Wenn der Topf aber nun mal leer ist

Sozialprotest vor der Deutschen Bank in Königs Wusterhausen

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 5 Min.
Seit 32 Jahren im Einsatz: Demonstrant Michael Dressel
Seit 32 Jahren im Einsatz: Demonstrant Michael Dressel

Die Filiale der Deutschen Bank an der Bahnhofstraße von Königs Wusterhausen (Dahme-Spreewald) hat am Mittwochabend bereits geschlossen. Es laufen aber immer wieder Kunden die Treppe hoch und zum Eingang hinein. Der Zugang zum Geldautomaten ist gewährleistet. Wohl dem, der noch etwas abheben kann, weil das Konto nicht leer, der Dispokredit nicht überzogen ist. Es ist der 31. August, der letzte Arbeitstag in diesem Monat. Immer zu diesem Termin veranstaltet Die Linke hier nun eine Kochtopf-Kundgebung. Motto: »Damit die Kochtöpfe am Ende des Monats nicht leer bleiben!« Denn angesichts der extrem gestiegenen Energie- und Lebensmittelpreise könnte im kommenden Winter so mancher vor die Wahl gestellt sein, ob er die Wohnung heizt oder genug zu essen kauft.

Die erste Aktion dieser Art gab es bereits am 29. Juli. Da beteiligten sich etwa 30 Leute. Nun waren es gut 40. Bei der nächsten Kundgebung am 30. September werden es wieder ein paar Teilnehmer mehr sein, hofft Organisator Andreas Eichner vom Kreisvorstand der Linkspartei. Ihm war es wichtig, diesen Sozialprotest auf die Beine zu stellen. Sonst würden die Menschen, die sich Sorgen um ihre Zukunft machen, anderen hinterherlaufen – der AfD zum Beispiel. Das möchte Eichner verhindern. Er komme damit auch einem oft geäußerten Wunsch nach: Die Linke solle aufhören, sich untereinander zu streiten, sondern sich wieder um die sozialen Probleme der Bevölkerung kümmern. Distanz zu Rechten zu halten ist dabei wichtig, aber gar nicht so einfach. Denn teilweise werden bei Protesten, zu denen die rechte Szene mobilisiert, ähnliche Forderungen erhoben, etwa die, keine Waffen an die Ukraine zu liefern. Dass sich Die Linke von der AfD trotzdem fundamental unterscheidet und mit ihr nichts zu tun haben will, müsse man politisch bisher wenig interessierten Menschen erst einmal begreiflich machen.

Es werden am Mittwoch ein paar Reden gehalten. Die Zuhörer spenden Beifall. Einige sind der Aufforderung gefolgt, Töpfe und Löffel mitzubringen, um damit Lärm zu machen. Es scheint so, als sei als Ort der Kundgebung die Deutsche Bank mit Vorbedacht ausgewählt. Sie ist eine Privatbank. Die Sparkasse gegenüber als kommunales und die Volksbank weiter hinten als genossenschaftliches Geldinstitut wären kein so starkes Symbol. Der Ort sei aber Zufall, gibt Andreas Eichner zu. Ursprünglich wollte er die Kundgebung auf dem Bahnhofsvorplatz anmelden, der aber wegen des wochenlangen Schienenersatzverkehrs nicht frei war.

Königs Wusterhausens Linksfraktionschef Michael Wippold ist mit der Teilnehmerzahl am Mittwoch zufrieden, auch wenn er sie mit 50 etwas zu hoch schätzt. Wichtig sei, dass es mehr geworden sind und dass die Partei über ihren eigenen Dunstkreis hinaus damit auf Interesse stößt. Zwar gebe es 60 Parteimitglieder in der Stadt, sagt Wippold. Doch von denen seien viele zu alt, um sie noch aktivieren zu können. Nur zehn Genossen sind zur Kundgebung vor der Deutschen Bank erschienen. Die anderen Teilnehmer gehören der Partei nicht an. Außerdem weiß Wippold zu berichten, dass die Kundgebungsreihe Stadtgespräch sei. Viele hätten es ihm zufolge registriert und fänden es richtig, dass es die Kundgebungen gibt, auch wenn sie nicht dazukommen.

Aus der Nachbarstadt Wildau ist der dortige Linksfraktionschef Heinz Hillebrand mit dem Rad gekommen. Er lässt sich das Mikrofon geben, um eine Veranstaltung anzukündigen. Am kommenden Mittwoch veranstalten das Kommunalpolitische Forum und die Linke-Kreistagsfraktion um 18.30 Uhr im Volkshaus Wildau einen Bürgerdialog mit dem Wirtschaftswissenschaftler Kai Kleinwächter zu der Frage, wie sich der Krieg in der Ukraine und die Sanktionen gegen Russland auf die Kommunen auswirken.

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) habe gesagt, dass man mit den Sanktionen Russland in die Knie zwingen werde, erinnert Hillebrand. »Das ist nach hinten losgegangen. Die deutsche Bevölkerung und die deutsche Wirtschaft gehen in die Knie. Dass die Gaspreise so hoch sind, erklärt sich daraus, dass an den Terminbörsen gezockt wird. So funktioniert der Kapitalismus«, sagt Hillebrand. Mit dem russischen Überfall auf die Ukraine wurde auf steigende Gaspreise spekuliert. Damit steigen die Preise unabhängig davon, ob wirklich weniger Gas verfügbar ist. Das Phänomen zeigte sich in der Vergangenheit auch bei Kriegen in Staaten, die Erdöl fördern.

Die Profite der Mineralölkonzerne müssten mit einer Übergewinnsteuer abgeschöpft werden. Die Einnahmen könnte der Staat für neue Entlastungspakete verwenden. Doch der Bund zögert, die FDP blockiert. »Wir müssen mehr werden«, ruft Hillebrand seinen Zuhörern zu. Er ist überzeugt: »Die Leute werden auf die Straße gehen. Das hier ist ein Anfang. So muss es weitergehen.«

Nicht mit einem Kochtopf, sondern mit einem selbst gebastelten Schild ist Michael Dressel erschienen. Er fordert ein bezahlbares Grundkontingent an Strom und Gas für alle. 1990 hat Dressel einen Besenstiel und eine Hartfaserplatte zusammengeschraubt und befestigt daran seither von Demonstration zu Demonstration jeweils passend zum Thema auf Packpapier geschriebene Losungen. Die erste Losung vor der Volkskammerwahl im März 1990 richtete sich gegen eine schnelle Wiedervereinigung. Danach hat Dressel beispielsweise für eine Agrarwende, gegen Fremdenfeindlichkeit und für den Frieden protestiert – zuletzt beim Ostermarsch mit dem Spruch »Rüstungsingenieure als Quereinsteiger in die Schulen«.

Als junger Mann hatte Dressel eine Offizierslaufbahn eingeschlagen. Nach dem Ende der DDR schulte er zum Krankenpfleger um. Ihn erschütterte dann, in der Klinik zu sehen, wie schwer Wunden selbst nach einer sterilen Operation heilen. Er stellte sich vor, wie viel schlimmer es sein müsse bei einem Soldaten, der mit einer Schussverletzung im Dreck lag. »Da bin ich Pazifist geworden«, sagt Dressel. Ihn quält der Gedanke, dass jetzt junge Russen und Ukrainer verbluten. »Sie tun mir leid und ihre Mütter tun mir leid«, sagt der 63-Jährige.

Falsch finden die Demonstranten, dass jetzt Milliarden Euro für die Aufrüstung ausgegeben werden, die an anderer Stelle besser verwendet wären. Ein Jugendlicher im Trikot des Fußballvereins 1. FC Union Berlin erkundigt sich. »Wofür demonstriert ihr hier?«, will er wissen. »Dass die armen Schweine nicht für die Krise bezahlen müssen«, wird ihm geantwortet. »Das finde ich gut«, sagt der Jugendliche.

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