- Politik
- Ukraine-Krieg
Linke Appelle gegen Eskalation
Aufrufe von Europa- und Bundestagsabgeordneten sowie Basismitgliedern der Linken
Für Christine Buchholz gehört das konsequente Eintreten für Frieden und Methoden der zivilen Konfliktlösung auch ein Jahr nach dem Beginn der russischen Invasion der Ukraine zum Markenkern der Linkspartei. Den gilt es für sie gegen den überwältigenden Druck aus Politik und Medienöffentlichkeit, aber auch von etlichen Genossen, zu verteidigen. Gerade jetzt brauche es eine starke Stimme gegen die in der deutschen Politik mittlerweile vorherrschende Logik des Militärischen, sagt das Mitglied des Linke-Bundesvorstands »nd«.
Deshalb hat Buchholz zusammen mit der Linke-Europaabgeordneten Özlem Alev Demirel, der Vizepräsidentin der Europäischen Linken Claudia Haydt, dem früheren Mitglied von Bundestag und Europaparlament Tobias Pflüger und dem Chef der Rosa-Luxemburg-Stiftung Heinz Bierbaum am Montag einen Aufruf unter dem Titel »Stoppt den Krieg!« veröffentlicht. Er richtet sich vor allem an Mitglieder und Sympathisanten der Linkspartei, die zur Unterstützung und Verbreitung aufgefordert werden. Zu den 61 Erstunterzeichnern gehören auch die Linke-Bundestagsabgeordneten Susanne Ferschl, Kathrin Vogler, Matthias W. Birkwald und Ates Gürpinar. Letzterer ist auch stellvertretender Bundesvorsitzender.
In dem Appell wird auf die verheerenden Folgen des »imperialistischen und völkerrechtswidrigen« russischen Überfalls auf die Ukraine verwiesen: Zehntausende Tote auf beiden Seiten, aktuell mindestens acht Millionen Geflüchtete außerhalb der Ukraine, gewaltige Zerstörungen. Und nicht zu vergessen: die weltweiten Folgen von Krieg und Sanktionen, die bereits vor dem Krieg akute humanitäre Krisen verschärften.
»Wir wollen dazu beitragen, dass Die Linke ohne Wenn und Aber als Antikriegspartei wahrgenommen wird«, schreiben die Unterzeichner. Es gelte klarzumachen, dass sich der Krieg zu einem Stellvertreterkrieg zwischen Russland einerseits sowie Nato und EU andererseits um »geopolitischen Einfluss« gewandelt habe. Die Ukraine sei »das Schlachtfeld«, auf dem er ausgetragen werde. Die Initiatoren des Aufrufs zeigen sich besorgt angesichts der Tatsache, dass sich die erklärten Kriegsziele des Westens zunehmend verschieben und dass die »vollständige Niederlage« Russlands angestrebt werde.
Dies vergrößere die Gefahr einer »globalen Eskalation«, zumal »Perspektiven einer Verhandlungslösung« in »weite Ferne gerückt« seien, warnen die Linke-Politiker. »Deswegen stellen wir uns unmissverständlich gegen die Lieferung von Marder-Schützenpanzern, Leopard-2-Kampfpanzern und weiterer Waffen«, erklären sie. Der Abzug der russischen Truppen aus der Ukraine sei ebenso nötig wie eine »scharfe Kritik an dem Umstand, dass die Nato ihre Interessen höher bewertet als eine rasche Friedenslösung«.
Gegenüber der eigenen Partei äußern die Unterzeichnenden die Erwartung, dass sie »mutig und offensiv die Kriegs- und Aufrüstungspolitik der Bundesregierung und der EU« kritisieren solle. Sie müsse die Forderung nach »Stopp des Krieges und Deeskalation« auf die Straßen bringen und so die Friedensbewegung stärken.
Die Initiator*innen des Aufrufs hatten zum Linke-Bundesparteitag im Juni 2022 einen eigenen Leitantrag eingebracht, der dem des Parteivorstands mit 43 Prozent der Delegiertenstimmen relativ knapp unterlag. Im Unterschied zum Vorstandspapier hatten sie sich dezidierter gegen alle Sanktionen ausgesprochen, die vor allem die Bevölkerung hierzulande wie auch in Russland treffen.
Unterdessen startete auch eine Gruppe um Ralf Krämer, ehemaliges Mitglied des Bundesvorstands, einen Appell. Auch hier finden sich mehrere Bundestagsabgeordnete unter den Erstunterzeichnern, so Sahra Wagenknecht, Andrej Hunko und Zaklin Nastic, außerdem ehemalige MdB wie Diether Dehm und Alexander Neu. Auch die frühere Parteivorsitzende und Europaparlamentarierin Gabriele Zimmer hat den Appell unterzeichnet. Manche Personen haben beide Papiere unterschrieben, so Özlem Demirel und der Philosoph Michael Brie.
Es brauche »dringend eine linke Alternative, die sich kraftvoll, laut und deutlich gegen die Militärlogik« stelle, heißt es im zweiten Papier mit dem Titel »Linke gegen Krieg und Kriegsbeteiligung. Die immer weitere Eskalation «schlimmstenfalls bis hin zu einem atomaren Dritten Weltkrieg zwischen der Nato und Russland sowie China» müsse verhindert werden. Vorstand und Bundestagsfraktion der Linken werden aufgefordert, sich «eindeutig und klar gegen die weitere Eskalation des Krieges und gegen jede deutsche Mitwirkung» zu wenden. Tue Die Linke das nicht, sei sie «nur noch ein Anhängsel des herrschenden Blocks». Auch hier wird gefordert, dass Die Linke eigene Friedensinitiativen starten und zu den Ostermärschen und weiteren Aktionen der antimilitaristischen Bewegung aufrufen und mobilisieren soll.
Gegen die Lieferung deutscher Kampfpanzer an die Ukraine wandte sich am Montag auch der Ostbeauftragte der Linksfraktion, Sören Pellmann. In Ostdeutschland sei «nicht einmal ein Drittel der Bevölkerung» dafür. Die Bundesregierung dürfe deshalb «bei dieser Frage nicht gegen die Mehrheit der Bürger entscheiden», sagte Pellmann in Berlin. Anderenfalls könne «auch die Solidarität mit der Ukraine schwinden».
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.