- Wirtschaft und Umwelt
- Energiepolitik
Staat übernimmt Fass ohne Boden
Uniper soll demnächst zu 99 Prozent dem Bund gehören. Was aus dem Energiekonzern wird, bleibt unklar
Der deutsche Staat wird zum Betreiber mehrerer großer Kohle- und Gaskraftwerke in Russland. Das ist einer der skurrilen Nebenaspekte der weitgehenden Übernahme des deutschen Energiekonzerns Uniper durch den Bund. Dieser stockt seinen Anteil auf insgesamt 99 Prozent auf, wie Wirtschaftsminister Robert Habeck am Mittwoch verkündete. Das Unternehmen sei eine »zentrale Säule der deutschen Energieversorgung«.
Uniper war 2016 gegründet worden. In dieses Unternehmen packte der Energieriese Eon die meisten Geschäftsfelder, die im Rahmen der Energiewende langfristig keine Zukunft mehr haben. Eine Art Energie-Bad-Bank sozusagen. Zum Uniper-Imperium gehört eine Mehrheitsbeteiligung am Unternehmen Unipro, das zu den großen Stromversorgern in Russland zählt. Dieses meldete erst kürzlich einen deutlichen Anstieg der Erzeugung des Braunkohlekraftwerks Berjosowskaja in der sibirischen Region Krasnojarsk. Das Unipro-Gaskraftwerk Surgutskaya wiederum gehört zu den größten Anlagen seiner Art weltweit.
Dies verdeutlicht, dass sich Uniper auf das Geschäft mit fossilen Brennstoffen und hier speziell mit Russland-Bezug kapriziert hat, was zum existenzgefährdenden Problem geworden ist. In Deutschland fungiert man vor allem als Importeur des vom russischen Monopolisten Gazprom gelieferten Erdgases. Uniper war an Nord Stream 2 sogar beteiligt und hat dafür mittlerweile Milliardenbeträge abgeschrieben. Dass man quasi zum Fass ohne Boden geworden ist, hängt indes an den ausbleibenden Lieferungen aus Nord Stream 1: Da der deutsche Großhändler Lieferverträge mit rund 100 Stadtwerken hat, muss er das fehlende Erdgas anderswo teuer beschaffen. Auf dem Spotmarkt gibt es nur wenige Möglichkeiten, da der Gashandel großenteils über Langfristdeals läuft. Teilweise kaufen deutsche Importeure derzeit Tankerladungen mit Flüssigerdgas weg, das auf dem Weg zu Kunden in Asien ist.
Uniper leidet unter großen Liquiditätsschwierigkeiten – wegen der höheren Einkaufspreise und wegen der deutlich gestiegenen Sicherheiten, die jeder Großhändler an den Energiebörsen hinterlegen muss. Daher stützt die staatliche Förderbank KfW Uniper seit Monaten mit Krediten: Der bewilligte Finanzrahmen von neun Milliarden Euro wurde schon Ende August ausgeschöpft. Zudem stieg der Bund bereits Mitte Juli mit einem Anteil von 30 Prozent bei dem Unternehmen ein. Zwar wurde eine Aufstockung der Kredite um vier Milliarden Euro bewilligt, aber es war schnell klar, dass auch das nicht reichen würde. Der Grund: Gazprom liefert nicht einmal mehr kleinere Mengen via Nord Stream 1.
Nun soll ein neuerliches Stabilisierungspaket durch den Bund den wichtigsten Player im deutschen Großhandel für Erdgas retten. Dazu gehört eine weitgehende Verstaatlichung, die über eine Kapitalerhöhung von acht Milliarden Euro und die Übernahme des Aktienpakets des bisherigen finnischen Mehrheitsaktionärs Fortum für knapp 500 Millionen Euro umgesetzt werden soll. Auch hier wird die KfW-Bankengruppe dann die staatlichen Anteile halten. Der Energiekonzern Fortum, der mehrheitlich dem finnischen Staat gehört, zieht von dannen und beklagt Milliardenverluste aus dem Investment, aber immerhin werden seine früheren Hilfskredite für Uniper im Umfang von vier Milliarden Euro zurückgezahlt.
Die Umsetzung der Verstaatlichung wird etwa drei Monate dauern, wie das Wirtschaftsministerium mitteilte. Aus diesem Grund beharrt Minister Habeck auf der Einführung der umstrittenen Gasumlage für Verbraucher zum 1. Oktober und verspricht dafür »finanzverfassungsrechtliche Prüfungen«. Doch hier geht es spätestens mit der Uniper-Übernahme nicht mehr um juristische Fragen: Energieexperten wie Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung halten die Umlage jetzt für obsolet: »Sie sollte abgeschafft werden, da sonst praktisch doppelt bezahlt werden würde«, so die Ökonomin.
Bei Uniper waren rund 11 500 Mitarbeiter beschäftigt, rund ein Drittel davon in Deutschland. Bei Arbeitnehmervertretern stießen die Pläne für Uniper auf Zustimmung: »Die Übernahme durch den Bund ist notwendig, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, und sie ist im Sinne der Beschäftigten«, so die Gewerkschaft Verdi. Eine Insolvenz wäre ein »unkalkulierbares Risiko«. Der Betriebsratsvorsitzende Harald Seegatz erklärte, Uniper sei für die Energieversorgung systemrelevant und benötige dauerhafte Unterstützung. »Der Bund muss seine Beteiligung bei Uniper als langfristiges Engagement sehen.«
Bei Umweltschützern wird Letzteres genauso gesehen. Doch diese haben andere Vorstellungen, was dies für die Geschäftsstrategie bedeuten sollte: »Die fossile Energiewirtschaft geht in die Knie. Die staatliche Übernahme muss der Anfang vom Ende des fossilen Energiekonzerns Uniper sein«, sagte Olaf Bandt, Vorsitzender des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland. »Uniper muss sich von Kohle und Gas verabschieden und zu einem relevanten Akteur der Energiewende werden.«
Danach sieht es bisher nicht aus: So baut Uniper, gefördert vom Staat, im niedersächsischen Wilhelmshaven derzeit Deutschlands erstes Terminal für verflüssigtes Erdgas (LNG). Nach Unternehmensangaben soll das erste Schiff hier noch vor Ende des Jahres anlegen – zum Ärger von Umweltschützern, die eine mangelhafte Prüfung beklagen. Fossile Brennstoffe bleiben also auch unter staatlicher Ägide das zentrale Geschäftsfeld Unipers – mit oder ohne Russland.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.