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Tory-Chef Zahawi in Erklärungsnot
Steueraffäre des Kabinettsministers bringt auch Premierminister Rishi Sunak in die Bredouille
Die zweite Januarhälfte ist für viele Briten eine nervige Zeit. Bis Ende des Monats müssen rund 12 Millionen Erwerbstätige ihre Steuererklärung fürs Vorjahr ausfüllen und die fällige Summe gleich bezahlen. Gerade in diesem Jahr, wo steigende Preise die Geldbörsen strapazieren, dürften sich viele Steuerzahler mit schweren Sorgen an diese Aufgabe machen.
Nadhim Zahawi hätte sich somit keinen schlechteren Zeitpunkt aussuchen können, um mit einer Steueraffäre Schlagzeilen zu produzieren. Der Kabinettsminister und Vorsitzende der Tory-Partei – sogenannter Chairman – steht unter wachsendem Druck, weil er vergangenes Jahr eine ansehnliche Summe an Steuern nachzahlen musste.
Nach tagelangen Spekulationen in der britischen Presse über die Einzelheiten der Steuernachzahlung wollte Zahawi am Samstag reinen Tisch machen. Er publizierte ein kurzes Statement, in dem er einräumte, er habe der Steuerbehörde HMRC einen bestimmten Betrag im Nachhinein überwiesen. Es geht um die Besteuerung von Aktienanteilen am Unternehmen Yougov, das Zahawi vor 22 Jahren mit gründete. Zahlen nannte er keine, aber laut der BBC handelt es sich um eine Summe von rund 5 Millionen Pfund, die Zahawi nachzahlen musste. Es sei ein »fahrlässiger, kein bewusster Fehler« gewesen, schrieb Zahawi in seiner Stellungnahme; auch HMRC habe dies anerkannt.
Aber schon am Sonntag wurden in der britischen Presse Regierungsmitarbeiter zitiert, laut denen die überwiesene Summe eine Strafzahlung enthielt – was ein Hinweis wäre, dass nicht alles so unschuldig ablief, wie Zahawi behauptet. Auch besteht Unklarheit über den Zeitpunkt: Medien berichten, dass die Nachzahlung zwischen Juli und September 2022 erfolgte – also genau in dem Zeitraum, als Zahawi Finanzminister war. Ein Schatzkanzler, der wegen einer Steuerangelegenheit von seiner eigenen Behörde belangt wird, wäre überaus ungünstig.
So bleiben viele Fragen offen. Selbst manche Tory-Parlamentsabgeordneten forderten Zahawi am Wochenende auf, weitere Details über die Angelegenheit zu veröffentlichen. Am Montag zog Premierminister Rishi Sunak Konsequenzen: Er gab bekannt, dass der unabhängige Ethikberater der Regierung die Angelegenheit unter die Lupe nehmen werde. »Es gibt in diesem Fall offensichtlich Fragen, die beantwortet werden müssen«, sagte Sunak. Zahawi begrüßte die Untersuchung, er sagte: »Ich bin überzeugt, dass ich richtig gehandelt habe.«
Für den Premierminister könnte die Affäre noch zu einem Problem werden. Zum einen ist unklar, was Sunak über Zahawis Steuerprobleme wusste, bevor er ihn im Oktober ins Kabinett holte und zum Parteivorsitzenden machte. Angela Rayner, Vizechefin der oppositionellen Labour-Partei, wollte am Sonntag wissen, ob der Premierminister über die Angelegenheit im Bilde war und sich dennoch für die Ernennung von Zahawi entschied. »Die Öffentlichkeit hat ein Recht zu wissen, ob Warnungen ignoriert wurden«, so Rayner.
Zum anderen werfen die Schlagzeilen über Zahawi ein schlechtes Licht auf die Regierung insgesamt: Sie verstärken den Eindruck, dass sich die Minister über die Regeln, die für alle anderen gelten, hinwegsetzen. Sunak selbst war im vergangenen Frühling – damals noch als Finanzminister – in Bedrängnis geraten, weil seine Frau Akshata Murty ihre Steuern nicht in Großbritannien zahlte. Erst nachdem der öffentliche Druck zu groß geworden war, registrierte sich Murty bei der britischen Steuerbehörde.
Als Sunak im Oktober die Regierungsgeschäfte übernahm, hatte er vor allem ein großes Versprechen: Die Regierung werde »auf jeder Ebene mit Integrität, Professionalität und Rechenschaftspflicht« handeln. Nach dem zuweilen bizarren Schauspiel der Johnson-Regierungszeit und den turbulenten Wochen unter Premierministerin Liz Truss sollte Sunak der Mann sein, der das Tory-Schiff in ruhigere Gewässer steuert und in der Downing Street wieder ein Maß an Seriosität herstellt. Eine Steueraffäre eines führenden Kabinettsmitglieds steht im Widerspruch zu diesem Image.
Es ist erst wenige Tage her, da geriet Sunak selbst in Konflikt mit dem Gesetz: Er hatte auf einem Trip nach Nordengland ein improvisiertes Video vom Hintersitz eines Autos aufgenommen, dabei aber keinen Sicherheitsgurt angelegt. Prompt kam der Strafzettel von der Polizei. Es ist ein überaus trivialer Zwischenfall – aber einer, der der Opposition eine weitere Angriffsfläche bietet und ihr erlaubt, die Regierung als inkompetent und ahnungslos darzustellen.
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