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Putin eskaliert
Russland schießt Raketen auf ukrainische Städte, Kiew schwört Rache für die Angriffe
Dmitri Medwedews Drohung ließ Schlimmes befürchten. Am Sonntagabend machte der stellvertretende Vorsitzende des russischen Sicherheitsrats in einem Interview die Ukraine für den Anschlag auf die Krim-Brücke verantwortlich und bezeichnete die »Vernichtung der Terroristen« als einzig mögliche Antwort.
Nur einen Tag später bombardierte die russische Armee ukrainische Städte. Nach Angaben der ukrainischen Luftstreitkräfte schoss Russland mehr als 100 Raketen auf insgesamt 16 Städte ab, über die Hälfte davon soll die ukrainische Luftabwehr abgefangen haben. Landesweit kamen bei den Angriffen mindestens elf Menschen ums Leben, Dutzende wurden verletzt. Erstmals seit Monaten schlugen auch in der Hauptstadt Kiew und im Westen des Landes wieder Raketen ein. Nach Angaben der Republik Moldau verletzten russische Raketen, die im Schwarzen Meer abgeschossen wurden, den Luftraum des Landes. Die Regierung berief deswegen den russischen Botschafter ein.
Russlands massiver Raketenangriff galt in erster Linie der ukrainischen Infrastruktur. Premierminister Denys Schmyhal sprach von elf wichtigen Objekten, die am Montag beschädigt worden seien, darunter mehrere Wärmekraftwerke. In Kiew schlugen zudem rund um den Sitz des Geheimdienstes SBU Geschosse ein. Russland macht den SBU für den Anschlag auf die Krim-Brücke verantwortlich. Moskau zeigte sich nach den Angriffen am Morgen zufrieden. »Das Ziel des Schlags wurde erreicht. Alle festgelegten Objekte wurden getroffen«, schrieb das Verteidigungsministerium in einer Mitteilung. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow bezeichnete die Raketenschläge als Teil der russischen Kriegsführung. »Das alles geschieht im Rahmen der militärischen Spezialoperation«, so Peskow zur Nachrichtenagentur Interfax. Bereits am Wochenende hatte die russische Armee vor allem die nah an der Frontlinie gelegene Großstadt Saporischschja mehrfach beschossen. Bei einer Sitzung des Sicherheitsrats drohte Präsident Wladimir Putin jetzt mit noch härterem Vorgehen. »Für den Fall einer Fortsetzung der Versuche, auf unserem Gebiet Terroranschläge auszuführen, werden die Antworten von russischer Seite hart ausfallen – und in ihrem Ausmaß dem Niveau der Bedrohung für die Russische Föderation entsprechen«, sagte Putin. »Daran sollte niemand irgendwelche Zweifel haben.«
Die ukrainische Regierung nannte Russlands Angriff »barbarisch und feige« und schwor noch am Montag Rache. »Sie haben zwei Ziele: Energieobjekte im ganzen Land. Sie wollen Panik und Chaos verursachen und unser Energiesystem zerstören. Das zweite Ziel sind Menschen«, sagte Selenskyj am Mittag in einer Ansprache. Bei einem Telefonat mit Selenskyj sicherte Bundeskanzler Olaf Scholz der Ukraine die Solidarität der G7-Staaten zu. Wie auch der ukrainische Präsident sprach Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht vom Terror gegen die Zivilbevölkerung und versprach, in den nächsten Tagen Flugabwehrsysteme zu liefern.
Auch internationale Militärexperten glauben, Russland habe zivile Objekte bewusst ausgewählt. Auf Twitter schrieb der australische Ex-Generalmajor Mick Ryan, Russland werde auf dem Schlachtfeld immer wieder geschlagen und kenne deshalb als Antwort ausschließlich den Angriff auf die Zivilbevölkerung. Kirill Michailow vom Conflict Intelligence Team glaubt, dass Moskau mit den Raketen im Kiewer Stadtzentrum beweisen wolle, dass man auch das Machtzentrum aungreifen könne. Rob Lee vom US-amerikanischen Thinktank Foreign Policy Research Institute meint hingegen, dass der Kreml mit dem Beschuss eher ein Signal nach innen senden wollte. Dafür sprechen seiner Meinung nach die Verwendung von mittlerweile knapp gewordenen Raketen und die symbolischen Ziele.
Unterdessen wächst die Sorge über eine Ausweitung des Kriegs. In Minsk warf Staatschef Alexander Lukaschenko Kiew bei einem Treffen mit Militärvertretern vor, an einem »Krim-Brücke-Szenario« zu arbeiten und so Belarus anzugreifen. Er habe dem ukrainischen Präsidenten die Nachricht zukommen lassen, er solle »seine dreckigen Hände von jedem Meter belarussischen Gebiets« lassen, sagte Lukaschenko. Zugleich beschuldigte er die Nato-Nachbarländer Polen und Litauen, » Radikale« für Anschläge in Belarus auszubilden. Zur Stärkung der Westgrenze werde deshalb seit einigen Tagen eine gemeinsame belarussisch-russische Armeeeinheit aufgestellt. Seinen Generälen befahl er, die russischen Soldaten unterzubringen, ohne zu sagen, wie viele es werden. Mehr als 1000 seien es aber auf jeden Fall, so Lukaschenko. In einer Videobotschaft sagte Verteidigungsminister Wiktor Chrenin, dass Belarus nicht kämpfen wolle. Alles, was man tue, sei zur Verteidigung. Belarus war im Frühjahr Aufmarschgebiet russischer Truppen und liefert Material nach Russland. Am Wochenende wurde ein Zug mit zwölf T-72-Panzern im ostbelarussischen Orscha gesichtet, der Richtung Rostow am Don und damit der ukrainischen Grenze unterwegs sein soll.
Auf Telegram warnte Medwedew derweil vor weiteren Raketenangriffen. Die Attacken von Montagfrüh seien die »erste Episode« gewesen, der noch weitere folgen sollen. Auch die Ukraine bereitete sich auf weitere Schläge vor. Nachdem am Mittag der Luftalarm im ganzen Land aufgehoben worden war, ertönten am Nachmittag in Kiew wieder die Sirenen. Russische Schiffe hätten neue Waffen geladen und würden wieder ins Schwarze Meer aufbrechen, auch die Luftwaffe würde Angriffe planen, sagte der Gouverneur des südukrainischen Gebietes Mykolajiw, Witalij Kim, am späten Nachmittag. Die Menschen sollten sich in Sicherheit bringen und so wenig Energie wie möglich verbrauchen, so Kim.
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