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Fliegerhorst Wunstorf lehnt Erinnerung an NS-Vergangenheit ab

Friedensaktivisten wollten mit Kransniederlegung an Bombadierung Guernicas erinnnern

  • Peter Nowak
  • Lesedauer: 2 Min.
Auf dem Fliegerhorst Wunstorf bei Hannover will man nicht an die NS-Vergangenheit erinnert werden.
Auf dem Fliegerhorst Wunstorf bei Hannover will man nicht an die NS-Vergangenheit erinnert werden.

»Guernica 1937 – Coventry 1940 – nie wieder« ein Blumengebinde mit dieser Aufschrift auf der Schleife wollte Gerhard Biederbeck von der Friedensinitiative Neustadt/Wunstorf am Guernica-Gedenkstein im Fliegerhorst Wunstorf bei Hannover niederlegen. Doch sein Antrag wurde von der Kommandantur ohne Begründung abgelehnt. Als Biederbeck daraufhin anbot, das Blumengebinde bei der Wache abzugeben, damit die es an dem Gedenkstein niederlegt, erhielt er die lapidare Auskunft, die Wache werde die Annahme des Blumengebindes verweigern.

Für Hubert Brieden ist diese Reaktion eine klare Kampfansage. Er ist Mitbegründer des Arbeitskreises Regionalgeschichte. Dieser hatte bereits 1984 recherchiert, dass Angehörige des Geschwaders Boelcke vom damals neu errichteten NS-Fliegerhorst Wunstorf an der Bombardierung der baskischen Stadt Guernica 1937 beteiligt waren. Der Arbeitskreis hatte dazu auch eine Broschüre herausgegeben.

»Über Jahrzehnte haben die Beteiligten eisern geschwiegen«, sagt Hubert Brieden. Alles wurde abgestritten, erinnert sich Brieden an die Reaktion der damaligen Wunstorf-Kommandantur. Doch die Rechercheergebnisse der linken Regionalhistoriker*innen wurden durch weitere Forschungen bestätigt. Die Rolle der Militärs im Fliegerhorst Wunstorf beim Kampf gegen die spanische Republik konnte nicht mehr verschwiegen werden. Bald wurde auch bekannt, dass die Bomberbesatzung von Wunstorf auch an Flächenbombardements auf weitere europäische Städte im Zweiten Weltkrieg beteiligt war, beispielsweise im britischen Coventry. »Die Namen Guernica und Coventry sind untrennbar mit der Geschichte des Wunstorfer Militärflugplatz verbunden«, so Hubert Brieden.

Zudem hatte der Arbeitskreis recherchiert, dass das Geschwader Boelcke auch an der systematischen Bombardierung von jüdischen Wohnvierteln während des deutschen Angriffskriegs auf Polen beteiligt war. Auf Druck der Alliierten wurde nach dem Zweiten Weltkrieg die Oswald-Boelcke-Straße in Wunstorf umbenannt, aber im Kalten Krieg setzte die konservative Mehrheit in Wunstorf durch, sodass es dort wieder eine Straße mit diesem Namen gab. Noch heute heißt sie so. Boelcke war ein deutscher Kampfflieger, ein Vorbild für die Nazis, der im Ersten Weltkrieg abgeschossen wurde.

Der Arbeitskreis Regionalgeschichte und antifaschistische Gruppen fordert seit Jahren, dass der deutschnationale Oswald Boelcke aus dem Straßenverzeichnis von Wunstorf gestrichen wird. Stattdessen sollte die Straße nach Guernica unbenannt werden. Anfangs hätten auch die örtlichen Grünen diese Forderung unterstützt, erinnert sich Brieden. Doch bald kamen sie mit dem angeblichen Kompromissvorschlag, einen Gedenkstein für Guernica in der Kommandantur zu errichten und auf die Umbenennung zu verzichten.

Für viele Angehörige der Opfer des Angriffs auf Guernica war das ein Affront. Sie verweigerten die Teilnahme an der Einweihung des Gedenksteins 2017. »Guernica – die Medizin, mit der die Deutschen ihre Vergangenheit heilen wollten«, titelte eine baskische Tageszeitung.

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