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Macron fährt scharfes Geschütz auf
Französische Zusage für Panzerlieferung an die Ukraine befeuert Debatte in Deutschland
Zur Weihnachtszeit hatte der frühere ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, der Nachrichtenagentur dpa eine Wunschliste in den Block diktiert. Der stellvertretende Außenminister forderte westliche Kampfjets und Kriegsschiffe im Krieg mit Russland. Sein Dauerbrenner bleibt die Forderung nach modernen Panzern. Nun verdichten sich die Anzeichen, dass die Bundesregierung dem nachkommen könnte. Anlass hierfür ist die Ankündigung des französischen Präsidenten Emmanuel Macron vom Mittwochabend, leichte Kampfpanzer aus der Produktion seines Landes an Kiew liefern zu wollen. Bei den Modellen vom Typ AMX-10 RC handelt es sich um Aufklärungspanzer, die seit den 80er Jahren im Einsatz sind und im französischen Militär auslaufen. Die Panzer sind unter anderem mit einer 105mm-Kanone ausgestattet.
Bundeskanzler Olaf Scholz hatte die Lieferung von modernen westlichen Panzern an die Ukraine bisher mit der Begründung abgelehnt, dass er keine deutschen Alleingänge wolle. Aus Sicht von FDP- und Grünen-Politikern zählt dieses Argument nach der Zusage von Macron nicht mehr. Militärpolitikerinnen dieser Parteien wie Agnes Strack-Zimmermann und Sara Nanni haben die Panzer Leopard und Marder im Blick, die aus deutschen Industriebeständen kommen und der Ukraine zur Verfügung gestellt werden könnten.
In der Kanzlerpartei SPD gab es dagegen in den vergangenen Monaten viel Widerstand. Generalsekretär Kevin Kühnert hatte im Herbst erklärt, dass Deutschland nicht schleichend in den Krieg hineingezogen werden dürfe. Russland könne animiert werden, »völlig irrational« zu handeln, und andere Staaten angreifen, warnte Kühnert. Hintergrund dieser Aussage ist, dass etwa die Ausbildung am modernen westlichen Kampfpanzer Leopard 2 lange dauern würde.
In dieser Zeit würde offensichtlich werden, welche Rolle Deutschland in diesem Konflikt schon länger spielt. Aus einem Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags, das im Mai bekannt wurde, geht hervor, dass die Ausbildung ukrainischer Soldaten, die bereits auf deutschem Boden stattfindet, völkerrechtlich eine Kriegsbeteiligung westlicher Staaten darstellen kann. »Erst wenn neben der Belieferung mit Waffen auch die Einweisung der Konfliktpartei beziehungsweise Ausbildung an solchen Waffen in Rede stünde, würde man den gesicherten Bereich der Nichtkriegsführung verlassen«, heißt es in dem Gutachten.
Ende vergangenen Jahres hatte die EU mit einer Ausbildungsmission ukrainischer Soldaten begonnen. Die Bundeswehr leistet dabei einen großen Beitrag. Bereits Monate zuvor war beschlossen worden, dass ukrainische Soldaten von deutschen und niederländischen Kollegen auf der Panzerhaubitze 2000 ausgebildet werden. Die Bundesrepublik liefert zudem moderne Panzer an ihre östlichen Nato-Bündnispartner. Dafür geben diese ihre Kriegsgeräte sowjetischer Bauart an die Ukraine ab.
Insbesondere der SPD war es wichtig, in vielen Fällen nicht direkt ins Kriegsgebiet zu liefern. Denn sie weiß, dass dies in Teilen ihrer Anhängerschaft alles andere als populär ist und zu einem großen Problem werden kann, wenn neben den russischen Gräueltaten auch Kriegsverbrechen der ukrainischen Armee öffentlich werden sollten.
So hält sich auch bis heute die Behauptung, dass bisher keine Kampfpanzer aus westlicher Produktion an die Ukraine geliefert wurden. Dabei hatte der geheim tagende Bundessicherheitsrat im April beschlossen, dass die Rüstungsschmiede Krauss-Maffei Wegmann einige Gepard-Panzer an Kiew verkaufen darf. Im Dezember waren 30 von ihnen im Einsatz. Die Bundesregierung hatte behauptet, es seien keine Kampfpanzer, sie sollten nur den Luftraum vor russischen Angriffen schützen. In Wirklichkeit können die Maschinenkanonen aber auch gegen Bodenziele eingesetzt werden.
Das alles zeigt, dass die gesamte Bundesregierung, auch die SPD, schon sehr weit gegangen ist bei der Unterstützung für die ukrainischen Streitkräfte. Der nächste Schritt, also die Lieferung moderner Panzer, könnte demnach nur noch eine Frage der Zeit sein. Der SPD-Militärpolitiker Andreas Schwarz äußerte im »Spiegel« die Erwartung, dass die französische Ankündigung »wieder mehr Bewegung in die deutsche Diskussion bringen« werde. Es sei an der Zeit, »mit westlichen Partnern die nächste Stufe der Unterstützung der Ukraine abzustimmen«.
Befürworter der Waffenlieferungen gehen davon aus, dass Russland militärisch besiegt werden kann. Zwar wurde die Armee in einigen Regionen von ukrainischen Streitkräften zurückgedrängt, aber sie hält noch immer Teile im Osten und Süden der Ukraine besetzt. Die politische Führung in Kiew hatte angekündigt, ihr gesamtes Staatsgebiet zurückerobern zu wollen. Präsident Wolodymyr Selenskyj schrieb nach der angekündigten Panzerlieferung per Twitter an Emmanuel Macron gerichtet: »Danke, mein Freund. Deine Führungsstärke bringt den Sieg näher.«
Auch die russische Regierung beharrt auf Maximalforderungen und will die annektierten Gebiete nicht wieder hergeben. Nach einem Telefonat von Präsident Wladimir Putin mit seinem türkischen Amtskollegen Recep Tayyip Erdoğan am Donnerstag hieß es von offizieller Seite in Moskau: »Wladimir Putin hat erneut die Bereitschaft Russlands zum ernsthaften Dialog betont – unter der Bedingung, dass die Obrigkeit in Kiew die bekannten und mehrfach öffentlich gemachten Forderungen erfüllt und unter Berücksichtigung der neuen territorialen Realität.« Allerdings ordnete Putin angesichts des bevorstehenden orthodoxen Weihnachtsfests eine anderthalbtägige Feuerpause in der Ukraine an. Er wies das russische Verteidigungsministerium an, von Freitagmittag bis in die Nacht auf Sonntag die Kampfhandlungen einzustellen.
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