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Der Staat hilft VNG beim kalten Entzug

Der Bund steigt beim ostdeutschen Gashändler nicht ein, hilft aber mit vielen Millionen

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 4 Min.

Beim ostdeutschen Gaskonzern VNG findet ein eigentlich fälliges Fest nicht statt, aber auch kein Begräbnis. Das Unternehmen, das aus einem DDR-Betrieb hervorging, hätte demnächst eine 50-jährige Geschäftsbeziehung mit der Sowjetunion und später mit Russland feiern können: Im Februar 1973 wurde von dort das erste Erdgas bezogen. Dieses Jubiläum fällt aus. Im Februar 2022 überfiel Russland die Ukraine, und im August drehte der russische Lieferant Gazprom den Hahn zu. Für VNG kam das einer Art kaltem Entzug gleich, der wie bei Drogenabhängigen mit großen Schmerzen verbunden ist. Der Konzern muss sein Erdgas nun aus anderen Quellen beziehen, zahlt dafür drastisch höhere Preise und geriet angesichts der Belastungen ins Wanken. Im September beantragte das in Leipzig ansässige Unternehmen, das zu den umsatzstärksten in Ostdeutschland gehört und bei dem fast 1500 Menschen arbeiten, Hilfe vom Staat. Auch ein Einstieg des Bundes stand zeitweilig im Raum.

Anderthalb Monate später steht nun ein Rettungspaket, das eine dicke Finanzspritze der öffentlichen Hand vorsieht, aber keine staatliche Beteiligung. Der Bund hat nach Angaben von VNG einen »mittleren dreistelligen Millionenbetrag« zugesichert, um dem Unternehmen bei den stark gestiegenen Aufwendungen zur »Sicherung der Versorgungssicherheit« zu helfen. Damit seien »wesentliche Schritte zur Stabilisierung des VNG-Konzerns gelungen«, sagte Vorstandsvorsitzender Ulf Heitmüller. Darüber hinausgehende Verluste werde VNG »aus eigener Kraft … tragen«. Der Antrag auf Stabilisierungsmaßnahmen sei daher zurückgezogen worden.

Konkret weggebrochen sind dem Konzern, der laut der im April vorgelegten Bilanz im vorigen Jahr insgesamt 762 Terawattstunden (TWh) Gas abgesetzt hatte, Lieferungen aus zwei Verträgen über 65 beziehungsweise 35 TWh. Der größere bestand mit der WIEH GmbH, einer Tochter der früheren Gazprom Germania GmbH, die seit Juni unter treuhänderischer Verwaltung der Bundesnetzagentur steht und seither unter dem Namen SEFE (Securing Energy for Europe) firmiert. Einem im Oktober geschlossenen Vergleich zufolge werden die Mehrkosten für die Ersatzbeschaffung von Erdgas in diesem Fall vom Lieferanten getragen.

Der kleinere Vertrag wurde mit dem Unternehmen GPE geschlossen, einer weiteren Gazprom-Tochter. Auch dort gibt es seit August einen Lieferstopp. Die Mehraufwendungen, die für die Kompensation der Ausfälle nötig werden, trägt der Bund nun über die zugesagte Millionenspritze zumindest teilweise mit. Wie viel zusätzliches Geld insgesamt berappt werden muss, ist unklar. VNG hatte aber schon im September, als man das Hilfeersuchen in Berlin einreichte, von zusätzlichen Kosten in hoher dreistelliger Millionenhöhe gesprochen. Kein Unternehmen, hieß es damals, könne »einen solchen Kapitalabfluss auf Dauer durchhalten.«

Mit der Zusage des Bundes sieht sich VNG nun gerettet; man erwarte eine »stabile Vermögens- und Finanzsituation«, sagte Heitmüller. Gleichwohl wird 2022 für die Anteilseigner, zu denen auch etliche Ost-Kommunen gehören, ein eher bitteres Jahr. Für sie ist die Beteiligung an VNG eigentlich stets ein lukratives Engagement gewesen. In dem als »sehr erfolgreich« beurteilten Geschäftsjahr 2021, in dem der Konzern seinen Umsatz auf 18,5 Milliarden Euro nahezu verdoppelte, wurden 141 Millionen Euro Gewinn erzielt; im Jahr davor waren es 46 Millionen gewesen. Damals waren 20 Millionen Euro als Dividende ausgeschüttet worden, 2018 sogar 40 Millionen. Größter Nutznießer ist die Energie Baden-Württemberg (EnBW), der 74 Prozent der VNG-Anteile gehören. Ein willkommener Geldregen floss aber auch in die Stadtkassen von Leipzig, Dresden, Chemnitz, Wittenberg, Rostock, Hoyerswerda, Neubrandenburg und Annaberg-Buchholz. Die acht ostdeutschen Städte halten über eine Beteiligungsgesellschaft zusammen knapp 22 Prozent. In diesem Jahr dürfte die Beteiligung zum Zuschussgeschäft werden: In der VNG-Erklärung wird wiederholt betont, dass auflaufende Verluste, die über die Hilfen des Bundes hinausgehen, »gemeinsam mit den Anteilseignern« getragen würden. Angaben dazu, welche Kosten auf die Kommunen zukommen, machte VNG auf Nachfrage nicht.

Mit dem jetzt geschnürten Rettungspaket seien die »unmittelbaren Auswirkungen der russischen Lieferausfälle … überwunden«, erklärt das Unternehmen. Die beiden Verträge über zusammen 100 TWh werden jeweils zum 1. Januar 2023 beendet. Man werde nun die Bemühungen zur »Diversifizierung der Gasbezüge« noch weiter verstärken und die Transformation hin zu »grünen Gasen« vorantreiben. Politiker wie der sächsische Energieminister Wolfram Günther (Grüne) zeigten sich erleichtert. Er betonte, VNG sei »systemrelevant«; von den Lieferungen des Konzerns hingen Hunderte Stadtwerke und Industriekunden ab.

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