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  • Kultur
  • Polizeieinsatz in Berlin

Unverhältnismäßige Polizeigewalt

Ein Video zeigt Polizeigewalt gegen eine syrische Familie. Die Gewerkschaft der Polizei relativiert den Fall

  • Julia Trippo
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Luft wird immer dünner für jene, die noch immer leugnen, Deutschland habe ein Problem mit (rassistischer) Polizeigewalt. So ist es gerade einmal einen Monat her, dass ein Polizist in Dortmund einen 16-Jährigen auf offener Straße erschoss. Und momentan gibt es schon den nächsten schockierenden Fall. Im Internet macht derzeit ein Video die Runde, das verstörende Szenen eines Polizeieinsatzes bei einer syrischen Familie in Berlin-Lichtenberg zeigt: Ein 30-jähriger Familienvater wird vor den Augen seiner schreienden Kinder zu Boden geworfen und an den Händen gefesselt, seine Frau weint und filmt. Das Video war von dem Linken-Abgeordneten Ferat Koçak in den sozialen Medien veröffentlicht worden. Über 120 000 Mal wurde das Video abgespielt, mehrere Tageszeitungen berichteten über den Polizeieinsatz.

Nicht nur der Umgang mit dem »Verdächtigen« ist äußerst aggressiv und rabiat, die Gewalt angesichts der Anklage (es soll sich um ein unbezahltes Bußgeld von 750 Euro handeln) völlig unangebracht. Auch gegenüber der filmenden Frau verhält sich ein Polizist rassistisch. »Das ist mein Land, und du bist hier Gast!«, schreit er. Zuvor hatte die Frau ihn gebeten, leise zu sein und das Schlafzimmer nicht zu betreten, weil dort die Kinder schliefen. Hier sei ihr Zuhause. Das wiederum triggerte den Beamten. »Ihr seid hier in unserem Land, ihr habt euch nach unseren Gesetzen zu verhalten«, brüllte er voller Unverständnis zurück.

Die Eheleute erstatteten später Anzeige wegen Körperverletzung des Mannes. Er gab darüber hinaus an, dass seine Frau während des Einsatzes von einer Dienstkraft der Polizei Berlin fremdenfeindlich beleidigt worden sei.

Der Streifenpolizist sei unmittelbar in den Innendienst versetzt worden, erklärte die Berliner Polizei am Mittwoch über Twitter. »Weitere dienstrechtliche Konsequenzen folgen.« Nach Informationen des »Tagesspiegel« soll der Beamte schon wegen vergangener Angelegenheiten von seinen Führungsaufgaben entbunden worden sein und musste wieder Streife fahren.

Mittlerweile hat sich in der Sache auch der Staatsschutz eingeschaltet. Im Internet werden im Rahmen der zugesicherten Ermittlungen Rufe nach Konsequenzen und Transparenz laut. Die Polizisten trugen keine Bodycam, ihr Fehlverhalten wäre nicht zu beweisen gewesen, wären sie nicht von jemand anderem gefilmt worden. Ohne die Veröffentlichung hätte es wohl keine Konsequenzen für die Polizei gegeben.

Hohe Wellen schlug die Reaktion von Benjamin Jendro von der Gewerkschaft der Polizei (GdP) auf den Vorfall. »Klar ist auch, dass geprüft werden sollte, wer die Aufnahmen gemacht und verbreitet hat und ob hier nicht auch gegen Persönlichkeitsrechte der Betroffenen verstoßen wurde«, sagte er dem »Tagesspiegel«. Gollaleh Ahmadi, Berliner Abgeordnete der Grünen, zeigte sich entsetzt auf Twitter: »Von der @GdPHauptstadt hätte ich eher eine Distanzierung erwartet und keine Relativierung des Vorfalls.« Auch der Polizist und Autor Oliver von Dobrowolski, der den Fall rege auf Twitter kommentiert, kritisiert, die Einordnungen der GdP sei nicht sachlich, sondern nahezu infam. »Was bezweckt eine Gewerkschaft damit? Es ist mir unbegreiflich.«

Auch setzte Dobrowolski die Worte des Gewerkschafters, eine Videosequenz zeige nie den kompletten Einsatz, in Kontext. Ein häufiges Argument von Personen, die gewalttätige Polizeieinsätze verteidigen, sei, dass bei kurzen Videosequenzen nicht klar sei, was vor dem Beginn der Aufnahme passiert sei, beispielsweise ob die Polizist*innen zuvor nicht angegriffen worden seien. Doch es gebe auch noch eine fünfeinhalbminütige Version des Videos, und »es soll auch zu ungerechtfertigter Gewalt gegen den Mann gekommen sein, der dann gefesselt wurde«.

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