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Freundschaftsvertrag im »Feindgebiet«

Regierungschef Sánchez will mit spanisch-französischem Gipfel in Barcelona Stärke demonstrieren

Gemeinsam für die Unterwasserpipeline: Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und der portugiesische Premierminister António Costa (v.r.n.l.)
Gemeinsam für die Unterwasserpipeline: Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und der portugiesische Premierminister António Costa (v.r.n.l.)

Für Spanien ist es ein diplomatischer Ritterschlag: Frankreich unterzeichnet mit dem iberischen Staat beim Gipfel in Barcelona einen Freundschaftsvertrag. Mit diesem Abkommen werden die Beziehungen zwischen Spanien und dem Nachbarland auf die gleiche Stufe gestellt wie die Beziehungen zwischen Frankreich und Deutschland und Italien. Mehr geht nicht. Wie hoch das Treffen angesiedelt ist, zeigt sich auch an der französischen Delegation. Präsident Emmanuel Macron kommt höchstselbst und wird dabei von Premierministerin Élisabeth Borne und rund einem Dutzend französischer Minister in die katalanische Hauptstadt begleitet.

Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez oblag die Wahl des Austragungsorts. Der wird gern symbolisch gewählt. Frankreich entschied sich beim vergangenen Gipfel für Montauban. In dieser Stadt, der Hauptstadt des Departements Tarn-et-Garonne im Südwesten Frankreichs, ist Manuel Azaña, Präsident der Zweiten Republik und Symbol des spanischen Exils nach dem Bürgerkrieg, begraben. Sánchez wählte Barcelona. Zum einen, weil er den »katalanischen Procès« – die Bemühung um Unabhängigkeit – fünf Jahre nach dem einseitigen Unabhängigkeitsreferendum am 1. Oktober 2017 und den folgenden Turbulenzen mit der Flucht des katalanischen Präsidenten Carles Puigdemont ins Exil als Höhepunkt für beendet hält; zum anderen, weil Barcelona für die Entwicklung der spanisch-französischen Partnerschaft eine große Rolle spielt. Denn neben dem Freundschaftsvertrag geht es beim Gipfel auch um die Zukunft für die Energiesicherheit – aus spanischer Sicht nicht weniger als um die in Europa. Und dabei spielt Barcelona eine große Rolle. Denn von dort soll die Unterwasserpipeline nach Marseille führen, die bis 2030 dekarbonisierten Wasserstoff von der iberischen Halbinsel ins Zentrum Europas transportieren soll.

Für Spanien war die Unterwasserpipeline eigentlich nur die zweite Wahl, denn den Mittelmeerraum zu stärken, ist in Madrid nie die erste Wahl. Für den sogenannten Mittelmeer-Korridor, der vom andalusischen Hafen Algeciras an der Meerenge von Gibraltar die gesamte Küste bis nach Frankreich mit der Schiene verbinden soll, macht sich die Europäische Union seit 25 Jahren stark und stellt eine großzügige Mitfinanzierung in Aussicht. Doch davon würde unter anderem die ungeliebte Wirtschaftsregion Katalonien profitieren, was zumindest die spanische Rechte verhindern will. Entlang des Mittelmeer-Korridors lebt etwa die Hälfte der spanischen Bevölkerung, dort werden 45 Prozent der Exporte hergestellt. Transportiert werden sie fast ausschließlich per Lastwagen, gerade einmal fünf Prozent der Waren über die Schiene, im europäischen Durchschnitt sind es laut Eurostat 18 Prozent.

Spaniens Präferenz war dieselbe wie die von Deutschland. Midcat statt H2Med. Midcat sah eine Gasleitung über die Pyrenäen vor, H2Med verläuft als Pipeline von den Häfen in Barcelona nach Marseille, wenn sie mal fertig ist. Macron war gegen den Aufbau einer neuen Gasinfrastruktur in Frankreich, da Frankreich als Durchleiter und nicht als Abnehmer für das Gas wenig Eigeninteresse hatte. Für die Gasleitung über die Pyrenäen hätte auf gut 130 Kilometer Länge französischer Boden aufgerissen werden müssen, ohne dass die betroffenen Gemeinden offensichtlichen Nutzen davon gehabt hätten. Kein Problem hat Macron mit der Unterwasserpipeline, obwohl der Kostenvoranschlag viel größer ausfällt. 2,5 Milliarden Euro – gegen geplante 450 Millionen Euro für das Pyrenäenprojekt. »Fische protestieren nicht«, twitterte der spanische Journalist Enric Juliana, als er vom geplanten Bau der Unterwasserpipeline erfuhr.

Am 9. Dezember unterzeichneten Emmanuel Macron, Pedro Sánchez und der portugiesische Premierminister António Costa in Alicante ein Abkommen, um bei der EU Mittel für den Bau der Unterwasserpipeline zu beantragen. Noch befindet sich das H2Med-Projekt in der technischen Definitionsphase, der Baubeginn ist für 2025 anvisiert. Von den bisher geschätzten Kosten von 2,5 Milliarden Euro könnte die Hälfte aus europäischen Mitteln stammen.

Das von Paris durchgesetzte Projekt wird für »grünen« Wasserstoff gebaut, der mit erneuerbaren Energieträgern produziert wird. Zehn Prozent des europäischen Bedarfs an »grünem« Wasserstoff sollen laut der gemeinsamen Erklärung der Regierungschefs durch die neue Pipeline fließen.

Die etwa 450 Kilometer lange Leitung unter dem Mittelmeer, die bis zu 2600 Meter Tiefe erreichen wird, bringt den Energieträger von der Iberischen Halbinsel nach Frankreich. Eine von mehreren technischen Herausforderungen. Bisher fehlt auch eine Pipeline, die von Marseille den Wasserstoff bis nach Deutschland transportieren könnte. Denn dort soll er nicht zuletzt russisches Gas ersetzen.

An dem Gipfel in Barcelona nimmt auch Barcelonas Bürgermeisterin Ada Colau von Barelcon en Comú teil, einem regionalen Ableger der Linkspartei Unidas Podemos, der sich für das Selbstbestimmungsrecht, aber nicht für die Unabhängigkeit Kataloniens ausspricht. Das wiederum macht die republikanische Linke ERC, die mit Pere Aragonès derzeit den Regierungschef stellt. Während Aragonès am Gipfel teilnimmt, gehört die ERC zu den Parteien der Unabhängigkeitsbewegung, die zur Demonstration dagegen aufgerufen haben. Ein Indiz mehr für die momentane Uneinigkeit in der Unabhängigkeitsbewegung über den einzuschlagenden Weg – Richtung Dialog oder Richtung zivilen Ungehorsam.

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