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Dauerhaft öffentlich finanzieren
Die Nachfrage wächst: Medizin und Sozialarbeit in benachteiligten Kiezen verbinden
Große Veränderungen im Gesundheitswesen deuten sich an: Das System der Fallpauschalen soll auf den Prüfstand, medizinische Leistungen sollen häufiger ambulant erbracht werden. Welche Position ist dabei Ärzten zugedacht? Und wo können sie an Weichenstellungen mitwirken? Fragen zum Systemwechsel in der ambulanten Versorgung stellte sich ein gesundheitspolitisches Forum der Vereine demokratischer Ärztinnen und Ärzte (VdÄÄ) sowie Solidarisches Gesundheitswesen e.V., das am Sonnabend in Berlin stattfand.
Die ambulante Regelversorgung basiert aktuell auf niedergelassenen Haus- und Fachärzten. Diese arbeiten überwiegend in Einzelpraxen, auch wenn gleichzeitig Gemeinschaftspraxen und medizinische Versorgungszentren existieren. Außerdem gibt es lokal etliche Versuche, etwas ganz anderes zu versuchen: Zentren, in denen sich soziale Beratung und ärztliche Grundversorgung unter einem Dach finden. Ein Beispiel ist Bremen, wo aktuell ein Bündnis aus SPD, Grünen und Linken regiert. Positive Schlagzeilen macht der Stadtstaat bundesweit auch mit den höchsten Impfquoten gegen Covid-19.
Seit 2019 ist Claudia Bernhard in der Freien Hansestadt Senatorin für Gesundheit, Verbraucherschutz und Frauen. In dieser Funktion unterstützt sie Gesundheitszentren in benachteiligten Wohnvierteln. Auf der Berliner Veranstaltung berichtete Bernhard von den Herausforderungen, einen Gesundheitstreff als stabiles Angebot im ehemaligen Arbeiterbezirk Gröpelingen zu verankern. Ansätze dafür gab es im Stadtteil schon länger. Aber wie wird das nachhaltig über die Dauer einer Legislatur hinaus? Das fragt sich auch Bernhard, die politisch aus autonomen Zusammenhängen kommt. »Im Trägerverein gibt es schon Widersprüche: Auf der einen Seite Professionelle, auf der anderen Seite Menschen aus der Basisarbeit. Die Verständigung war nicht so einfach.« Die Politikerin deutet an, dass es Zeit kostet, alle angemessen zu beteiligen.
Hinzu kommen Probleme wie das Finden geeigneter Immobilien oder der Kontakt zu den niedergelassenen Ärzten. Immerhin gibt es in Bremen einen Haushaltstitel für Gesundheitszentren, in dem auch die Finanzierung von zwölf Gesundheitsfachkräften bis Ende 2023 vorgesehen ist. Das Stichwort Anschubfinanzierung spielt in der Berliner Diskussion eine wichtige Rolle: Denn im engeren Sinne reicht diese für solche Projekte nicht. Auf den Punkt bringt das Patricia Hänel. Die Ärztin ist am Gesundheitskollektiv Berlin beteiligt: »Tatsächlich geht es um eine dauerhafte Finanzierung durch die öffentliche Hand.«
Ein offenes Problem ist, wie Arztpraxis und Sozialberatung unter ein Dach gebracht werden und gut kooperieren können. Dabei ist nicht um die jeweilige kassenärztliche Vereinigung (KV) herumzukommen. Sie sorgt für die Abrechnung der Niedergelassenen mit den Krankenkassen. Außerdem entscheidet der KV-Zulassungsausschuss über die Verteilung der Arztsitze. Für das Berliner Gesundheitskollektiv konnte etwa der Kinderarztsitz per Sonderbedarfszulassung gewonnen werden, weil der Bezirk mit Pädiatern unterversorgt ist. Der Hausarztsitz wurde auf dem freien Markt erworben. So können niedergelassene Ärzte ihren Sitz verkaufen, etwa wenn sie in Rente gehen. Hänel zum Beispiel nahm den Kredit für die Finanzierung privat auf.
Eine weitere Frage sei, wie die Fallbesprechungen an der Grenze zwischen sozialer und medizinischer Arbeit finanziert werden können. Bei den einen fällt das in die bezahlte Arbeitszeit, bei den Ärzten noch in die Freizeit. Im Interesse von vielen Folgeprojekten – in Berlin sind sechs weitere Einrichtungen in den Bezirken geplant – sollten hier bessere Lösungen gefunden werden.
Für engagierte Ärzte und Aktive an der Basis ist es wichtig zu wissen, welche rechtlichen Grundlagen für solche Projekte existieren. Eine einheitliche Blaupause gibt es nicht, erläutert Matthias Gruhl, unter anderem Facharzt für den Öffentlichen Gesundheitsdienst und ehemaliger Staatsrat der Hamburger Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz. In der Praxis gibt es verschiedene Modelle: Zu einem integrierten Gesundheitszentrum können sogar stationäre Betten gehören. Andere Einrichtungen haben sich nach sozial engagierter Anfangszeit eher in profane Ärztehäuser verwandelt. Es gibt auch das Modell, einen Schwerpunkt bei der Pflege zu setzen und Ärzte ganz herauszulassen.
»Das Spektrum reicht von der gemeinsamen Nutzung einer Immobilie bis hin zum Engagement in der Kommunalpolitik«, erklärt Gruhl. Der Mediziner im Ruhestand empfiehlt, die neue Versorgungsform dort einzuführen, wo die kassenärztlichen Vereinigungen ihren Versorgungsauftrag nur schlecht erfüllen. Es reiche aber nicht aus, dort nur einen Hausarzt »hinzupflanzen«: Besser sei der integrierte Ansatz, unter anderem mit Gesundheitsfachkräften und idealerweise mehreren Hausärzten.
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