Studium ohne Gott

Zoff um Zuschuss an die Humanistische Hochschule für die Sozialarbeiterausbildung

  • Marten Brehmer
  • Lesedauer: 5 Min.

Auch unter Sozialarbeitern herrscht Fachkräftemangel: 1000 Absolventen würden in den Jugendämtern und anderen staatlichen Einrichtungen jährlich gebraucht, rechnet Wissenschaftssenatorin Ulrike Gote (Grüne) im Wissenschaftsausschuss im Abgeordnetenhaus vor. An den Berliner Hochschulen gibt es jährlich etwa 1200 Absolventen. Eigentlich ist die Quote also übererfüllt, aber der Bedarf von freien Trägern und Schulen ist in der Rechnung nicht enthalten. Zudem gibt es in dem Bereich einen großen Schwund. Nur die wenigsten Sozialarbeiter machen den Job bis zur Rente. In der Summe liegt der Ausbildungsbedarf also deutlich höher.

Berlin braucht daher dringend mehr Studienplätze im Bereich der Sozialen Arbeit. Trotzdem hängt eine Institution, die schon solche bieten könnte, in einer finanziellen Schwebe: Die erst seit November vollständig anerkannte, neu gegründete private Humanistische Hochschule Berlin (HHB) will neben Lehramtsstudiengängen für das Fach Humanistische Lebenskunde auch Studiengänge im Bereich Soziale Arbeit anbieten. Die Finanzierung hat das Abgeordnetenhaus bereits beschlossen – doch ob das Geld einfach so ausgezahlt werden kann, ist ebenso umstritten wie die langfristige Finanzierung der neuen Hochschule.

Der Streit überschattet die Sitzung des Wissenschaftssausschusses im Abgeordnetenhaus am Montag, der sich eigentlich mit den Perspektiven dualer Studiengänge in der Sozialen Arbeit beschäftigen wollte. Julian Nida-Rümelin, Rektor der HHB, fordert bereits in seinem Eingangsstatement: »Die Humanistische Hochschule sollte den konfessionellen Angeboten gleichgestellt werden.« Die Evangelische und die Katholische Hochschule bilden etwa 300 der jährlich 1200 Absolventen aus. Das Land trägt einen Großteil der Kosten – obwohl private Hochschulen eigentlich von staatlicher Förderung ausgeschlossen sind.

Ermöglicht wird die Ausnahme durch einen Paragrafen im Hochschulgesetz, der die konfessionellen Hochschulen als Körperschaften des öffentlichen Rechts definiert. »Wir machen ja auch keine evangelische oder katholische Sozialarbeit, sondern einfach nur Soziale Arbeit«, sagt Andreas Flegl, Kanzler der Evangelischen Hochschule, im Ausschuss. Auch Abgeordnete, die dem Einfluss der Kirchen kritisch gegenüberstehen, müssen anerkennen, dass es ohne die Absolventen der konfessionellen Hochschulen nicht geht.

Die Privilegien der konfessionellen Hochschulen wecken aber auch Begehrlichkeiten bei den Humanisten. »Als Weltanschauungsgemeinschaft sind wir den Kirchen gleichgestellt und übernehmen ähnliche Aufgaben«, sagt Alexander Bischkopf, Prorektor für Weltanschauung an der HHB, zu »nd«. Es sei nicht mit dem Neutralitätsgebot vereinbar, dass nur die konfessionellen Hochschulen staatliche Förderung erhielten. »Für die Bildungslandschaft Berlins wäre es in jedem Fall ein Gewinn, wenn die Vielfalt der Weltanschauungen in der Stadt auch bei den Hochschulen abgebildet wird«, sagt er.

Diese Haltung findet zumindest bei den Koalitionsfraktionen Rückhalt. »Wir unterstützen die Humanistische Hochschule und wollen sie auf den Weg bringen«, sagt Tobias Schulze, der wissenschaftspolitische Sprecher der Linksfraktion, zu »nd«. Das Abgeordnetenhaus hat daher zunächst 1,6 Millionen Euro Förderung für den dualen Studiengang Soziale Arbeit bereitgestellt. Im Nachgang der Entscheidung sind aber im Senat Zweifel aufgekommen, ob die Mittel rechtssicher ausgezahlt werden können. Andere Hochschulen unter freier oder privater Trägerschaft könnten wettbewerbsrechtliche Klagen anstreben, weil sie weiter von der Förderung ausgeschlossen bleiben, so die Befürchtung.

Die Finanzierung bleibt so zunächst unsicher. »Wir gehen davon aus, dass das Geld dem beschlossenen Haushalt gemäß ausgezahlt wird«, sagt Bischkopf. Man bereite sich aktuell bereits darauf vor, Professuren zu berufen und andere Stellen zu besetzen. Auch Linke-Politiker Schulze hofft auf eine schnelle Lösung.

Größer und schwerwiegender sind jedoch die Zweifel, ob die von der HHB angestrebte umfassende Gleichbehandlung mit den konfessionellen Hochschulen möglich ist. Ein Gutachten, das die Senatskulturverwaltung in Auftrag gegeben hatte, kommt zu dem Schluss, dass das Hochschulgesetz nicht jeder Weltanschauungsgemeinschaft eine Hochschule zugesteht, sondern sich explizit nur auf die Evangelische und die Katholische Hochschule bezieht. Ein automatischer Anspruch auf Gleichbehandlung bestehe nicht. Auch innerhalb der Koalition ist umstritten, ob eine daher notwendige Gesetzesänderung angestrebt werden soll.

»Der Humanistische Verband ist eine anerkannte Körperschaft des öffentlichen Rechts«, sagt Bischkopf. »Es gibt ja gute Gründe, warum wir diesen Status haben.« Die Humanisten verfügten über ein vergleichbares Angebot wie konfessionelle Einrichtungen und sollten daher auch im Hochschulbereich gleichgestellt sein. Ein vom Verband in Auftrag gegebenes Gutachten bestätige diese Haltung. Auch das Argument, dass die Kirchen wegen ihrer Nähe zu Trägern wie der Diakonie bessere Studienbedingungen anbieten könnten, ist für die Humanisten unverständlich. »Wir haben über 60 verschiedenste Einrichtungen in Berlin und Brandenburg«, sagt Anja Krüger-Chan, Geschäftsführerin der HHB. Dazu gehörten Hospize und Kindertagesstätten. »Das ist für den Studiengang Soziale Arbeit natürlich nutzbar«, sagt sie mit Blick auf die Praxisverknüpfung im Studium.

Im Wissenschaftsausschuss treffen die Positionen aufeinander. »Jeder Euro, der bei der Humanistischen Hochschule investiert wird, fehlt bei anderen«, sagt der forschungspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Adrian Grasse. Er argumentiert, dass es effizienter gewesen wäre, bestehende Ausbildungsstätten für Sozialarbeit zu unterstützen, statt eine neue aufzubauen. Nida-Rümelin hält dem entgegen, dass die HHB die Hochschullandschaft ergänze. »Bei uns steht die Autorschaft des Individuums im Mittelpunkt«, sagt er. Die HHB wolle im Sozialarbeitsstudium vermitteln, die individuelle Entfaltung in den Fokus zu stellen und den Menschen als Teil von Netzwerkbeziehungen zu begreifen. Dieser Ansatz sei einzigartig und nicht an anderen Hochschulen vertreten. Die Förderung für den Studiengang an der HHB sei auch eher klein, weil der Verband viel aus eigenen Mitteln stemme, sagt auch Linke-Politiker Tobias Schulze im Anschluss an die Sitzung.

Eine Lösung konnte am Montag nicht gefunden werden. Wissenschaftsstaatssekretärin Armaghan Naghipour (parteilos, für Grüne) verweist darauf, dass aktuell noch Gespräche geführt würden. Sie berichtet, dass es ein zweites Gutachten geben solle, um sowohl die Frage nach der Rechtsmäßigkeit des Zuschusses als auch der Gleichstellung zu klären. Zudem prüfe die Wissenschaftsverwaltung noch hochschulbezogene Auflagen für den Studiengang. Die Humanisten sind trotzdem zuversichtlich, im nächsten Jahr den Studienbetrieb starten zu können. »Wir gehen davon aus, dass alles klappt«, sagt Anja Krüger-Chan.

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