelsblatt«. Demnach sollen Personen, die über Berufserfahrung und einen Abschluss verfügen und sich in Deutschland erfolgreich auf eine Stelle beworben haben, unkompliziert einreisen dürfen. Das Anerkennungsverfahren soll laufen, wenn sie schon hier sind. Bisher müssen Arbeitsmigranten schon vor ihrer Einreise nachgewiesen haben, dass ihr Abschluss mit einem in Deutschland verlangten vergleichbar ist.
Menschen mit Berufserfahrung sollen zudem künftig auch ohne Arbeitsvertrag einreisen dürfen. Dafür müssen sie aber von zu Hause aus in der Bundesrepublik die Anerkennung ihres Abschlusses beantragen. Zudem sollen sie belegen, dass sie in der Lage sind, selbst ihren Lebensunterhalt zu sichern. Werden die Nachweise anerkannt, sollen sie einreisen dürfen, sich einen Job suchen und später eine Aufenthaltserlaubnis bekommen. Zudem sollen Fachkräfte mit bereits anerkannter Qualifikation künftig auch in einem anderen als in ihrem Beruf arbeiten dürfen.
Unterdessen betonte die Linke-Bundesabgeordnete Jessica Tatti: »Bevor die Bundesregierung sich als global agierende Arbeitsvermittlerin für die Unternehmen hergibt, sollte sie ihr Hauptaugenmerk auf das im Land vorhandene Potenzial richten.« Nötig sei jetzt eine »sofortige Aus- und Weiterbildungsoffensive«, erklärte Tatti am Freitag. Aus Erwerbslosen könnten so Fachkräfte werden. Zudem, so die Arbeitsmarktexpertin, sei der Fachkräftemangel in vielen Branchen wegen der schlechten Arbeitsbedingungen »hausgemacht«.
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