Prinzen im Sergeant-Pepper-Look

In der Berichterstattung über den Tod der Queen wurden die Verbrechen der britischen Monarchie ausgeblendet, meint Sheila Mysorekar

Seit die britische Königin gestorben ist, haben fast alle Medien in Deutschland auf Klatschpressenmodus geschaltet. Nicht nur »Bunte« und »Gala« beleuchten jedes noch so unwichtige Detail im Leben und Tod von Queen Elizabeth, sondern auch sogenannte Qualitätsmedien berichten ausufernd von Familienzwisten in Adelsdynastien und obskuren Begräbnistraditionen.

In respektvollen Rückblicken erfahren wir alles über das Leben der Queen und das britische Königshaus. Unschöne Kleinigkeiten wie die Freundschaft von Prinz Andrew zum pädophilen Geschäftsmann Brian Epstein verblassen hinter der massiven Berichterstattung über Titel, Schlösser und natürlich Klamotten. Wer ist Meghans Lieblingsdesigner? Trägt Kate geerbte Juwelen von Diana? »Rottweiler« Camilla: Reitstiefel stehen ihr am besten! Dazu Trillionen Fotos von Kate, Camilla und anderen Royals mit irgendwelchen bizarren Kopfbedeckungen, die man nur indirekt als Hüte identifizieren kann.

Ehrwürdige Medienhäuser räumen Platz für Modestrecken frei. Wobei niemand die offensichtliche Tatsache benennt, dass die Männer des Königshauses ihre roten Uniformen mit goldenen Tressen direkt aus der Kleiderkammer von Sergeant Pepper beziehen. Prinz William, Harry, John und Ringo.

Europaweit scheinen Menschen um eine gemeinsame Großmutter zu trauern. Eine Dauerschleife von Live-Berichterstattung über Banalitäten. Man gefällt sich in einer Art ironisch-nostalgischem Royalismus.

Völlig im Kontrast dazu reichen sich Menschen aus Ländern, welche die britische Kolonialgewalt erlitten haben, quer über die Kontinente medial die Hand. Am Tag nach dem Tod der Queen gab es Feier-Videos aus Irland mit hupenden Autokorsos; hämische Tweets aus der Karibik, wo sich die Länder nach und nach aus dem Commonwealth verabschieden; bittere Artikel aus Kenia mit Fotos vom Mau-Mau-Aufstand, der von den Briten blutig niedergeschlagen wurde – und zwar in den 1950er Jahren, als Elizabeth bereits Königin war.

In Europa werden die Königshäuser quasi als Reality Show betrachtet mit Hochzeiten, Skandalen und hübschen Schauspielerinnen. Menschen aus ehemals kolonisierten Ländern sehen dies mit anderen Augen. Das niederländische Königshaus in Indonesien, das spanische Königshaus in Lateinamerika oder das britische Königshaus in Indien, Irland, in der Karibik und in afrikanischen Ländern werden als Repräsentanten eines brutalen Ausbeutungssystems identifiziert – und das nicht nur auf einer symbolischen Ebene: Der europäische Adel hat direkt vom Sklavenhandel und Kolonialismus profitiert. Ein Kommentator des renommierten indischen Magazins »India Today« schrieb zum Tod der Queen: »Der größte Inbegriff von üblem Kolonialismus und Plünderung ist ohne ein einziges Wort des Bedauerns oder Wiedergutmachung verstorben.«

Von dieser Sichtweise erfahren wir wenig in deutschen Medien. Aber auch bei den Debatten um die Rückgabe von Benin-Bronzen und anderen geraubten Schätzen, die in europäischen Museen stehen, geht es nicht nur um Kunst. Es geht um die Aufarbeitung des Kolonialismus – und zwar um konkrete Maßnahmen: Rückgabe von Raubgut, Wiedergutmachung, Reparationen. Es geht um Gerechtigkeit. Und es geht um Geld.

Die Überschriften in deutschen Qualitätsmedien spiegeln hingegen eine unkritische Empire-Nostalgie: »Wer war Elizabeth Windsor wirklich?« – »König Charles III. Vom Jammerprinzen zum Hoffnungsträger« – »Live-Ticker: Auftritt von William, Harry, Kate und Meghan« – »Elizabeth die Große«.

Eine überraschende Ausnahme ist »Die Zeit« mit zwei Kommentaren, die sich mit der kolonialen Gewalt beschäftigen, die im Namen der Krone verübt wurde. Bezeichnenderweise wurden diese Kommentare von einer afrodeutschen beziehungsweise einer britisch-chilenischen Journalistin geschrieben. Es macht also einen Unterschied, wenn nicht-weiße Kolleg*innen in Redaktionen arbeiten oder zumindest – wie in diesen beiden Fällen – freie BPoC-Autorinnen (Black und People of Colour) eingeladen werden. Medien sollten uns das Fenster zur Welt öffnen, so etwa zu außereuropäischen Perspektiven. In der eigenen Soße schmoren wir schon genug.

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