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Zittern vor dem Hopfen

Die Deutsche Biertrinkerinnen Union tritt mit einer Kandidatin zur Rostocker Oberbürgermeisterwahl an

Lässig, aber voller Leidenschaft für die Verwirklichung ihrer politischen Ziele: Rebecca Thoß im Wahlwerbespot der DBU.
Lässig, aber voller Leidenschaft für die Verwirklichung ihrer politischen Ziele: Rebecca Thoß im Wahlwerbespot der DBU.

Ich melde mich telefonisch bei der Deutschen Biertrinkerinnen Union (DBU) und spreche direkt mit Rebecca Thoß, die im Parteiumfeld nur bei ihrem Nachnamen genannt wird. Thoß ist eine von 17 Kandidatinnen und Kandidaten, die um das Amt des Oberbürgermeisters der Hansestadt Rostock am 13. November konkurrieren.

Ich habe das Parteiprogramm der DBU aufmerksam bei einem Bierchen studiert und weiß also, es geht den Kadern um nicht weniger als die Errichtung des »goldenen Biermatriarchats«. Was das eigentlich sein soll, will ich von Thoß erfahren. Es gehe ihr um das solidarische, friedliche und schwesterliche Trinken. Die Utopie des goldenen Biermatriarchats sei in Rostock schon heute Realität für viele Biertrinkerinnen. Um ihr Ziel zu erreichen, treten sie für die Einführung einer 0,2-Promille-Obergrenze für Männer ein. Das ist mit Sicherheit nicht für alle Wähler eine populäre Forderung, meine ich und frage Thoß, wie aussichtsreich ihr ein Wahlsieg erscheint. Die Kandidatin neigt zum Realismus und führt aus, dass Biertrinkerinnen auch mal verschlafen könnten und ein Sieg sich vielleicht erst im zweiten Wahlgang ergebe.

Ich will es ihr nicht zu einfach machen und konfrontiere sie damit, dass das Rostocker Bier, mit dem sich die DBU verbunden fühlt, geschmacklich dem ebenfalls im hohen Norden gebrauten Lübzer Pils weit unterlegen sei. Mit der Routine eines Medienprofis wiegelt Thoß ab. Bier sei Bier, und überhaupt lasse sie sich nicht in spalterische Bierdiskussionen reinziehen. Keine Biersorte werde ausgeschlossen, aber sie stehe nun mal auch für einen regionalen Ansatz. Erst als ich sie auf die kulturelle Rolle des Rotweins anspreche, wird sie ungehalten. Sie wisse gar nicht, was das sein solle. Von einem Rotweinmatriarchat habe sie noch nie etwas gehört.

Die Idee zur Gründung der DBU kommt nicht von ungefähr. Bereits 1990 formierte sich unter demselben Kürzel in Rostock eine Spaßpartei: die Deutsche Biertrinker Union – allerdings im schnöden generischen Maskulinum. Die Berliner Theatergruppe Glanz & Krawall hat dieses fast vergessene Kurzkapitel der jüngsten Geschichte erneut aufgeschlagen und gemeinsam mit dem Volkstheater Rostock einen Performancereigen im öffentlichen Raum eröffnet. An zehn Tagen im September wurden unter dem Titel »Deutsche Biertrinkerinnen Union« verschiedene städtische Orte – vom Peter-Weiss-Haus über den Theatervorplatz bis zum Jugendalternativzentrum – bespielt. Und so hätte am 11. September die theatrale Wiedergeburt einer verweiblichten DBU schon wieder ihr Ende finden sollen.

Immer dann, wenn Theater sich nicht in den engen Raum des Bühnenportals zwängen lässt und wenn nicht bis zum fünften Akt alle tot umgefallen sind, um dann mit dem Schlussapplaus das Kunstwerk für abgeschlossen zu erklären, besteht die Gefahr, dass die Kunst zu wuchern beginnt. Dann lässt sich plötzlich nicht mehr sagen, wo das Schauspiel endet und die Realität anfängt. Das Schauspiel generiert mitunter frech seine eigene Wirklichkeit. Und so hat Rebecca Thoß, von Beruf Schauspielerin und bereits mehrfach als Gast am Volkstheater zu sehen gewesen, ihre Kandidatur zur Oberbürgermeisterwahl bekannt gegeben. Natürlich heißt die Partei, die hinter der Frau steht, DBU.

Interessant werden solche Spektakel nur dann, wenn sie auch ausreichend ernst genommen werden. Die Rostocker Öffentlichkeit tut der Kunst diesen Gefallen. Wählt sich Rostock bald also eine Hopfenprinzessin zur Regentin? Selbstverständlich nicht. Der Stimmenanteil für Rebecca Thoß wird im üblichen Rahmen dessen sein, was eine Spaßpartei sich erhoffen kann – nicht groß. Trotzdem rumort es im Politbetrieb, da wäre eine auf Stimmenfang. Das wäre durchaus lustig, würden solche Empfindlichkeiten nicht die geschlossenen Augen vor den tatsächlichen Problemen offenbar machen. Denn nicht der politische Kampf für das Biermatriarchat, irgendwo zwischen Performance und Politsatire angesiedelt, sollte die größte Sorge sein. An der Stichwahl um das Amt des Stadtoberhaupts 2019 haben sich 44,1 Prozent der Wahlberechtigten beteiligt, eine fragile Basis zum Regieren. Und die tatsächlich bedenkliche Konkurrenz für das Establishment sind die Kandidaten, die sogar noch rechts von dem parteilosen Polizisten Michael Ebert stehen, der von FDP und CDU unterstützt wird.

Auch die lokale Presse ergeht sich in Missverständnissen. Da die DBU als gemeinsames Projekt von Glanz & Krawall und dem Volkstheater, das aus kommunalen Mitteln finanziert wird, begonnen hat, ließe sich daraus auch eine unzulässige Wahlkampfunterstützung ableiten. Man kommt nicht umhin, sich zu fragen, ob es sich auch bei so hanebüchenen Konstruktionen ebenfalls um Satire handeln soll. Gewiss werden sich diejenigen freuen, die, sind sie erst in Amt und Würden, die städtische Kultur mit ihrer Sparpolitik bedenken werden.

In der Stadt, in der vor 30 Jahren noch ein Lynchmob ein Pogrom veranstalten konnte, ist es kein Frevel, die Politik mit künstlerischen Mitteln anzutasten. Der Ästhetisierung der Politik, wie sie die Faschisten betrieben haben, müsse die Politisierung der Ästhetik entgegengesetzt werden, wissen wir seit Walter Benjamin.

Auf meine Frage, was ihre erste Amtshandlung wäre, wenn sie die Wählermehrheit hinter sich vereinen könnte, antwortet mir Rebecca Thoß, dass sie zunächst eine Flasche Bier aufmachen würde. Sie weiß, was sie will. Und das ist, scheint mir, bereits viel. Zum Wohl!

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