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Kaffeebohnen in der Mehrwegdose
Die Firma Pfabo mit Sitz in Wildau will den Verpackungsmüll auf null reduzieren
»Ich weiß noch, wie wir unser Produkt das erste Mal bei der Bio Company im Laden gesehen haben. Wir haben geheult, so glücklich waren wir«, erzählt Juliane Spieker. Die 40-Jährige hat zusammen mit ihrem fünf Jahre jüngeren Bruder Adrian die Pfabo GmbH mit Sitz in Wildau gegründet und Mehrwegverpackungen für Lebensmittel aller Art entwickelt. Drei Jahre hat das gedauert. Die ersten zwei Prototypen kamen noch aus dem 3D-Drucker, der dritte entstand bereits im Spritzgussverfahren – so wie nun auch das sechste Modell, das seit Januar regulär im Handel zum Einsatz kommt. Behältnisse aus Glas und Keramik spielten in den Vorüberlegungen eine Rolle. Aber die seien zu schwer und zu zerbrechlich, berichtet Adrian Spieker. Edelstahl kam am Ende auch nicht infrage – zu teuer. So fiel die Wahl auf Kunststoff. »Kunststoff ist ein guter Werkstoff«, betont Juliane Spieker. »Nur wie wir ihn in den letzten Jahrzehnten verwendet haben, war total falsch.«
Einwegverpackungen aus Plastik sind eine enorme Belastung für die Umwelt, aber auch Papier ist nicht unproblematisch, wenn es lediglich dazu dient, dass einmal ein belegtes Brötchen hineingesteckt wird, bevor die Verpackung im Müll landet. Darum machen sich die Geschwister Spieker für ein Mehrwegsystem stark, bei dem das Kunststoffbehältnis Pfand kostet und immer wieder verwendet wird. Es gibt für solche Mehrwegsysteme verschiedene Anbieter. Aber die speziellen Behältnisse der Pfabo GmbH können mit einigen Vorteilen aufwarten. So kommen sie ohne einen extra Dichtungsgummi aus und halten Flüssigkeiten dennoch zuverlässig. Es gibt eine große Box, die drei Liter fasst, und zwei Ein-Liter-Boxen in unterschiedlichen Abmessungen.
Schon ab der 25. Verwendung sind diese Mehrwegboxen umweltfreundlicher als jegliche Einwegverpackung, außerdem kostengünstiger, und der Hersteller garantiert 500 Verwendungen, ehe beispielsweise am Deckel deutliche Gebrauchsspuren zu erkennen sind. Aber auch dann könnten die Boxen noch weiter benutzt werden, versichert Adrian Spieker. Wenn es irgendwann gar nicht mehr geht, lässt sich der Kunststoff einfach recyceln.
Es sind nach Angaben der Geschwister deutschlandweit bereits 15 000 Boxen mit der Aufschrift »100 Prozent made in Brandenburg, 0 Prozent Schadstoffe« im Umlauf, die meisten in Berlin und Brandenburg. Etwa bei der Lebensmittelkette Bio Company, bei einer Kaffeerösterei, bei einer Fleischerei in Potsdam und bei einer Schülerfirma im nordrhein-westfälischen Bocholt können Kunden Produkte in diesen Boxen kaufen und die Verpackung später bei jedem dieser Geschäftspartner der Pfabo GmbH wieder abgeben. Fünf Euro kostet das Pfand. Die Herstellung ist im Moment noch etwas günstiger, obwohl die Preise steigen, erläutert Adrian Spieker.
Als Endverbraucher kann man kaum eine so funktionale Dose erwerben, weshalb auch Brandenburgs Grünen-Fraktionschef Benjamin Raschke den Gedanken in sich aufkeimen spürt, etwas in solchen Dosen zu kaufen und das Pfand für diese Verpackung hinterher nicht einzulösen. Aber das würde er dann doch nicht tun, weil er das Anliegen der Müllvermeidung teilt und dem Mehrwegsystem keinen Schaden zufügen möchte. Am Mittwoch schaut der Politiker im Rahmen seiner Sommertour für knapp zwei Stunden bei Pfabo vorbei, dann muss er weiter zu seinem nächsten Termin. Juliane Spieker, die im Vorstand des Mehrwegverbandes sitzt, gibt ihm noch mit auf den Weg, dass 19 Prozent Steuer auf Mehrwegverpackungen zu viel seien. Beim Mehrweggesetz, das ab dem kommenden Januar gilt, sieht sie noch Nachbesserungsbedarf. Die Grundidee aber, dass Betriebe mit mehr als 80 Quadratmetern Verkaufsfläche und mehr als fünf Mitarbeitern ihren Kunden auch Mehrwegverpackungen anbieten müssen, hält sie für richtig.
Die Pfabo GmbH beschäftigt zwei Angestellte, die im Moment mehr Lohn erhalten, als die Chefs für sich aus der Kasse nehmen können. Doch die Geschwister sind nicht unzufrieden. Im Gegenteil. Im laufenden Jahr haben sie bereits mehr Umsatz gemacht, als sie sich für das gesamte Jahr vorgenommen hatten. Im Jahr 2024 möchten sie die Gewinnzone erreicht haben. 75 000 Nutzungen ihrer Boxen, für die sie eine Gebühr kassieren, brauche es dafür, rechnet Juliane Spieker vor, die Betriebswirtschaftslehre studierte, während das Fach von Bruder Adrian der Maschinenbau ist. Ihre Büros samt Lagerfläche hat die GmbH im Transfer- und Gründerzentrum an der Wildauer Freiheitsstraße. Hier können sie sich bei Bedarf auch noch vergrößern. Einen steilen Aufstieg ihrer Firma streben die Geschwister nicht an, wie sie betonen. Sie wollen im Gegenteil vorsichtig und gesund wachsen und auch noch in zehn Jahren am Markt sein.
Juliane Spieker ist Brandenburgs Existenzgründerin des Jahres 2022. Die Urkunde überreichte ihr Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) Anfang Juni. Die Laudatio hielt Sozialministerin Ursula Nonnemacher (Grüne). »Das war für mich ein emotionaler Moment«, erinnert sich die 40-Jährige. Nach den Entbehrungen und Rückschlägen hatte sie das Gefühl, dass jetzt gesehen wird, dass es den Geschwistern nicht nur ums Geld geht, sondern auch um die Sache, um die Mehrwegverpackung als Beitrag zur Schonung der natürlichen Ressourcen. »Ich musste mit den Tränen kämpfen«, erzählt Juliane Spieker.
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