• Politik
  • Nachruf auf Matthias Kramer

Unermüdlicher Kämpfer

Nachruf auf DDR-Oppositionellen und linken Aktivisten Matthias Kramer

  • Peter Nowak
  • Lesedauer: 3 Min.

Er war nicht prominent, stand nicht im Rampenlicht – doch in der außerparlamentarischen Linken, zumindest der Ostdeutschlands, kannten ihn viele. Und viele werden ihn vermissen: Matthias Kramer, von dessen Tod seine Freunde kurz vor Weihnachten erfuhren und der sich schon in der DDR politisch für grundlegende Reformen engagierte.

»Wir geben hiermit in tiefer Trauer bekannt, dass unser Freund, Genosse und Weggefährte Matthias Kramer unerwartet und viel zu früh verstorben ist«, teilten mehrere linke Gruppen aus Magdeburg und Umgebung, aber auch das »Netzwerk Freiheit für alle politischen Gefangenen« dieser Tage mit. »Er war kein Mensch, der in der ersten Reihe stand und der irgendwelche Posten haben wollte«, sagt ein Freund, der Kramer schon 1989 in der Vereinigten Linken (VL) kennenlernte. In der Sammlungsbewegung linker DDR-Oppositioneller bemühte sich Kramer, vor allem Arbeiter*innen für den Kampf um eine andere, basisdemokratische DDR zu gewinnen.

Der heute weitgehend vergessene »Tag der Werktätigen«, zu dem die VL am 19. Januar 1990 nach Leipzig eingeladen hatte, war ein wichtiges Datum für Kramer. Ziel der VL war eine antiautoritäre DDR, deren Basis von den Werktätigen selbst verwaltete Betriebe sein sollten. Sie sollten so zu echtem Volkseigentum werden. Die Linksoppositionellen hofften damals, den Zug in Richtung Wiedervereinigung noch bremsen und die DDR erhalten zu können. Allerdings wurde jener 19. Januar für die Initiator*innen und damit auch für Kramer eine große Enttäuschung. Nur wenige Arbeiter*innen waren nach Leipzig gekommen. Einige der geplanten Gesprächskreise mussten wegen geringer Beteiligung ausfallen.

Doch Kramer gab nicht auf. In den 90er Jahren engagierte er sich zunächst in der Berliner Hausbesetzer*innenbewegung. Später unterstützte er linke Basisbewegungen in Sachsen-Anhalt. So baute er Mitte der 90er Jahre einen linken Infoladen in Aschersleben auf, der für einige Jahre zu einem Treffpunkt für nichtrechte Jugendliche wurde. Auch in Halberstadt engagierte er sich in antifaschistischen Gruppen und im autonomen Zentrum Rote Zora.

Zentrales politisches Anliegen wurde für ihn im Laufe der Jahre die Solidarität mit den Geflüchteten in der damaligen Zentralen Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbewerber*innen für Sachsen-Anhalt (Zast) in Halberstadt. »Dabei war es Kramer wichtig, Kontakt mit den Geflüchteten aufzunehmen, die sich damals gegen ihre schlechten Lebensumstände wehrten«, betonen seine Genoss*innen. Für die aktuell in vielen linken Zusammenhängen geführten Debatten über das Verhältnis von Klassen- und Identitätspolitik hätte Kramer wenig Verständnis. Für ihn gehörte der Kampf der Geflüchteten und die Unterstützung von Erwerbslosen- und Arbeitskämpfen zusammen.

In den letzten 15 Jahren war Kramer nach Aussage seiner Genoss*innen aktiver Mitstreiter »so gut wie aller antiimperialistischen, antifaschistischen, antirassistischen und sozialrevolutionären Initiativen« in Magdeburg. So habe er Stadtteil- und Bürgerversammlungen organisiert und sich als Mitglied der Gefangenenhilfsorganisation Rote Hilfe gegen Repression und politische Verfolgung engagiert. Trotz gesundheitlicher Probleme in den letzten Jahren kam sein Tod für seine Freund*innen überraschend. Er starb Mitte Dezember 62-jährig an Herzversagen, wurde aber erst später aufgefunden. »Matthias hat bis zu seinem Tod für die Ziele und Ideale gekämpft, für die er im Herbst 1989 in der DDR auf die Straße gegangen ist«, sagt ein Freund »nd«.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -